Spital: Eingeliefert – ausgeliefert
Wer ein Spital betritt, setzt sich einem erheblichen Risiko aus: Jeder zehnte Patient und jede zehnte Patientin erleidet wegen Behandlungsfehlern einen gesundheitlichen Schaden. Das sind in der Schweiz jedes Jahr 120‘000 Frauen und Männer. 60’000 davon wären vermeidbar. Also jeder zweite gesundheitliche Schaden müsste nicht sein. Solche vermeidbaren Behandlungsfehler führen bei etwa 2500 Patientinnen und Patienten sogar zum Tod. Diese vorsichtig geschätzten Zahlen stammen vom Bundesamt für Gesundheit. Sie beruhen auf seriösen Schätzungen, weil «unerwünschte Ereignisse» lückenhaft erfasst, gemeldet und schon gar nicht transparent veröffentlicht werden.
Schuld an dieser hohen Opferzahl sind hauptsächlich
- unzweckmässige Abgabe von Medikamenten;
- Infektionen, die man im Spital aufliest;
- vermeidbares Wundliegen;
- Behandlungs- und Operationsfehler;
- falsche oder verspätete Diagnosen;
- Fehler in der Pflege.
Lückenhaftes Erfassen und Auswerten der «unerwünschten Ereignisse»
Das Risiko, in Spitälern wegen eines vermeidbaren Fehlers zu sterben, ist ungleich grösser als das Risiko, sein Leben bei einem Flugzeugabsturz zu verlieren. Trotzdem werden nach dem Absturz eines Flugzeugs mögliche Fehlerquellen akribisch erfasst und untersucht, um weitere Abstürze möglichst zu vermeiden. Aus Fehlern wird das Maximum gelernt. Ganz anders in Spitälern: Interne Fehlermeldungen sind meistens freiwillig. Wo sie obligatorisch sind, werden unterlassene Meldungen nicht sanktioniert. Eine zentrale, staatlich kontrollierte Erfassung und Auswertung der Fehlermeldungen wie beim Flugverkehr gibt es nicht. Unter dem Deckmantel des Datenschutzes überwiegen Verschwiegenheit und Rücksichtnahmen.
Manche führen dies auf folgenden Unterschied zwischen Spitalärzten und Piloten zurück: Bei einem für die Passagiere tödlichen Pilotenfehler stürzt in der Regel auch der Pilot in den Tod. Im Gegensatz dazu bleiben Chirurgen und Spitalärzte gesund am Leben, wenn Patientinnen oder Patienten wegen vermeidbarer Fehler sterben oder gesundheitlichen Schaden nehmen.
Interessenkonflikt bei Kantonen – kein Mut beim Bund
Die Kantone stehen in einem Interessenkonflikt. Als Besitzer vieler Spitäler sind sie nicht daran interessiert, dass eine allenfalls unterdurchschnittliche Behandlungsqualität öffentlich bekannt wird
Der Bund erweist sich seit über fünfundzwanzig Jahren als Versager. Weitreichende Daten über Behandlungsergebnisse könnten im Internet längst zugänglich sein. Denn das Krankenversicherungsgesetz KVG übertrug dem Bundesrat ab 1996 die Pflicht, «systematische wissenschaftliche Kontrollen zur Sicherung der Qualität» durchzuführen. Um dieser Pflicht nachzukommen, hätte der Bundesrat von den Spitälern einheitlich erfasste Daten über die Behandlungsergebnisse einfordern müssen.
Doch trotz rund 2’500 Menschen, die jedes Jahr in einem Akutspital wegen eines – vermeidbaren – Fehlers sterben, und trotz mindestens 60’000 Behandelten, die jedes Jahr einen – vermeidbaren – gesundheitlichen Schaden erleiden, hatte der Bundesrat nicht den Mut, sich gegen die Lobbys der Spitäler und Ärzte durchzusetzen und vergleichbare Daten zu verlangen. Erst in den letzten Jahren kam es zu bescheidenen, unbefriedigenden Ansätzen.
Routine führt zu weniger Fehlern
Ein Beispiel: Internationale Studien haben, nicht ganz überraschend, längst ergeben, dass es zu weniger vermeidbaren Fehlern kommt, wenn Chirurgen und ihre Teams eine heikle Operation routinemässig und nicht nur wenige Male im Jahr durchführen. Längst hätte der Bund Mindestfallzahlen pro Spital und pro Chirurg den Kantonen schweizweit empfehlen können. Er tat es nicht.
