UNO soll globale Bürgerinitiativen auf die Tagesordnung setzen
Genf/New York: Über hundert zivilgesellschaftliche Gruppen, zusammengeschlossen in einer neuen globalen Kampagne «Wir die Völker», haben die Vereinten Nationen (UNO) gestern Donnerstag aufgefordert, eine Weltbürgerinitiative einzuführen. Das Instrument soll es «der Weltbevölkerung ermöglichen», unabhängig von den Regierungen und DiplomatInnen der 193 UN-Mitgliedsstaaten «Vorschläge auf die Tagesordnung der UN-Generalversammlung zu setzen», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung, die Mitgliedsgruppen der Kampagne bei einer Versammlung vor der New Yorker UN-Zentrale jetzt veröffentlichten. (Für die Schweizer Leserinnen und Leser: «Auf die Tagesordnung setzen» bedeutet in der deutschsprachigen Schweiz «Auf die Traktandenliste der Generalversammlung setzen».)
Initiatoren der Kampagne zur Einführung einer WeltbürgerInnen-Initiative sind die Nichtregierungsorganisationen «Demokratie ohne Grenzen» / Democracy Without Borders, «Democracy International» und das globale zivilgesellschaftliche Bündnis CIVICUS «Wir die Völker» – mit diesen drei Worten beginnt die Präambel der UNO-Charta von 1945. Die Kampagne zielt darauf ab, «die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger näher an die UNO heranzuführen», denn «die Legitimität, Relevanz und Fähigkeit der UNO, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen», könne «verbessert werden, indem sie offener und zugänglicher für die Bevölkerung wird».
Eine von den Initiatoren vorgestellte rechtliche Studie kommt zu dem Schluss, dass die Einführung einer WeltbürgerInneninitiative nach den Regeln der Vereinten Nationen «machbar» ist und von der UN-Generalversammlung beschlossen werden könnte. Die Studie schlägt vor, dass Initiativen, die von mehr als fünf Millionen Bürgerinnen und Bürgern aus einer bestimmten Anzahl von Staaten in allen Weltregionen unterstützt werden, «automatisch auf die Tagesordnung der Generalversammlung oder des Sicherheitsrates gesetzt werden sollten». Diese müssten dann «eine Resolution als Reaktion auf den Vorschlag entwerfen und dann über diese Resolution abstimmen».
«Ähnliche partizipative Instrumente gibt es bereits in vielen Städten, Regionen und Ländern auf der ganzen Welt», unterstrich Caroline Vernaillen, die bei Democracy International für globale Gemeinschaftsbildung verantwortlich ist. Ein «wichtiges Beispiel und Vorbild» sei die in der EU-Verfassung vorgesehene «Europäische Bürgerinitiative». Dieses Instrument ermöglicht es UnionsbürgerInnen, die für ihr Anliegen mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben Mitgliedstaaten der EU gesammelt haben, der Europäischen Kommission Rechtsvorschriften vorzuschlagen.
Andreas Bummel, Geschäftsführer der in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiven Nichtregierungsorganisation «Demokratie ohne Grenzen» sagte: «Das 75-jährige Bestehen der UNO im Jahr 2020 ist für die internationale Gemeinschaft eine passende Gelegenheit, eine Weltbürgerinitiative zu etablieren, um so das demokratische Defizit der Global Governance zu mindern».
Der globale Programmleiter von CIVICUS, Mandeep Tiwana, betonte: «Es ist an der Zeit, den Bürgerinnen und Bürgern bei der UNO eine direkte Stimme zu geben, um das Versprechen der UN-Charta zu erfüllen, die mit den Worten ‹Wir, die Völker der Vereinten Nationen› beginnt.»
Die Kampagne sammelt weitere Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen und will ihren Vorschlag Anfang nächsten Jahres offiziell den Vereinten Nationen vorstellen.
