Katholische Kirche will ihre Moral allen diktieren
In Portugal will das neu gewählte Parlament die aktive Sterbehilfe erlauben. Ausschliesslich Personen, die urteilsfähig, aber schwer krank sind, sollen ihr Recht auf ein würdevolles Sterben wahrnehmen können. Nur noch der Staatspräsident könnte gegen das vom Parlament in erster Lesung verabschiedete Gesetz ein Veto einreichen oder den Obersten Gerichtshof anrufen. Dort ginge es um die Interpretation eines Verfassungsartikels, der das menschliche Leben als unverletzlich garantiert.
Portugal wäre das erste mehrheitlich katholische Land, das Schwerkranken auf Verlangen Sterbehilfe erlaubt. Es gebe nicht nur das Recht auf ein würdevolles Leben, sondern auch ein Recht auf ein würdevolles Sterben, argumentierten die regierenden Sozialdemokraten.
Widerstand der Katholische Kirche
Obwohl das Gesetz allen Schwerkranken die Wahl lässt, ob sie von diesem Recht auf Sterbehilfe Gebrauch machen, und keine Katholikin und kein Katholik gezwungen wird, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, wehrt sich die katholische Kirche in Portugal vehement gegen das neue Gesetz. Für den Fall, dass weder der Präsident noch der Oberste Gerichtshof das Gesetz verhindern, hat die katholische Kirche zusammen mit anderen konservativen Kreisen und Vertretern der Ärzteschaft ein Volksreferendum angekündigt.
Noch vier Tage vor der Abstimmung im Parlament hatte der Bischof von Porto, D. Manuel Linda, in seiner Sonntagspredigt gegen das Gesetzesvorhaben gewettert. Das Gesetz verstosse gegen das fünfte Gebot «Du sollst nicht töten».
Anders argumentierten Mitglieder der Kommunistischen Partei. Nach Angaben der NZZ begründete Antonio Filipe, Sprecher der PK, die Ablehnung wie folgt: «Wir diskutieren, ob ein Staat, der vielen seiner Bürger ein Leben in Würde verwehrt, einen würdevollen Tod erlauben soll.»
Laut einer repräsentativen Meinungsumfrage befürwortet die Hälfte der Einwohner die aktive Sterbehilfe, 26 Prozent lehnen sie ab und 24 Prozent zeigten sich unentschlossen.
Fundamentalisten wollen ihre absoluten Wahrheiten auch allen anderen aufzwingen
Fundamentalisten unter den Christen, Muslimen oder Hindus neigen dazu, ihre vermeintlich einzig richtigen Moral- und Wertvorstellungen als allgemeingültig auch bei allen anderen durchzusetzen. Das wird überall dort ersichtlich, wo Fundamentalisten am Hebel der Macht sind. Dort beschneiden sie Freiheiten der Einzelnen auch dann, wenn das Ausüben dieser Freiheiten niemandem weh tut.
Gegen die heute bei uns etablierten Menschen- und Freiheitsrechte hatte sich die Katholische Kirche gewehrt, so lange sie konnte. Sie lehnte die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab, ächtete Homosexuelle und setzte Verhaltensregeln durch, die ihrem gestörten Verhältnis zur Sexualität entsprachen. Noch immer versucht das die Kirche dort, wo sie die Macht dazu hat. Und das Gleiche tun fundamentalistische Muslime in Ländern, in denen sie an der Macht sind.
Das Recht eines Menschen, selbst zu entscheiden, wann und wie er sterben möchte, ist Teil des Selbstbestimmungsrechts, das die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK allen Menschen in Europa garantiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR hat dies am 20. Januar 2011 ausdrücklich bestätigt.
Doch Selbstbestimmungsrechte sind Fundamentalisten verschiedener Couleur seit jeher ein Dorn im Auge. Infosperber hat dazu ein ganzes Dossier zusammengestellt:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Ich war in einem katholischen Kinderheim. Wäre ich nicht da wieder raus geholt worden, wäre ich womöglich als kränkliches Kind dort gestorben. Ich war 2 1/2 Jahre alt, es war ein Alptraum in einem Heim am Aegerisee wo wir «gezüchtigt» wurden. Das war eine Beinahe-Sterbehilfe, so wie auch die Tatsache, das der katholische Pfarrer meinen Vater, welcher überfordert war, dazu anhielt, uns Kinder zu » Züchtigen » Das war der zweite Alptraum. Die katholische Kirche hatte damals bei uns nur geholt, und nie was gegeben, obwohl wir arm waren. Das ist katholische Sterbehilfe. Die Ansicht, es sei besser geboren zu werden, auch wenn man dann gleich wieder stirbt, z.B. an Hunger, sei gut, weil man dann in den Himmel käme, ist auch eine Form von katholischer Sterbehilfe. Mehr Dummheit gibt es wohl nicht. Diese Kirche ist von Gewalt durchzogen, ferner kann Gott nicht sein.
