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Lorenzo Mendoza, Inhaber des Lebensmittelkonzerns Polar in Caracas © fb

Aus Not verbündet sich Präsident Maduro mit Privatunternehmen

Christa Dettwiler /  In Venezuela werden Arbeitsgesetze liberalisiert, Staatsunternehmen privatisiert und Preiskontrollen fallengelassen.

Als Venezuela 2017 immer tiefer in eine Wirtschaftskrise schlitterte, tauchte regelmässig ein Name auf: Lorenzo Mendoza. Der Name ist in Venezuela bestens bekannt. «Empresas Polar», das von Mendozas Grossvater gegründete Nahrungsmittelunternehmen, war die grösste Privatfirma Venezuelas. Als die Wirtschaftspolitik von Präsident Nicolas Maduro zu einer massiven Nahrungsmittelknappheit führte und eine ebenso massive Flüchtlingskrise auslöste, wurde Mendoza zum lautstarken Kritiker der Regierung und ihrer Diskriminierung des Privatsektors.

Plötzlich verschwand Mendoza aus der Öffentlichkeit, und Maduro hörte auf, ihn als Dieb, Parasiten und Verräter zu beschimpfen. Auch die Angriffe auf «Polar» hörten auf. Mehr noch, die venezolanische Regierung übernahm nach und nach die Wirtschaftspolitik, die Mendoza immer gefordert hatte, so etwa die Aufhebung der strikten Preiskontrollen.
Der Burgfrieden zwischen dem Unternehmer Mendoza und dem sozialistischen Präsidenten Maduro war Mitte 2018 in einem bislang geheim gebliebenen Treffen ausgehandelt worden, wie die «New York Times» berichtete. Es war eine grosse Annäherung zwischen Revolutionsregierung und Unternehmerklasse, die sie während fast zwei Jahrzehnten bekämpft hatte. Das Land, in dem die Regierung die Wirtschaft strikt kontrollierte, ist zu einem Land geworden, in dem ein Autokrat de facto den Kapitalismus toleriert, um den Kollaps zu verhindern und seine Macht zu sichern.
Diese überraschende Wende hat Venezuelas wirtschaftliche Probleme nicht gelöst, aber es hat verschiedenen Sektoren neuen Aufschwung verliehen und neue Investoren angezogen. Beides hilft Maduro dabei, dem Druck internationaler Sanktionen zu widerstehen.

Privatisierungen, gelockertes Arbeitsrecht, verpachtetes Land
Während Venezuelas einst mächtige Staatsunternehmen vor sich hin dümpeln, gehen Dutzende Unternehmen, die unter der Regierung Maduro verstaatlicht wurden, still und leise wieder in private Hände zurück. Land, das Maduros Vorgänger Hugo Chavez im Namen der Bolivarischen Revolution enteignet hatte, wird an jeden verpachtet, der es nutzen will.
Das restriktive Arbeitsrecht, das es Unternehmen etwa verbot, Personal ohne Erlaubnis der Regierung zu entlassen, sowie die massiven Preiskontrollen, werden nicht mehr durchgesetzt. Gewerkschaften werden demontiert, byzantinische Handelsrestriktionen ersetzt durch Steuergeschenken und Exportanreizen. Die strikten Währungskontrollen sind aufgehoben. Alles hat dazu beigetragen, den Kollaps der staatlichen Produktion teilweise aufzufangen.
Noch steht der Aufschwung auf wackligen Beinen. Nach sechs Jahren andauernden Niedergangs, hat das Land fast drei Viertel seines Bruttosozialprodukts verloren, neun von zehn Einwohnerinnen haben Mühe, ihre notwendigsten Bedürfnisse zu decken. Fast fünf der 30 Millionen Einwohner sind geflohen. Und zahllose kleinere Unternehmen sind nach wie vor der Erpressung durch lokale Behörden ausgesetzt.
Auch «Polar», das vor der Wirtschaftskrise 34’000 Mitarbeitende beschäftigte, war 2017 beinahe bankrott. Auf Druck der Familie suchte Lorenzo Mendoza Kontakt zur Regierung und handelte das informelle Abkommen aus, das bis heute hält: Mendoza würde seine Kritik an der Regierung einstellen, im Gegenzug würde die Regierung das Unternehmen nicht weiter verfolgen.
Dieser Deal verschaffte dem Unternehmen zwar Luft, wirkte sich aber auch auf die ehemals beispielhaften Anstellungsbedingungen aus. Tausende Leute wurden im Einverständnis mit der Regierung entlassen. Der Schutz und die legendären Vergünstigungen, von denen Arbeiter und Familien ihr ganzes Leben profitierten – selbst die Begräbnisse wurden bezahlt – sind verschwunden. Beschwerden werden ignoriert, Unruhestifter kaltgestellt.
Unter Chavez seien die Gesetze respektiert worden, klagt ein langjähriger Mitarbeiter, jetzt könnten Unternehmer tun, was sie wollten.

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