Der Bund schafft auch keine Transparenz für die Patientinnen und Patienten. Denn bis heute veröffentlichten weder das Bundesamt für Gesundheit noch das Bundesamt für Statistik die Fallzahlen der einzelnen Chirurgen. Eine solche Veröffentlichung ist nach fünfundzwanzig Jahren erst geplant. Und selbst bei den publizierten Operationshäufigkeiten pro Spital werden ganze Spitalgruppen zusammengefasst und unseriös mit einzelnen Spitälern verglichen.
Machtlose Krankenkassen
Die Krankenkassen ihrerseits sind machtlos: Anders als in Holland verfügen sie über keine Vertragsfreiheit. In den Niederlanden dürfen Kassen beispielsweise Operationen in einem bestimmten Spital von der Versicherungsdeckung ausschliessen, wenn das Spital diese zu selten durchführt.
Grösste Fehlerquote mit Medikamenten
Spitäler liefern – lückenhaft erhobene – Fehlermeldungen anonymisiert an die Stiftung für Patientensicherheit, damit diese Verbesserungsvorschläge erarbeitet. In einem Zwischenbericht kam die Stiftung zum Ergebnis, dass fehlerhafte Verwendungen von Medikamenten 30 bis 50 Prozent aller unerwünschten «Ereignisse» verursachen, die einen gesundheitlichen Schaden zur Folge haben. Im Vergleich dazu kommen andere Behandlungsfehler wie venöse Thrombosen, Infektionen beim Einsatz eines Katheters, Stürze oder Wundliegen seltener vor.
Ein Hauptgrund für den fehlerhaften Medikamenteneinsatz sind die vielen Packungen, die ähnlich aussehen und mit phantasievollen Markennamen gekennzeichnet sind. Patienten- und Konsumentenorganisationen wie die SKS fordern schon lange,
- dass auf allen Medikamentenpackungen mit der grössten Schrift die enthaltenen Wirkstoffe stehen statt Markennamen, und
- dass Medikamente für die gleichen therapeutischen Anwendungen die gleiche Farbe haben müssen.
Doch davon will die Pharmaindustrie nichts wissen. Das Propagieren ihrer jeweiligen Markennamen ist ihr wichtiger als die Folgen von Medikamentenverwechslungen für Patientinnen und Patienten. Die Behörden fühlen sich gegenüber den Pharmakonzernen offensichtlich so machtlos, dass sie unverwechselbare Kennzeichnungen der Medikamentenpackungen nicht einmal vorschlagen – auch auf europäischer Ebene nicht.
Im IT-Zeitalter immer noch keine elektronische, einheitliche Datenerfassung
Eine weitere Massnahme wäre das obligatorische Erfassen der Abgabe von Medikamenten in einem elektronischen Patientendatendossier, das sofort Alarm schlägt, wenn ein neu eingegebenes Medikament mit einem anderen, bereits abgegebenen Medikament möglicherweise nicht kompatibel ist oder mit der eingegebenen Diagnose nichts zu tun hat.
Doch von einem einsatzfähigen elektronischen Patientendossier ist die Schweiz noch weiter entfernt als Deutschland und um Meilen entfernter als etliche skandinavischen und baltischen Länder. Solche Dossiers müssen schweizweit kompatibel sein, weshalb der Bund schon längst die Federführung hätte übernehmen müssen.
Doch das Parlament in Bern kümmert sich viel zu wenig um die vielen Patientinnen und Patienten, die wegen vermeidbarer Fehler zu Schaden kommen: Die Fehler führen zu längeren Spitalaufenthalten sowie ungeplanten Nachoperationen und Behandlungen.
Zudem erhöhen die vermeidbaren Fehler die Kosten und Prämien.
