SchmutzigeWsche

Mit schmutziger Wäsche aus dem Mosambik-Skandal müssen sich etliche Gerichte befassen. © ADL

Mosambiks Klage gegen die Credit Suisse jetzt bekannt

Thomas Kesselring /  In Folge des Skandals um die geheimen Milliardenkredite an Mosambik werden Gerichte von allen Seiten mit Klagen überhäuft.

Red. Thomas Kesselring hatte auf Infosperber bereits seit 2016 über den Fall informiert. Er unterrichtete jahrelang als Professor an einer Universität in Mosambik. Im Folgenden informiert Kesselring über den Inhalt der Klage, welche Mosambik gegen die Credit Suisse eingereicht hat, sowie über andere hängigen Klagen. In einem weiteren Bericht geht er auf die umfangreiche Klageantwort der Credit Suisse ein.

Skandalkredite führten zur Zahlungsunfähigkeit von Mosambik

Die Vorgeschichte in Kürze: Mosambik hatte 2013 und 2014 bei der Credit Suisse London und der russischen Staatsbank VTB London unter absonderlichen Umständen drei gigantische Kredite für ein Küstenschutzprojekt aufgenommen. Die Kredite, deren Gesamtsumme mehr als zwei Milliarden Dollar betrug, wurden an die libanesische Schiffbaufirma Privinvest, die das Projekt ausführen sollte, ausbezahlt und dem Staat Mosambik verrechnet.
Die Kredite wurden jahrelang vor dem IWF und den Geberländern verheimlicht. Mindestens 200 Millionen Dollar wurden in Schmiergelder investiert, die gebauten Schiffe erwiesen sich als massiv überteuert und das Küstenschutzprojekt hat nie funktioniert. 2016 legten IWF und Geberländer die Budgethilfe an Mosambik auf Eis, und Mosambik deklarierte seine Zahlungsunfähigkeit.
Klagen hüben und drüben
Seit 14 Monaten häufen sich nun die Klagen und Gegenklagen zwischen den Beteiligten: der Credit Suisse, der russischen Bank VTB, der libanesischen Schiffbaufirma, drei halbstaatlichen Firmen in Mosambik und dem Staat beziehungsweise der Generalstaatsanwaltschaft von Mosambik.

Bereits Ende Februar 2019 wurde bekannt, dass Mosambik eine Klage gegen die CS eingereicht habe.1 Monatelang aber kannte niemand den genauen Inhalt dieser Klage – nicht einmal die Rechtsabteilung der Credit Suisse. Langezeit wurde gerätselt, ob es sich nicht um einen Fake handle. Im Sommer 2019 konkretisierten sich die Informationen über die Existenz dieser Klage. Offenbar hatte sich ihr Entstehungsprozess mit Korrekturen und Ergänzungen in die Länge gezogen. Die endgültige Version wurde am 19. August 2019 unterschrieben. Im Internet zugänglich wurde sie aber erst gegen Ende Dezember.3

Zum Hintergrund der Klage Mosambiks gegen die Credit Suisse

Mosambik begründet seine Klage gegen die Credit Suisse und die Firma Privinvest damit, dass die Kreditvergabe durch Schmiergelder von 200 Millionen Dollar ermöglicht wurde und die Staatsgarantie dafür in verfassungs- und gesetzwidriger Weise erfolgte. Einer der grössten Schwachpunkte auf Seiten der Credit Suisse sei der mangelhafte Compliance-Prozess gewesen. Mosambik erlitt dadurch einen schweren vielfachen Schaden:

  • Die Kredite belasten Mosambik mit einer Schuld von über 2 Milliarden Dollar,
  • Die 2016 wegen dieser Kredite erfolgte Einfrierung der Finanzhilfe durch den Weltwährungsfonds IMF und Geberländer löste eine Finanzkrise aus und führte zur Unfähigkeit Mosambiks, seine Schulden zu bedienen.
  • Das Land wurde im Ranking für Investoren herabgestuft, das Wirtschaftswachstum brach ein, die Landeswährung erlitt eine Entwertung.
  • Die Lebensbedingungen verschlechterten sich: Die schon zuvor prekäre Qualität des Gesundheits- und Bildungswesens und der Sicherheit verschlechterte sich drastisch, die Gewalt im Land nahm zu.

