Ufer

Erdöl verschmutzt die Ufer des Rio Coca, Anfang April 2020 © Telmo Ibarburu/mutantia.ch

Ecuador: Die stille Umweltkatastrophe im Amazonas

Red. /  2,5 Millionen Liter Öl aus einer gebrochenen Pipeline haben mehrere Flüsse im Amazonas verseucht. Eine Bildreportage aus Ecuador.

Redaktion mutantia.ch – Anfang April ereignete sich in Ecuador eine der schlimmsten Ölkatastrophen der letzten 15 Jahre. Aber im Zuge der Covid-19-Pandemie blieb die Ölpest im Amazonasbecken von Medien weitgehend unbeachtet. Zehntausende Bauern und Indigene, die im verseuchten Gebiet leben, haben ihre Lebensgrundlage verloren. Doch die Verantwortlichen der Erdölindustrie und der Regierung weisen jede Schuld von sich. Und die ecuadorianische Justiz bleibt untätig.

Die Fotos der Familien, die entlang der Flüsse Coca und Napo im ecuadorianischen Amazonasbecken leben, sind erschreckend. Auf den Bildern, die Indigene- und Menschenrechtsorganisationen in Umlauf gebracht haben, sind stark abgemagerte und verendete Kühe zu sehen. Andere Fotos zeigen vom Erdöl schwarz verfärbte Uferläufe sowie menschliche Körper voller Blasen und Hautausschläge. Auch Kinder mit roten Flecken auf Gesicht, Brust und Bauch sind zu sehen. Die jüngsten von ihnen haben eben erst laufen gelernt.
Ursache dieser Katastrophe ist der Bruch mehrerer Erdöl-Pipelines zwischen den Bohrlöchern im Osten des Landes und der Hauptstadt Quito. Dabei sind am Abend des 7. April 2020 mindestens 15’800 Barrel Erdöl in den Coca-Fluss geströmt – rund 2,5 Millionen Liter.
Am Ursprung steht Ecuadors höchster Wasserfall San Rafael, der mit seiner Höhe von 150 Metern TouristInnen aus aller Welt angezogen hatte. Anfang Februar kam es zur Erosion dieses Wasserfalls. Geologen warnten damals, dass das Gelände weiter abrutschen und Infrastruktur in der Nähe gefährden könnte. Gemeint waren auch die Erdöl-Pipelines der staatlichen Erdölfirma Petroecuador sowie des privaten Unternehmens OCP (Compania de Crudos Pesados Ecuador), die in der Nähe des Wasserfalls verlaufen.
Die Regierung war also gewarnt, sprach hinterher jedoch von «höherer Macht». Begünstigt von der Covid-19-Pandemie, die das öffentliche Interesse von der Umweltkatastrophe ablenkte, schob sie die Schuld auf ein «unvorhersehbares Naturereignis» und entledigte sich so relativ schnell jeglicher Verantwortung – zumindest vorübergehend. Doch Ende April zogen die betroffenen Bauern und indigenen Gemeinden vor Gericht und verlangten eine einstweilige Verfügung. Damit soll die Regierung verpflichtet werden, im verseuchten Gebiet die Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln sicherzustellen. Zudem fordern die KlägerInnen eine angemessene Gesundheitsversorgung für die Menschen, die von der Katastrophe betroffen sind. Die Anhörung wurde jedoch seit dem 1. Juni 2020 ausgesetzt und auch nicht wieder aufgenommen. Seither warten die Betroffenen auf Antwort der ecuadorianischen Justiz.

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Die Erosion des Wasserfalls San Rafael zwischen Ecuadors Hauptstadt Quito und dem Amazonasbecken im Osten des Landes hat auch die dort verlaufenden Erdöl-Piplines mitgerissen: Bild vor Ort, wenige Tage nachdem die Erde weggerutscht ist. (Foto: Ivan Castaneira)


Abgemagert, krank oder gestorben: Auch Rinder, die das Wasser der Flüsse Coca und Napo trinken, sind Opfer der Ölpest geworden. (Foto: Telmo Ibarburu)


Der Fluss ist die Lebensgrundlage vieler Menschen in diesen Gebieten. Sie ernähren sich von den Fischen, trinken das Wasser und waschen damit ihre Körper. Auch Riten finden an den Flussufern statt. Doch seit dem Pipeline-Bruch ist alles anders: Der Rücken eines lokalen Bewohners, übersät mit Ausschlag. (Foto: Ivan Castaneira)