Opfer warten in der Regel vergeblich auf eine Entschädigung
Die Parlamente in der Schweiz und in Deutschland lassen die Patientinnen und Patienten seit langem auch in anderer Hinsicht im Stich. Denn anders als etwa in Schweden oder in Österreich haften Spitäler und Ärzte in der Schweiz und in Deutschland für Fehler höchstens dann, falls mindestens eine Grobfahrlässigkeit bewiesen ist. Den Beweis dafür müssten die Geschädigten erbringen, obwohl sie keinen Zugang zu den internen Abläufen im Spital haben. Deshalb bleiben Betroffene in den allermeisten Fällen ohne Entschädigung und Genugtuung, selbst wenn sie an Folgen von vermeidbaren Fehlern lebenslang leiden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Mit meiner Frau wurde in einem grossen Zürcher Spital ein Experiment durchgeführt, ohne dass sie zuvor darüber informiert worden wäre oder zugestimmt hätte! Ihr wurden von einem hochtoxischen Krebsmedikament doppelte Dosen verabreicht, als evidenz- und studienbasiert empfohlen und verantwortbar gewesen wäre! Ein dreiviertel Jahr nach diesem Experiment ist sie an den Folgen eines Leberversagens gestorben! Das Spital bestreitet sämtliche Vorwürfe, kann aber eine rechtsgenügende Aufklärung nicht beweisen! Swissmedic will die Falldokumentation nicht einholen und bittet mich, mich «direkt mit den involvierten Stellen in Verbindung zu setzen»! Ich kann Herrn Gasche nur beipflichten: Geschädigte haben es wirklich schwierig! Wem ähnliches passiert ist, darf sich gerne bei mir melden! more33@arcor.de
Wo gearbeitet wird, geschehen Fehler. Ich war in meinem langen Leben bisher dreimal im Spital, zweimal mit professionellem, lebensrettendem Resultat, einmal musste ich mich vor Fehlbehandlung selbst retten.
Die Statistik über Fehlleistungen genügt nicht, umfassendes Qualitätsmanagement auf allen Ebenen von Spital, Krankenkasse, Arzt, Pflegepersonal und Patient ist erforderlich.
Lesen Sie das Buch von Dr. med. Robert S. Mendelsohn » Trau keinem Doktor – Bekenntnisse eines medizinischen Ketzers «.
Es ist schon seit gut 25 Jahren auf dem Markt.
Meine Folgerung daraus: Begebe mich nur im äussersten Notfall in die Hände eines Arztes.
Dadurch komme ich auch nicht in die Gefahr – was in meinem Alter öfters üblich – etwa alle drei bis sechs Monate einen Arzttermin zu erhalten. Das schützt vor vielem und senkt die Gesundheitskosten massiv.
Daneben gibt es so viele Hausmittel, welche sich über Jahrzehnte bewährt haben und zu einem «guten» Gesundheitszustand führen.
Meine Frau litt 1984 an starken Rückenschmerzen. Die Hausärztin nahm ihre Beschwerden auf die leichte Schulter und weigerte sich lange , sie an einen Neurologen weiterzuleiten. Als dann nach mehreren Monaten die Schmerzen zu Lähmungserscheinungen im linken Bein führten gelangte sie auch noch an den falschen Arzt, der ihr sagte sie müsse sofort operiert werden. Innert weniger Tage organisierte er ein Spitalbett und einen Neurochirurgen der zwar einen bekannten Namen hatte, aber auch kurz zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, was offenbar seiner Leistungsfähigkeit nicht sehr zuträglich war.
Nach erfolgter Operation waren die Schmerzen immer noch dieselben. Der Herr Professor sagte zu mir im Krankenzimmer : » Der Nerv war unglaublich eingeklemmt, ich musste derart reissen um ihn herauszukriegen «.
Leider sind nun die zulässigen 1000 Zeichen erschöpft. Deshalb in Kürze : Meine Frau leidet noch heute Tag und Nacht unter ungeheuren Schmerzen. Verantwortlich dafür ist NIEMAND.
Mir ist ähnliches passiert, wie Ihrer Frau. Mir hatte der behandelnde Arzt nach der missratenen OP vorgeworfen, dass ich eine IV-Rente erschleichen will. Damals hat nicht viel gefehlt, dass ich dem Arzt ein Ohrfeige verpasst hätte.
Worüber beklagen sie sich eigentlich? Genau dafür haben wir doch das neue Transplantationsgesetz angenommen. Das Ableben eilt jetzt dann doch so, dass man für solche Probleme doch gar keine Zeit mehr hat. Sie haben sich vorgenommen, das Rauchen aufzugeben? Vergessen sie’s! Wozu? Rauchen Sie lieber eine gute Zigarre und gönnen Sie sich dazu einen anständigen Whisky! Wenn sie keine Angehörigen mehr haben, die in derselben Stadt wohnen und ihnen wohlgesonnen sind, sollten sie stattdessen lieber das Velofahren sein lassen. Rauchen sie, trinken sie, leben sie ruhig lasterhaft. Womöglich leben sie in Zukunft länger und gesünder, wenn auf dem Arztprotokoll eine Fettleberdiagnose steht, als wenn sie ihre Organe für jemand anderes schonen. Auf jeden Fall haben sie mehr davon. Prost!