Der Inhalt der Klage gegen die Credit Suisse

Mosambik wirft der Credit Suisse vor,

  • Sie habe um die erhöhte Gefahr von Korruption in Mosambik gewusst und das Compliance-Verfahren nicht mit der entsprechenden Sorgfalt durchgeführt.
  • Die Bank habe sich blind gegenüber den eigenartigen Umständen der Kreditvergabe verhalten: Die Kredite wurden einer nach dem anderen in voller Höhe an Privinvest ausbezahlt (und dem Staat Mosambik in Rechnung gestellt), die Empfängerfirma und die Qualität der Leistungen seien nie überprüft worden (Seite 123 der Klageschrift).
  • Die CS habe von den Zahlungen an die Firma Privinvest ungewöhnlich hohe „Contractor Fees“ abgezogen – Gebühren zur Finanzierung von Preisabschlägen für die Gläubiger, die andernfalls schwerer zu motivieren gewesen wären (124).
  • Die CS habe gewusst oder hätte wissen müssen, dass in Mosambik eine Staatsgarantie für höhere Kredite nur gültig ist, wenn sie vom Parlament abgesegnet wird, was bei keinem der Kredite geschah (126). Diese Regelung gilt im Übrigen für viele Länder.
  • Die Bank ist für die kriminellen Handlungen des „Deal Teams“ mitverantwortlich (130).
  • Wie die Firma Privinvest habe auch die Credit Suisse mindestens bis Ende 2015 vorgespiegelt, bei der Kreditvergabe wären keine Schmiergelder im Spiel gewesen (143).
  • Die Credit Suisse habe bei der Verheimlichung des Proindicus- und MAM-Kredits mitgewirkt.
  • Nicht einmal während der Restrukturierung und Umstrukturierung des Ematum-Kredits in Euro-Bonds (März 2016) habe die CS die Existenz der beiden weiteren Kredite offen gelegt und den Gläubigern klaren Wein eingeschenkt. Eine Offenlegung hätte sich negativ auf die Bonität Mosambiks und auf die Bedingungen der Ematum-Umwandlung ausgewirkt (144).
  • Während der Ematum-Restrukturierung habe die Bank zudem toleriert, dass A.Pearse und D. Subeva, die schon bei der Vergabe des Proindicus- und Ematum-Kredits bis August 2013 – damals noch als CS-Investmentbanker – federführend waren, bevor sie die Bank verliessen, bei der Umstrukturierung des Ematum-Kredits 2016 erneut eine entscheidende Rolle spielten – diesmal im Namen der Firma Palomar, die zu Iskandar Safas Privinvest-Imperium gehörte (144).

Mosambiks Forderungen an die Credit Suisse:

  1. Mosambik sei die Rückzahlung des Proindicus-Kredits von 622 Mio Dollar zu erlassen [118].
    Kommentar: Millionen an diesen Kredit sind allerdings von der russischen Bank VTB ausgerichtet worden. Obwohl die Anklage festhält, dass auch die Vergabe des Ematum-Kredits unter inakzeptablen Umständen erfolgte (insbesondere war die fehlende Staatsgarantie auch für den Ematum-Kredit verfassungswidrig), verlangt Mosambik eigenartigerweise vom Gericht nicht, dass auch der Ematum-Kredit für null und nichtig erklärt werde.
  2. Gebühren, Zinszahlungen und Schuldentilgungen, die Mosambik bereits an die CS bezahlt habe, seien zurückzuerstatten.

Mosambiks Klageschrift ist 34 Seiten lang und betrifft nicht nur die CS, aber die Anklagepunkte gegen die CS nehmen in der Schrift mit Abstand den grössten Raum ein.
Forderung an alle übrigen Angeklagten:

  1. Das Gericht solle die Widerrechtlichkeit der Schmiergelder feststellen,
  2. Es solle für jeden Angeklagten die Verwendung der erhaltenen Gelder soweit möglich rekonstruieren und
  3. die Rückführung der entsprechenden Summen nach Mosambik verfügen.

Am 21. Januar 2020 reagierte die CS zuhanden des Londoner Gerichts auf die Mosambikanische Klageschrift mit 114 Seiten. Punkt für Punkt antwortet sie auf die Erklärungen in der mosambikanischen Anklage.

  • Darüber wird Infosperber in den nächsten Tagen berichten.

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Klagen und Gegenklagen in der Affäre der geheimen Kredite an Mosambik

Juni/Juli 2017
Der Audit-Bericht der Firma Kroll gibt erste gesicherte Hinweise auf die Skandalgeschichte.
19. Dezember 2018
Ein US-Gericht (Eastern District of New York, Brooklyn) klagt gegen:

  • drei ehemalige Investmentbanker der CS London (alle drei Banker sind inzwischen geständig, Schmiergelder erhalten zu haben),
  • zwei mosambikanische Funktionäre und den ehemaligen mosambikanischen Finanzminister Manuel Chang (dieser wurde am 29. Dezember 2018 in Johannesburg festgenommen; es ist noch immer nicht klar, ob er nach Mosambik oder in die USA ausgeliefert wird); die beiden anderen Angeklagten sind im März 19 auch von Mosambik angeklagt, aber nicht in die USA ausgeliefert worden.
  • zwei hohe Funktionäre der libanesischen Schiffbaufirma Privinvest. Der Verkaufs-Chef, Jean Boustani, wurde am 2.Januar 2019 in New York festgenommen. Nach sechs Wochen Gerichtsverhandlung (Okt.-Nov. 19) wurde die Anklage fallen gelassen, unter anderem weil sich das US-Gericht für seinen Fall für nicht zuständig erklärte. Der Finanzchef, Najib Allam, befindet sich noch auf freiem Fuss.

