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Gegen Mc'Donald's läuft eine Beschwerde wegen «systematischer sexueller Belästigung» © pixabay

Wie McDonald’s seine Verantwortungslosigkeit organisiert (2)

Tobias Tscherrig /  McDonald's-Mitarbeiter auf der ganzen Welt melden Vorfälle von sexueller Belästigung. Das Unternehmen unternimmt zu wenig dagegen.

Nun also auch in Frankreich: Nach einer monatelangen Recherche von «mediapart» und «Street Press», werden auch in Frankreich zahlreiche Vorwürfe von McDonald’s-Mitarbeitern betreffend sexistischen, rassistischen und homophoben Äusserungen sowie Anschuldigungen über sexuelle Übergriffe laut. Lesen Sie dazu den Infosperber-Artikel «Sexuelle Gewalt: In der Hölle der McDonald’s-Angestellten».

Das Problem betrifft aber nicht nur Filialen in Frankreich: McDonald’s-Angestellte auf der ganzen Welt berichten von systematischer sexueller Belästigung. Die Rechercheurinnen und Rechercheure von «mediapart» und «Street Press» kritisieren die Fast-Food-Kette für seine «organisierte Verantwortungslosigkeit». Dem Unternehmen gelinge es dank der «Zersplitterung seiner Unternehmen, die Verpflichtungen eines Arbeitgebers (…) zu umgehen.»

Beschwerde wegen «systematischer sexueller Belästigung»
Am 18. Mai 2020 reichte eine Koalition von Gewerkschaften, darunter die Service Employees International Union (SEIU), bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Beschwerde gegen die McDonald’s-Gruppe wegen «systematischer sexueller Belästigung» ein. Wie die Autoren der Beschwerde gegenüber «mediapart» und «Street Press» sagen, ist dies die erste Beschwerde wegen «weit verbreiteter sexueller Belästigung in einem multinationalen Unternehmen» nach den OECD-Richtlinien.

Die von den Gewerkschaften gesammelten Zeugenaussagen reichen von sexistischen Äusserungen bis hin zu körperlichen Übergriffen und betreffen weibliche McDonald’s-Angestellte in Australien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Grossbritannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich. «Es gibt ein Problem, das über einige wenige verkommene Individuen hinausgeht. Es ist kulturell, ja sogar systemisch innerhalb des Unternehmens», sagt Nicholas Allen, internationaler Koordinator bei SEIU, einer der grössten US-Gewerkschaften des Dienstleistungssektors gegenüber «mediapart».

US-Angestellte schlugen bereits vor zwei Jahren Alarm
Ein Jahr nach dem Beginn der MeToo-Bewegung schlugen amerikanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fast-Food-Kette Alarm. In mehr als 10 Staaten demonstrierten sie gegen sexuelle Belästigung in den Restaurants des Giganten.

Innerhalb der Marke würden Fähigkeiten, Motivation und berufliche Qualitäten immer ohne Rücksicht auf Geschlecht und Herkunft anerkannt, sagt der Fast-Food-Konzern. «Alle unsere Kunden sehen, wenn sie die Tür eines Restaurants öffnen, dass unsere Teams das Spiegelbild eines vielfältigen Frankreichs und der Spiegel der Gebiete sind, in denen wir ansässig sind. Unsere Restaurants (…) sind Orte der Toleranz und Treffpunkte für alle Kulturen und Herkünfte.»

Anders sehen das Beobachter wie Bryce Covert, eine Journalistin von «The Nation». Covert verfolgt die Vorwürfe der sexuellen Belästigungen bei McDonald’s seit Langem und ist der Meinung, dass sich McDonald’s hinter seinen zahlreichen Franchisenehmern verstecke. Es sei aber das Mutterunternehmen, das entscheide, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen, wie das Essen zubereitet und wie mit den Kunden kommuniziert werde. Manchmal hätte das Mutterunternehmen sogar direkte Kontrolle über die Arbeitszeiten und die Gehaltsrechnungen. «Sie haben so viel Kontrolle über die Restaurants, dass sie nicht sagen können, dass sie keine Verantwortung für das haben, was dort passiert.»

«Reaktionen sind nicht ausreichend»
In einem Artikel berichtet Covert über die Veränderungen, die die US-Niederlassung von McDonald’s nach den Protesten der Mitarbeiter vorgenommen hat. So biete das Unternehmen als Reaktion auf den Druck im vergangenen Jahr ein neues Schulungsprogramm zu sexueller Belästigung an, das es in firmeneigenen Betrieben durchführen will und das auch Franchisenehmern zur Verfügung steht. Weiter sei die Politik zur Verhinderung von Diskriminierung und Belästigung verbessert worden. Ausserdem sei eine gebührenfreie Telefonleitung für die Anliegen der Beschäftigten eingerichtet worden.

Änderungen, die gemäss Covert so nicht ausreichen. Und Gewerkschafter Nicholas Allen weist auf die Wichtigkeit von Arbeitnehmer-Organisationen hin. In den Ländern mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad sehe man die geringste Zunahme von geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt. Aber McDonald’s reagiere nicht klar auf entsprechende Bitten und kommuniziere einfach. «Das wird nicht ausreichen.»

