Corona-Quarantäne: Häusliche Gewalt nimmt zu
In der Provinz Hubei, wo das Corona-Virus erstmals bei Menschen auftrat, erhielt eine NGO-Frauenorganisation gegen häusliche Gewalt seit der Ausgangssperre doppelt so viele Hilferufe von Betroffenen wie im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Dies berichtet das englischsprachige chinesische Online-Magazin «Sixth Tone».
Betroffene bleiben in Wohnung «gefangen»
Die NGO führt die rasante Zunahme darauf zurück, dass wegen der Ausgangssperre Konflikte eskalieren, weil die Leute Angst haben und Verdienstausfälle befürchten. Erschwerend komme hinzu, dass Unterstützungsangebote für Betroffene nicht mehr zugänglich sind. So seien zum Beispiel Frauenhäuser umfunktioniert worden in Obdachlosenhäuser. Andere Aktivistinnen warnten auf dem sozialen Netzwerk «Weibo», dass Betroffene wegen der Quarantäne und Reisebeschränkungen keinen Unterschlupf bei Verwandten oder Bekannten finden können und deshalb in der eigenen Wohnung «gefangen» sind.
Auch in der Schweiz: Fachleute rechnen vermehrt mit häuslicher Gewalt – mehr Plätze nötig, Bund setzt Taskforce ein
Der Kanton Zürich hat bereits reagiert und will mehr Plätze und Betten für Opfer von häuslicher Gewalt zur Verfügung stellen. Die Direktion Justiz und Inneres sowie die Sicherheitsdirektion fordern die Organisationen im Bereich der Opferhilfe deshalb auf, zusätzliches Personal einzustellen und zusätzliche Unterkünfte anzumieten, steht in der Medienmitteilung. Die Kosten würden durch das kantonale Sozialamt und die Fachstelle Opferhilfe garantiert, auch der zusätzliche Aufwand in den Frauenhäusern werde übernommen.
Fachleute befürchten, dass es wegen der zur Bekämpfung des Coronavirus verordneten räumlichen Nähe, Ängsten wegen Jobverlust und Mangel an ausserfamiliären Kontakten vermehrt zu Spannungen kommen wird. Der Bund hat deshalb eine Taskforce unter Federführung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG einberufen. Notfalls würden zusätzliche Massnahmen ergriffen. Das EBG weist darauf hin, dass auch in der jetzigen Ausnahmesituation die Polizei bei Gewaltvorfällen eingreifen werde. Sie könne weiterhin die Wegweisung einer gewalttätigen Person von ihrem Zuhause verfügen und Gefährdungen von Kindern an die zuständigen Behörden melden. Die Anordnung von Kontakt- und Annäherungsverboten sei weiterhin möglich.
Gewalttäter auch während Pandemie zur Verantwortung ziehen
Feng Yuan von der Pekinger NGO-Frauenorganisation «Weiping» stellte ebenfalls fest, dass die Zahl der Hilfesuchenden deutlich gestiegen ist. Sie forderte die Polizei auf, Fälle häuslicher Gewalt trotz der Viruskrise ernst zu nehmen und Hilfesuchende nicht abzuweisen. Wenn die Polizei trotz Epidemie Personen verfolgen könne, die Experten beleidigen oder auf der Strasse keine Maske tragen, müsse sie auch Personen zur Verantwortung ziehen können, die Frauen und Kinder schlagen, sagte Feng Yuan gegenüber «Sixth Tone». Zeuginnen und Zeugen häuslicher Gewalt rief sie auf, Betroffene zu unterstützen. Es sei sehr wichtig, dass diese ihre Rechte kennen. Laut offiziellen Statistiken hat in China jede dritte verheiratete Frau schon einmal häusliche Gewalt erlebt. Diese ist erst seit 2016 ein Straftatbestand.
Zunahme auch in Europa erwartet
Wegen des Coronavirus gelten nun auch in zahlreichen europäischen Ländern Ausgangsbeschränkungen. In Österreich rechnet der Verein Autonome Frauenhäuser (AÖF) mit einer Zunahme häuslicher Gewalt. Geschäftsführerin Maria Rösslhumer sagte im «Standard», Familien lebten nun den ganzen Tag zusammen und möglicherweise sei der Arbeitsplatz bedroht oder bereits verloren. Soziale Kontakte ausserhalb der Familie gebe es kaum mehr. Rösslhumer: «In Familien, in denen sowieso Gewalt vorherrscht, wird es in nächster Zeit vermutlich noch mehr eskalieren.» Laut Justizministerin Alma Zadić (Grüne) soll der Rechtsschutz trotz Corona-Krise nicht ausgehöhlt werden. Die Polizei spreche weiter Annäherungsverbote aus und vollziehe Wegweisungen. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte, alle Bundesländer hätten zugesichert, bei Engpässen in Frauenhäusern Plätze für Betroffen bereitzustellen. In Grossbritannien erwartet Claire Barnett, Geschäftsleiterin der Uno-Frauenrechtsorganisation «UN Women», eine Zunahme häuslicher Gewalt. Dies sei in Zeiten ökonomischer Unsicherheit und sozialer Instabilität immer der Fall, sagte sie der «Huffington Post».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Barbara Marti ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift FrauenSicht.
"Gewalttäter zur Verantwortung ziehen». Und wie steht es um die Gewalttäterinnen?
Der Artikel läßt jeglichen Hinweis auf irgendeine Datenbasis für Behauptungen irgendwelcher Leute vermissen. Insofern ist der Informationsgehalt gleich null. Interessant wäre z. B. auch eine Kriminalitätsstatistik gewesen die auch Migrationshintergründe oder Berufsgruppen von Tätern und Täterinnen (!) aufzeigt. Solche Statistiken aber geben die Polizeibehörden regelmäßig nicht heraus. Obwohl sie sie haben.