> In den Niederlanden dürfen Kassen beispielsweise Operationen in einem bestimmten Spital von der Versicherungsdeckung ausschliessen, wenn das Spital diese zu selten durchführt.
Grundsätzlich eine gute Idee, aber es gibt eine Falle für die Patientin: Was wenn die Patientin im guten Glauben zum Spital geht, und die Krankenkasse bezahlt dann die Operation nicht?
In der Schweiz habe ich erlebt, dass ein Spital eine nicht kassenpflichtige Variante eines Medikaments verschrieben hat. Im guten Glauben haben wir dieses Medikament in der Apotheke geholt und etwa einen Monat später kam die Klatsche: Veweigerung der Kostenübernahme. Wir blieben auf den Kosten sitzen. Nach aufwendigen Abklärungen stellte sich heraus, dass diese Variante vor einigen Jahren von der Spezialitätenliste des BAG entfernt wurde.
Wenn solche Fehler passieren, müsste die eigentlich verschreibende Institution den Schaden übernehmen.
Ärzte und Spitäler haben die Pflicht, ihre Patientinnen und Patienten darüber aufzuklären, wenn sie Medikamente verschreiben oder Behandlungen durchführen, die von den Kassen nicht bezahlt werden. Ohne diese Aufklärung müsste der Arzt oder das Spital die Rechnung zahlen. Falls das Spital oder der Arzt dann behauptet, die Aufklärung sei erfolgt, wird der Beweis schwierig sein.
Es ging um einen Bagatellbetrag. Und ja, es war hauptsächlich ein Fehler des Spitals, aber auch die Apotheke hat den Fehler nicht gemerkt. Ich forderte das Spital dazu auf, Stellung zu nehmen, aber es kam keine Antwort. Von der Apotheke haben wir eine Entschuldigung. Ich musste entscheiden, Prinzipien zu reiten oder fünfe grad sein zu lassen. Ich beschloss, es mit dem Schuss vor dem Bug an das Spital sein zu lassen.
Jetzt stellen Sie sich eine Patientin vor, die schwer erkrankt ist, und nicht die Kraft hat, die Kosten für ein falsch verschriebenes teures Medikament zu erkämpfen.
Prozentual stimmt das mit meiner Erfahrung, auch im Bekanntenkreis. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass Arztpersonal teilweise Fehler nicht zugeben und sich gegenseitig decken, was eine adäquate Nachbehandlung schwierig macht.
Andersrum, mit Pflegepersonal machte ich stets beste Erfahrungen, auch wenn die am Anschlag waren. Mag vielleicht daran liegen, daß ich einen Spitalaufenthalt gerne kurz und angenehm habe, meine Bedürfnisse kommuniziere und stets Freundlichkeit und Dankbarkeit zeige .
Der Artikel ist nicht vollständig. Zwar wird die Problematik der mangelhaften Sicherheit in der Gesundheitsversorgung eindrücklich aufgezeigt und die Verantwortlichen teilweise benannt. Nicht in die Pflicht nimmt der Artikel Fachpersonen oder verantwortliche Personen in Spitälern bsp. Spitaldirektoren, welche für die Sicherheit und die Qualität der Gesundheitsversorgung verantwortlich sind. Denn letztlich sind es «nur» die Fachpersonen, welche die Qualität und Sicherheit beurteilen können.
Eine gesundheitspolitische Tragödie wird auch vom österreichischen Arzt Bernd Hontschik in «Heile und Herrsche! Westendverlag ISBN 978-3-86489-358-2 beschrieben.
Sein Ansatz: Wenn man das Gesundheitswesen verstehen, muss man der Spur des Geldes folgen. Ergänzend dazu das Buch von Thomas Strohschneider «Krankenhaus im Ausverkauf» im gleichen Verlag. – Private Gewinne auf Kosten unserer Gesundheit.
Deutschland ist der Tummelplatz der internationalen Investoren.