Ölkatastrophe mit Ansage vor der Küste Jemens
1000 Tonnen Rohöl sind im Juli vor der Küste der Touristeninsel Mauritius ins Meer geflossen und haben immense Schäden angerichtet. Die Welt nahm und nimmt grossen Anteil an der Havarie, die Fauna und Flora des Meeres und der Küsten des tropischen Paradieses für Jahrzehnte schädigen oder gar zerstören.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit droht am Roten Meer eine noch viel schlimmere Katastrophe (Infosperber berichtete): Vier Seemeilen vor der Westküste Jemens ankert die FSO Safer. Das Schiff diente als vorgelagerter Hafen für die Verschiffung von Rohöl und ist mit einer 430 Kilometer langen Pipeline mit dem jemenitischen Ölfeld Ma’rib verbunden. 2015 wurde der schwimmende Ölspeicher von den Huthi-Rebellen gekapert und unter ihre Macht gebracht. Seither wird er nicht mehr gewartet, rostet er vor sich hin und verkommt zusehends. Nach fünf Jahren Bürgerkrieg, 20 Millionen vertriebenen und hungernden Menschen, Ernteausfällen und massiven Schäden nach flutartigem Regen droht dem Land im Süden der arabischen Halbinsel ein weiteres Unglück riesigen Ausmasses: Bereits sind beim einwandigen Tanker Lecks festgestellt worden, ein Teil des Schiffs brach ab und die Pumpen, die die giftigen Gase abtransportieren sollten, funktionieren nicht mehr. Jeden Tag kann die Katastrophe eintreten – eine Explosion, ein Auseinanderbrechen oder ganz einfach das Durchbrechen des Öls durch die Tankerwand. «Sobald Öl ausläuft, haben wir verloren, dann ist game over», schreibt die Meeresschutzorganisation Ocean Foundation. Sie hat sich bereit erklärt, als glaubwürdiger Mittler eine Vereinbarung zum Entladen der FSO Safer auszuhandeln. Bis anhin ohne Erfolg.
Krieg verhindert Lösung
Der Tanker lief 1976 vom Stapel und wurde von Esso Japan eingesetzt. 1986 kaufte ihn die jemenitische Öl und Gas Gesellschaft, heute Safer Exploration & Production Operation Company, und baute ihn zu einer schwimmenden Um- und Abladestation (Floating Storage and Offloading) für Rohöl um. Doch seit 2015 ist das Schiff nurmehr ein Spielball im politischen Hickhack in der Region, wo seit 2015 offener Krieg herrscht: Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen brachten es damals in ihre Gewalt. Die Regierung des Jemen wird von der UNO und den meisten Ländern offiziell anerkannt und kann auf die Protektion von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA zählen. Alle Versuche der UNO, das Schiff zu sichern, sind deshalb bis anhin immer am Widerstand der Huthis gescheitert.
Neue Hoffnung der UNO auf Rettungsaktion
Mark Lowcock vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) hat zwar in Aussicht gestellt, dass die Huthis nun einer UN-Mission auf dem schwimmenden Tank zugestimmt haben. «Die Verantwortlichen haben nun die Möglichkeit, Millionen ihrer Landsleute von einer weiteren Katastrophe zu verschonen», sagte er. Nur: Bereits 2019 war man genau gleich weit, bis die Rebellen eine Nacht vor Beginn der Mission ihre Bewilligung zurückzogen. Geplant war, das Öl umzuladen, zu verkaufen und den Erlös zwischen den Kriegsparteien aufzuteilen und für humanitäre Projekte einzusetzen.
Noch mehr Hunger
Die Schäden, die bei einem Auslaufen des Rohöls drohen, sind gewaltig: Innerhalb weniger Tage wären die gesamten Fischgründe von Jemen zerstört, der Hafen Al Houdeidah müsste für mindestens sechs Monate geschlossen werden, meint die UNO. Das wiederum würde im kriegsversehrten Land, das fast alle Güter importieren muss, zu weiterem Mangel und zu inakzeptablen Preiserhöhungen führen. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat im Juli die Weltgemeinschaft alarmiert, dass 360’000 unterernährte Kinder sterben werden, wenn nicht Hilfe in grossem Mass anlaufe. Dafür braucht es aber sichere Wege und eben auch einen Hafen.
Ökologisch schlimmer als bisherige Unglücke
Wie die Ocean Foundation schreibt, wären die ökologischen Folgen für das Rote Meer gravierend und grösser, als alles bisher Gesehene. Zudem hätten die Ölkatastrophen der Exxon Valdez in Alaska im Jahr 1989, der Havarie im Persischen Golf 1991 und der Explosion der Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexico gezeigt: Auch Jahrzehnte danach seien die Ökosysteme noch immer nicht wiederhergestellt.
Das Rote Meer ist ein marines Ökosystem mit grosser Vielfalt. Viele Arten Delfine und Wale leben dort, Seeschildkröten und Seekühe. Hunderte von Kilometern an Korallenriffen, Marschland, Mangrovenwälder bieten Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Bei einem Auslaufen des Öls würden nicht nur weiträumig ganze Habitate und ihre Bewohner sofort zerstört, die Schäden würden auch über Jahrzehnte nicht wieder behoben werden können, schreibt die Ocean Foundation. Davon betroffen wären rund 30 Millionen Menschen in der Region. Auch Entsalzungsanlagen für die Trinkwasserversorgung wären betroffen, nicht zu sprechen davon, dass Fischer ihren Erwerb und viele Menschen ihre Nahrung verlieren würden.
UN-Generalsekretär António Guterres hat Mitte August ebenfalls einen Appell an die Besitzer des Schiffes gerichtet. Als erstes gehe es jetzt darum, ein Auslaufen des Öls zu verhindern. Die Ocean Foundation hat wenig Hoffnung, dass die UNO zum Ziel kommt. Sie hofft noch immer, dass ihr Angebot als unabhängiger Vermittler angenommen wird.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Die UNO mit Saudi-Arabien und den VAE auf Seiten der Regierung – das soll ein unabhängiger Vermittler sein?