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Siehe dazu
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Zusatz-Information für Interessierte in der Schweiz:
Wie im Text oben erwähnt hat auch eine Schweizerische Vereinigung Anteil an der Kampagne: «Demokratie ohne Grenzen Schweiz» bzw. «Democracy Without Borders Switzerland». Der im Text erwähnte Andreas Bummel ist Mitglied des Vorstandes, Christian Müller (Mitglied der Redaktionsleitung Infosperber) war die letzten zehn Jahre Präsident der Vereinigung und hat an der letzten Generalversammlung das Präsidium an den eben erfolgreich wiedergewählten Zürcher Ständerat Daniel Jositsch übergeben können. Siehe dazu die Website der internationalen Vereinigung «DemocracyWithoutBorders» und darauf dessen Führungsteam und die Texte in Deutsch und in Französisch. Anmeldungen an die Vereinigung können an info@democracywithoutborders.ch gemeldet werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Welch ein Unsinn! Da sollen 5 Millionen Menschen den Willen von 8 Milliarden Menschen repräsentieren. Das kann nur ein weiteres Mittel der Globalisierer sein, um die Nationalstaaten abzuschaffen und einer von ihnen kontrollierten Weltregierung den Weg zu bereiten. Statt Demokratie eine zentralistische George Orwell «Big Brother"-Welt.
@Pedro Reiser: Frage: Warum soll ein politisches Instrument, die Volksinitiative, die in der Schweiz bestens funktioniert und mit ein Grund ist, warum das Schweizer System gegenüber dem System der EU wesentliche Vorteile hat, global nicht funktionieren? Die erwähnten 5 Millionen Menschen haben ja kein Entscheidungsrecht, sie haben nur das Recht, von der UNO-Generalversammlung zu verlangen, dass über ihren Vorschlag diskutiert und ggf. abgestimmt wird. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Selbstverständlich muss auch das Abstimmungsverfahren in der Generalversammlung reformiert werden, da dort zur Zeit San Marino mit 35’000 Einwohnern gleich viele Stimmen hat wie China mit 1,4 Milliarden Einwohnern – nämlich genau eine. Aber irgend jemand muss ja damit beginnen, auch eine Demokratisierung der UNO zu verlangen. Mit freundlichem Gruss, Christian Müller
Wir, die Mitglieder von https://www.friedenskraft.ch/verein oder https://www.facebook.com/friedenskraft/,
möchten den 193 UNO-Mitglied-Staaten folgendes Traktandum einreichen:
Ab sofort absolut KEIN Geld mehr für Aufrüstung und Kriege – es reicht!
So dumm wären nicht einmal die Bewohner des Mars.
Das gilt auch für die «neutralen» Helvetier!
Das eingesparte Geld muss zwingend in die gemeinsamen Anstrengungen für unser gemeinsames Überleben auf unserem Planeten Erde eingesetzt werden.
Mit friedlichen Grüssen.
@Christian Müller: Mindestens seit Paracelsus wissen wir, dass Quantität die Qualität verändert. Was in kleinen Mengen Medizin ist, wird in grösseren Mengen zu Gift. So verhält es sich auch mit der Demokratie. Die direkte Demokratie, die in der kleinen Schweiz innerhalb klaren Grenzen gut funktioniert, wie Sie richtig schreiben, kann in grösseren, grenzenlosen Räumen zu einem Nährboden für schamlose Manipulationen und neuen Weltherrschaftsstrukturen führen unter dem Deckmantel von «Demokratie». Schon nur die EU-Dimension führt uns vor Augen, dass dort nicht einmal die repräsentative Demokratie funktioniert. Das EU-Parlament hat nicht das Recht, eigene Gesetzesinitiativen zu formulieren. Wie soll dann eine echte EU-Volksinitiative zustande kommen? Einzig globale Grosskonzerne und die Hochfinanz, die schon jetzt Brüssel mit über 20’000 Lobbyisten dominieren, wären in der Lage solche EU-weiten Abstimmungskampagnen, wahrscheinlich verdeckt, zu finanzieren. Wollen Sie das, Herr Müller?