Betroffen sind auch die Kleinsten: Nebst der ungenügenden Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser, der Covid-19-Pandemie, dem kürzlichen Ausbruch des Dengue-Fiebers sowie unzähligen Überschwemmungen auf Grund der starken Regenfälle sind die lokalen BewohnerInnen nun auch noch der massiven Verschmutzung durch ausgelaufenes Erdöl ausgesetzt: Ein Kleinkind mit Blasen und Pusteln am ganzen Körper. (Foto: Ivan Castaneira)


Pipline-Brüche wie jener beim Wasserfall von San Rafael sind trauriger Alltag im ecuadorianischen Amazonasbecken. Experten gehen davon aus, dass es wöchentlich zu einem solchen Ereignis kommt, wenn auch oft «nur» in geringerem Ausmass. Auf dem Bild ist der Erdöl-Ausfluss von Mitte März in der Kleinstadt Shushufindi zu sehen. In diesem Fall hatten die Mitarbeiter der Erdölfirma Sandsäcke ausgelegt, um den gröbsten Teil aufzufangen. (Bild: Romano Paganini)


Fussabdruck auf Lebzeiten: Einige Bestandteile des Erdöls – notabene die giftigsten – sind unsichtbar und wasserlöslich. Sie werden in der Natur bleiben und über Fische und andere Tiere in die Nahrungskette der Menschen gelangen. So können sie auf genetischer Ebene Langzeitschäden verursachen. Wie Forschungen aus der Vergangenheit gezeigt haben, könnte zum Beispiel die Krebsrate in den betroffenen Gebieten ansteigen. (Foto: Romano Paganini)

Der Präsident einer betroffenen Gemeinde dokumentiert die Ölverschmutzung in einem Video:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Beitrag ist zuerst auf mutantia.ch erschienen.

Zum Infosperber-Dossier:

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Gifte und Schadstoffe in der Umwelt

Sie machen wenig Schlagzeilen, weil keine «akute» Gefahr droht. Doch die schleichende Belastung rächt sich.

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2 Meinungen

  • am 23.07.2020 um 00:08 Uhr
    Permalink

    Mehr zu Equador und seiner grandiosen Natur

    "Ecuador is one of the world’s leading destinations for birdwatchers, and no wonder: the country has no less than 1,659 species of exotic bird, in all colors, shapes and sizes.

    These numbers are roughly the same for Ecuador’s neighbors, Colombia and Peru, but Ecuador is about a quarter the size of either, so it has an incredible four times as many birds per square meter."

    https://www.worldbirds.org/ecuador/

  • am 5.09.2020 um 23:00 Uhr
    Permalink

    Die Zerstörer werden siegen, weil das Volk weder willig noch systematisch ist:
    Die Berliner Zeitung berichtete 2017 über ein moralisches Angebot (seitens Ecuador), https://www.berliner-zeitung.de/ecuador-will-das-erdoel-unter-einem-artenreichen-urwald-ruhen-lassen-wenn-das-ausland-einen-milliarden-ausgleich-zahlt-ein-moralisches-angebot-li.19301
    das die deutsche FDP unmoralisch bodigte (groundete). Mein Leserbrief 1.Dezember im Migrosmagazin 49/2014: Betreffend den Artikel im MM 48: «1 Bub, 13 Milliarden Bäume», Artikel über einen engagierten Jungen, der Bäume pflanzen will. – «Der Wald ist mehr als der Atem der Erde» Bäumige Idee! Noch vor wenigen Jahrhunderten war die Welt fast ein einziger Wald, deshalb die Märchen vom «tiefen, tiefen Wald». Aber: Warum Milliarden Bäume pflanzen (Wo denn? Kein Platz!) und gleichzeitig Riesenwälder (in Kontext-¬Ökosystemen samt Tieren) vernichten? Präsident Correa (Ecuador) wollte 2007 der Welt quasi den Regenwald verkaufen – zum Schutz statt zur Erdölförderung (Zerstörung), das Land benötigte das Geld. Toller Vorschlag. Und billig, sogar ein einziger Milliardär hätte es bezahlen können. Die Welt sagte Nein. Der Wald – mehr als der Atem der Erde.

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