Sprachlupe: Wo das böse Wort im Schafspelz lauert
Finden Sie auch, Amerika sei auf den Hund gekommen? Weil es um die Wahlen so ein Affentheater macht? Oder gar, weil sein höchstes Tier bald kein bunter Hund mehr, sondern eine graue Maus sein wird? Oder weil auf keine Kuhhaut geht, was es an Kalbereien bietet? Und weil dort der Sender «Fuchsnachrichten» einen Schlangenfrass auftischt, alles für die Katz? Egal, ob Sie das affengeil oder saublöd finden: So hundskommun sollten Sie sich nicht ausdrücken. Denn die armen Schweine und all die anderen Sündenböcke können nichts dafür, was wir Menschen ihnen sprachlich anhängen.
Immerhin kommt auch die Abhilfe aus den USA – nicht weil der Esel als Maskottchen der Demokraten gegenüber dem Elefanten der Republikaner die Nase vorn hat, sondern weil dort die Tierschutzorganisation Peta schon 2018 eine Kampagne für «tierfreundliche Redensarten» ausrief. Auf Englisch gibt es wahrscheinlich eine noch reichere Auswahl an Ausdruckweisen, die «der Gewalt gegen Tiere das Wort reden und den Speziesismus festigen, eine Weltsicht menschlicher Überlegenheit». Um derlei zu meiden, schlägt Peta Abwandlungen vor, die sich zum Teil ins Deutsche übertragen lassen: Man solle etwa «Tornado in der Glasfabrik» sagen statt «Elefant im Porzellanladen» oder statt «den Stier bei den Hörnern» packen «die Blume bei den Dornen» – was indes weder menschen- noch pflanzenfreundlich ist.
Auf der Abschussliste
Spätestens diesen Sommer ist die Kampagne auch in der Schweiz angekommen, genauer in Bern: Zuerst überklebten Aktivisten ein amtliches Plakat gegen Abfallsünder, sodass es lautete: «Lieber ein Tofu auf dem Grill als ein wilder Haufen drumrum». Auf den Winter hin zog die Stadtregierung das Plakat mit dem Schwein und der Saubande aus dem Verkehr. Der Tofu-Empfehlung mochte sich der Gemeinderat nicht anschliessen: Er «teilt die Meinung, dass ein Grillfest auch ohne Tierprodukte ‹möglich› und ‹lecker› sein kann. Er erachtet es jedoch nicht als seine Aufgabe, diesbezügliche Empfehlungen zum Essverhalten abzugeben.» Gefragt, ob er anerkenne, «dass Speziesismus als Diskriminierungsform real und weit verbreitet ist», tat der Gemeinderat lediglich die Einschätzung kund, dass «die Aufmerksamkeit gegenüber dem Phänomen Speziesismus im Wachsen begriffen» sei.
Damit kommt wohl allerhand Getier auf die sprachliche Abschussliste, von Angsthasen bis Zicken – jedenfalls die kriegerischen, von denen ja sowieso nur noch Sexisten reden. «Mutig wie ein Löwe» wird man noch sagen dürfen, wenn man nicht vergisst, die Löwin nachzureichen. Zum Frass vorwerfen – pardon: zur Nahrungsaufnahme – sollte man beiden nur noch Rüebli oder noch besser etwas, das eine Pflanze freiwillig hergegeben hat. Weitere Ratschläge: weder das Kalb machen noch den Bock zum Gärtner, weder Maulaffen feilhalten noch auf dem Zebrastreifen herumtrampeln, weder Paradies- noch schräge Vögel scheel anschauen, geschweige denn sie in den Mund nehmen.