«Der Zweck ist die Minimierung der Haftung»
Alleine in der Französischen Republik existieren heute knapp 1490 McDonald’s-Filialen, in denen mehr als 74’000 Menschen beschäftigt sind. Nach Angaben des Fast-Food-Konzerns werden 80 Prozent der Restaurants von Franchisenehmern geführt. Im Durchschnitt führt jeder dieser insgesamt mehr als 310 Franchisenehmer zwischen 4 und 5 Filialen: «Eine Unzahl von kleinen Chefs, auf die der amerikanische Riese all seine Verantwortung als Arbeitgeber abwälzt», bilanziert «mediapart».

«Wenn alles gut läuft, sind wir alle vereint und arbeiten zusammen. Aber sobald etwas schief geht, ist es Sache des Franchisenehmers, das Teammitglied oder den Manager loszuwerden, der ein Problem darstellt. Wenn das Problem beim Franchisenehmer und seinem Management liegt, dann passiert nichts und McDonald’s Frankreich wäscht seine Hände in Unschuld», beschreibt eine ehemalige McDonald’s-Mitarbeiterin das System gegenüber «mediapart».

Da die Unternehmensstruktur von McDonald’s oft sowohl zwischen Restaurants desselben Franchise-Nehmers und dann noch einmal zwischen den einzelnen Franchise-Unternehmen aufgeteilt ist, kommt es auch zu skurrilen Situationen. So zum Beispiel wenn das Lohngefälle zwischen zwei rund 20 Kilometer entfernten McDonald’s-Filialen rund 30 Prozent beträgt.

Obwohl McDonald’s die Arbeitsmethoden genau vorgebe und jeder Hamburger und jede Essiggurke in Frankreich genau gleich aussehe, lasse der Fast-Food-Riese seinen Interventionismus beiseite, wenn es um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gehe. Als internationaler Koordinator der SEIU glaubt Nicholas Allen, dass «McDonald’s überall auf der Welt versucht, alles so weit wie möglich zu zerstückeln. Der Zweck des Franchising besteht darin, die rechtliche Haftung zu minimieren.»

So gibt es zum Beispiel in Paris Restaurants, die direkt von der McDonald’s-Gruppe geführt werden. Dennoch hat McDonald’s beschlossen, für seine Pariser Restaurants vier verschiedene rechtliche Einheiten zu schaffen: McDo Paris Nord, McDo Paris Sud, McDo Est Parisien und McDo Ouest Parisien.

«Gewerkschaften schwächen und Steuern sparen»
Im Jahr 2017 veröffentlichte das Netzwerk React einen detaillierten Bericht über das McDonald’s-System in Frankreich und erläuterte den Trick: «Ein McDonald’s-Restaurant ist ein Unternehmen, das sich rechtlich von allen anderen unterscheidet. Es ist jedoch sehr selten, dass ein einziges Restaurant mehr als 50 Vollzeit-Angestellte beschäftigt. So kann ein Franchisenehmer an der Spitze einer Gruppe von 20 Restaurants stehen und mehr als tausend Mitarbeiter beschäftigen, wobei er das Arbeitsrecht anwendet, das in Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern gilt. (…) Die Restaurants werden als autonome, rechtlich getrennte Einheiten betrachtet.»

Dieses System erlaube es einer Mehrheit der McDonald’s-Restaurants, keine Sozial- und Wirtschaftsausschüsse einzurichten, die nur in Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten obligatorisch sind. Eine Auftrennung, die gemäss einer Angestellten der McDonald’s-Zentrale in Guyancourt zwei Interessen diene: Einerseits würden so die Gewerkschaften geschwächt, andererseits müsse der Konzern dadurch weniger Steuern zahlen.

In Frankreich wurde dieses System im Jahr 2015 angegriffen: Die gewählten Mitglieder des Betriebsrats von McDonald’s Ouest Parisien, zu dem damals insgesamt 900 Beschäftigte und 16 Restaurants gehörten, reichten eine Klage wegen Steuerbetrugs und Missbrauchs von Unternehmensvermögen ein. Dies, nachdem die Gewerkschaft CGT von den ersten Betriebsratssitzungen an Gewinnbeteiligungsprämien und Lohnerhöhungen gefordert hatten. Die Forderungen wurden von McDonald’s abgeblockt, da McDonald’s Ouest Parisien auch 2015 wieder rote Zahlen geschrieben habe. Allerdings soll das Defizit künstlich geschaffen worden sein – durch Lizenzgebühren, die McDonald’s Frankreich an eine andere Tochtergesellschaft des Konzerns im steuergünstigen Luxemburg zahlen müsse.

Im Jahr 2016 leitete die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft eine Voruntersuchung ein, mit der Ermittler der Zentralstelle der auf Steuerbetrug spezialisierten Kriminalpolizei (OCLCIFF) betraut wurden. Eine Untersuchung, die noch nicht abgeschlossen ist. Im Januar 2014 wurde der ehemalige Präsident von McDonald’s Frankreich zum Sachverhalt befragt, schliesslich gab er auf: «Es ist nichts falsch an Steueroptimierung!».

2020 durchbrach McDonald’s die 100-Milliarden-Dollar-Umsatzgrenze – allein in Frankreich beliefen sich die Verkäufe nach den Zahlen von 2018 auf 5,1 Milliarden Dollar.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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