27. Februar 19
Die Generalstaatsanwaltschaft von Mosambik reicht beim Handelsgericht am Londoner High Court Klage ein gegen:

  • die Credit Suisse International + Credit Suisse AG,
  • drei ehemalige Banker der CS London (das „Deal Team“),
  • die Firma Privinvest, Abu Dhabi Zweig + Firma Abu Dhabi Mar,
  • den Chef und zwei hohe Funktionäre der Privinvest-Gruppe,
  • Firma Logistics International SAL (Offshore) + Logistics International Investments (die Firma hat Zubehör zu den Schiffen an Mosambik geliefert),
  • Die Firma Palomar, die 2013-2016 in Zürich ansässig war, ihre Leiter und Mitarbeiter,
  • Drei halbprivate mosambikanische Firmen,
  • Acht Mosambikaner, darunter der frühere Präsident und sein Sohn. Diese Anklage wird in einer überarbeiteten („amended“) Version am 19. August 2019 unterschrieben. Der Inhalt wird erst im Dezember 2019 bekannt.

22. März 19
Die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft klagt 20 Mosambikaner an und nimmt mehrere fest – darunter der älteste Sohn und die Sekretärin des vormaligen Präsidenten Guebuza. Vier der Haupttäter fehlen auf der Liste der Angeklagten (insbesondere der ehemalige Finanzminister Manuel Chang, der seit dem 29.12.18 in Südafrika festgehalten wird).
Mitte April 19
Die Schiffbaufirma Privinvest reicht bei den Schiedsgerichten Genf und Paris Klagen gegen den Staat Mosambik und die drei halbprivaten, für die Projektdurchführung verantwortlichen Firmen ein. Privinvest verlangt von Mosambik Entschädigungen von 200 Millionen (Schiedsgericht Genf) und 600 Millionen (Schiedsgericht Paris).3
26. April 19
PublicEye erstattet bei der Bundesanwaltschaft in Bern Stafanzeige gegen die CS. PublicEye verlangt, dass die Verantwortung der Schweizer Muttergesellschaft rechtlich beurteilt wird.
31. Juli 19
Mosambik reicht beim High Court’s Commercial Court in London Klage ein gegen Iskandar Safa, den Haupteigner und Chef der Schiffbaufirma Privinvest.
23.Dezember 19
Die russische Bank VTB klagt gegen die halbprivate Firma «Mozambique Asset Management» (MAM) und den mosambikanischen Staat und verlangt die Rückzahlung des MAM-Kredits von 535 Millionen Dollar plus Zinsen und Gebühren.
21. Januar 20
Die CS reagiert auf Mosambiks Anklage und fordert die Rückzahlung des Proindicus-Kredits samt Zinsen und Gebühren.
Die Schweizerische Finanzmarktaufsicht (FINMA) müsste längst von sich aus aktiv geworden sein. Darüber ist bislang aber nichts bekannt. Gemäss Finanzmarktaufsichtsgesetz (Art. 22 bis, Alinea c) müsste sie die Öffentlichkeit über das Verfahren informieren, da wegen der Grössenordnung des Skandals die „Wahrung des Ansehens des Finanzplatzes Schweiz“ auf dem Spiel steht.
Die Summe der Anwalts- und Gerichtskosten düfte bald einmal eine dreistellige Millionenziffer erreichen. Einmal mehr wird die Rechnung hier ohne den Wirt – die mosambikanische Bevölkerung – gemacht.

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Lesen Sie das ganze DOSSIER:
Die Rolle der Credit Suisse im Mosambik-Skandal

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FUSSNOTEN
1Vgl. https://www.france24.com/en/20190228-mozambique-sues-credit-suisse-debt-scandal und https://www.finews.com/news/english-news/35502-credit-suisse-mozambique-launches-legal-action
2https://drive.google.com/file/d/1uqCAfvE9-58N28U1zofNHDKTJ5vFUPoq/view?ts=5dd90d0a . Dreistellige Ziffern in Klammern beziehen sich auf die Paragraphen dieser Klageschrift.
3Diese 800 Millionen seien bloss eine Schätzung, teilte Privinvest-Anwalt Pinsolle Anfang September 2019 der Agentur Bloomberg mit: Die Höhe der definitiven Forderung stehe noch nicht fest. Vgl. https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-09-02/mozambique-wants-credit-suisse-privinvest-to-help-pay-its-bonds.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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