Lusche Flöhe in Kinderohren
Vorsicht ist sogar dann geboten, wenn Tiere in einer Redensart gut wegkommen: Von Vorurteilen geleitet ist ja auch, wer Schwein hat, Eulen nach Athen trägt oder Ameisenfleiss an den Tag legt. Von Fabeln lässt man besser die Finger, denn da werden Tiere in Verruf gebracht, ob sie den Kürzeren ziehen oder nicht – der Hase, der sich erfolglos abhetzt, ebenso wie der Igel mit seinem siegbringenden Doppelspiel. Und die wohlgenährte, aber geizige Ameise ebenso wie die flatterhafte Heuschrecke, der die Emsige nichts von ihren Vorräten abgibt. Sogar wenn in Kinderbüchern Tierlein die besseren Menschen sind, setzen sie den unschuldigen Köpfchen mit abwegiger Tierliebe Flöhe ins Ohr.
Da igle ich mich lieber ein und stecke erst noch den Kopf in den Sand, bis die Sprachpolizei die nächste Sau durchs Dorf treibt. Das ist dann vielleicht eine Mimose oder sonst eine Pflanze, die wir nicht mehr zur Schnecke machen sollen. Auch das werde ich tierisch ernst nehmen.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor war Redaktor beim «Sprachspiegel» und zuvor beim Berner «Bund». Dort schreibt er die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.
Es funktioniert so: Man nehme eine Aussage, ordne ihr nach Belieben neue Bedeutung oder (am allerliebsten) eine niederträchtige Absicht zu und fertig ist die Schuldzuweisung. Das ist so, als wenn jemand anders mein Auto im Halteverbot parkt um mir dann einen Strafzettel auszustellen. Daraus kann man beliebig – in quasi industrieller Größenordnung – so viele Schuldzuweisungen herstellen wie man gerade braucht. Dann klebt man noch ein Etikett drauf, eine an den Haaren herbeigezogene Behauptung, es würde für irgend jemand ANDERS ein guter Zweck vertreten (Frauen, Minderheiten, Tiere, das Gute, etc.etc.) ohne nachweisen zu müssen, Sprecherin dieser Sache zu sein. Und weil es komplett wurscht ist, was in der ursprünglichen Aussage gemeint war, hat dieses Spiel klaren Ausgang: der/die/das Böse steht fest, die beweislosen Inquisitor/*innen sind die moralisch erhabenen Gewinner/*innen. Geholfen wird niemand. Ersatzprobleme, die sichern daß sich niemand den herrschenden, die reale Zustände herbeiführen, in den Weg stellt.
Tierisch gut, dieser Artikel!
Vorsicht ist auch geboten, wenn man jemandem eine Laus in den Pelz (Pfui!) setzt oder ein Kuckucksei ins Nest legt. Mit jemandem ein Hühnchen rupfen – geht gar nicht! Und nicht alle Hunde sind faul oder krumm. (Und falsche Katzen – gibt’s die wirklich?) Verdienstvoll hingegen ist’s, die Kuh vom Eis zu holen. Höchst verdächtig hingegen der, der den Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vorzieht. Und dann die Rabeneltern – aber die Affenliebe ist ja auch nicht besser. Und dieser Sauglattismus überall! Und zeugt es wirklich von besserer Gesinnung, wenn man den Sack haut, wo doch der Esel gemeint ist ?
Es ist doch saublöd, dass man bald nicht mehr gaxen darf was einem im Spatzenhirn abgeht. ….. oder so.
Wenn wir es in einer Sprachlupe schon genau nehmen wollen: Es ist in der Fabel «La cigale et la fourmi» von Jean de La Fontaine keine «flatterhafte Heuschrecke» sondern eben eine Zikade. Nüüt für unguet, lieber Herr Goldstein.
Schon gut, lieber Herr Fröhlich, nur war Aesop ein bisschen früher dran als La Fontaine, und zum fraglichen Tier meint Wikipedia: «Die „Heuschrecke“ in der englischen und deutschen Übertragung ist im Äsopschen Original, sowie in der lateinischen und den romanischen Übersetzungen, eine Zikade aus dem Mittelmeerraum.» Bei der lateinischen «cicada» trifft das sicher zu, zum griechischen κάνθαρος (kántharos) sagt mein dickes Wörterbuch nur: «eine Art Käfer».