Und was ist dann mit jener Kirche, die Waffen segnete, Kreuzzüge inszenierte, Kriege heiligte, zu Kriegen aufrief? War das auch ein «nicht töten»? Ich bin auch katholisch, aber vor der inneren Not, vor dem Leiden am Leben muss der Mensch schweigen. Kann die Kirche das endlich lernen, oder ist sie zu un-menschlich dazu?
Vor dem Schwingen der Moralkeule gegen die katholische Kirche, hätte ich mir auch noch vorstellen können, dass der Autor noch ein paar Ausführungen zur Position der Kirche mache. Argumente dafür und Argumente dagegen. Solche Dinge, scheint mir, gelingen am ehesten noch der sda.
Man kann verschiedene Meinungen haben, das ist Demokratie. Gegen eine Meinung aufgrund des Selbstbestimmungsrecht zu wettern, finde ich daneben. Konsequent würde das heissen, es ist OK wenn ich splitternackt durch die Innenstand renne, ebenfalls wenn ich mich jung und gesund umbringe etc. Keine Grenze bzw wo ist sie, wo gegen die Meinungsäusserung und Demokratie gewettert werden darf.
Ich finde man kann nicht totale «Religionsfreiheit» fordern und dann überrascht sein, wenn religiöse Gruppen ihre Moral der ganzen Gesellschaft aufzwingen wollen. Unsere Demokratie wurde unter der kirchlichen Moralhoheit gegründet, will heissen: Die Bürger dürfen über konkrete Gesetze diskutieren, aber alle akzeptieren die Werte der Kirche. Das war vor 150 Jahren nicht eine Forderung sondern ein Status Quo, Kirchenkritiker waren eine absolut extreme Minderheit und bis Anfang 20. Jahrhundert auch kaum in Parlamenten vertreten. Heute ist das nicht mehr so, Demokratie diskutiert nicht nur die Gesellschaftsordnung, sondern auch die Gesellschaftswerte. Dass damit alles verhandelbar geworden ist, und es keine einigende Konstanten gibt in der westlichen Gesellschaft, finde ich nicht nur positiv. Das heisst nicht, dass ich mir die kirchliche Moral zurückwünsche. Es heisst nur, dass ich die «westlichen Werte» für eine Illusion halte, weil es gar keine Einigkeit gibt, welche Werte im Westen eigentlich anerkannt sind. Zu sagen «es sind die Menschenrechte» und die kirchlichen Werte als «extremistische Einzelmeinungen» abzutun, wäre auch nicht sehr demokratisch. Denn obwohl heute viel weniger Leute an die Kirche glauben als früher, so ist es dennoch ein relevanter Teil unserer Gesellschaft.
Wieso wettert der Bischof von Porto gegen aktive Sterbehilfe und beruft sich
dabei auf das 5. Gebot. Warum schweigt die Kirche über die Missbräuche und dafür gibt es ja das 6. Gebot. Warum wettert der Bischof nicht dagegen. Es wurde ja alles abgestritten. Ich kann dazu nur eines sagen; «in der Kirche ist eine unheilbare Krankheit ausgebrochen, die da heisst A m n e s i e.
M.E. ist die Kirche in keiner Weise mehr glaubwürdig.
Die Katholische Kirche hat Söldner angeworben und vermittelt und dabei gut verdient. Sie hat Waffen gesegnet und nie einen Kriegsherren exkommuniziert. Sie lässt Waffenkäufe zu wenn sie dabei nicht gar mitverdienst. Wenn ich im Sinn, wie Kirche Auftragsmord versteht argumentieren würde, wären alle Soldaten Auftragsmörder. Ich bin zur Kirche ausgetreten als ich hörte, dass ein Priester, während dem Zweiten Weltkrieg einer Frau nicht erlaubte sich ihrem Mann zu verweigern, als er auf Fronturlaub kam. Dies mit dem Argument «das Land braucht Soldaten». Deshalb verstehe ich die kath. Argumentation in Sachen Sterbehilfe nicht.
Übrigens in unzähligen anderen Bereichen auch nicht. Für mich ist nicht einmal deren propagierter Gott in dessen Namen sie sich äussern glaubwürdig.
Martha Beéry-Artho