Mit freundlichen Grüssen, Pedro Reiser
@Steinmann: Sie machen es sich allzu einfach. Sie reichen der UNO ein Traktandum ein: «Ab sofort absolut KEIN Geld mehr für Aufrüstung und Kriege.» Und dann- siehe da – wird es keine Aufrüstung und Kriege mehr geben. Wieso dachte noch niemand daran, es so zu machen? Seit wann leben Sie auf dieser Welt?
@Pedro Reiser: Ok, ich nehme zur Kenntnis, dass Demokratie nur kleinräumig funktioniert. Künftig werden also Staatsmänner wie Trump, Bolsonaro oder Xi Jinping die Welt regieren und im Hintergrund globale Konzerne wie Google, Amazon oder Exxon bzw. deren Bosse die Welt steuern. Und sich gegen diese Oligarchie und Plutokratie wehren, ist sinnlos. Dann bin ich froh, dass ich schon ein älterer Herr bin und es nicht mehr lange auf diesem Globus aushalten muss. Danke für Ihre klare Prognose. Mit freundlichem Gruss, Christian Müller
@Pedro Reiser: wer will findet Lösungen, wer nicht will findet Ausreden.
Haben Sie einen besseren Vorschlag, die UNO weiter zu entwickeln?
Natürlich braucht es noch weitere Schritte, aber irgendwo muss man anfangen.
@Christian Müller: Mit globalen Bürgerinitiativen werden keine Trumps, Bolsonaros oder Xi Jinpings verhindert. Nur funktionierende direkt-demokratische Nationalstaaten können das. Darauf sollten sich die Anstrengungen der demokratischen Bürger konzentrieren, so wie es die Gilets Jaunes in F mit ihrer RIC (Réferendum d’Initiative Citoyenne) machen. Es braucht mühsame, harte Basisarbeit, nicht schöne akademische Sprüche in den UNO-Wandelhallen. Schauen Sie, was in Frankreich, Chile, Ostdeutschland, Hong-Kong geschieht. Die Zukunft kommt von unten, nicht von oben.
@Rüttimann: Es geht um die Zukunft der Menschheit, nicht um die Zukunft der UNO, die kläglich versagt hat. Lesen Sie bitte meinen an Herrn Müller gerichteten letzten Kommentar auf dieser Seite.
@Pedro Reiser: Genau, alles Gute kommt von unten. Muss von unten kommen! Und wenn es ohne Gewaltanwendung gehen soll, dann ist die Volksinitiative der richtige Weg.
Die französische Revolution von 1789, ein lokales Ereignis, hat die Welt tiefer und nachhaltiger verändert als alle UNO-Resolutionen, die inzwischen im Abfallkübel der Geschichte gelandet sind.
@Christian Müller: Ja, die Volksinitiative auf lokaler und nationaler Ebene ist der richtige Weg. Volksinitiativen auf globaler Ebene sind eine Illusion.
@Müller, Steinmann, Rüttimann: Wenn Sie sich wirklich für die direkte Demokratie einsetzen wollen, sollten Sie jetzt das EU-Rahmenabkommen bekämpfen, das uns mit Sanktionen droht, falls wir in wichtigen Wirtschafts- und Sozialpolitischen Fragen anders abstimmen als es die Brüsseler Kommission will. Hier geht es nicht um Illusionen, sondern um einen real-politischen Angriff der Wirtschaftseliten auf die einzige direkte Demokratie in der Welt.
@ Pedro Reiser: Nehmen Sie das Leben nicht allzu ernst.
Unser Vorschlag war nicht ganz ernst gemeint.
Vergleichbar dem Satz «Stellt Euch vor, es wäre Krieg und keiner geht hin.» sollte aber die Utopie einer Welt ohne Aufrüstung und Kriege nicht als Hirngespinst, sondern als reale Utopie eines friedlichen Zusammenlebens auf der Basis von Kooperation nach wie vor angestrebt werden.
Oder sind Sie der Meinung, dass es lebenswertes menschliches Leben nach einem «modernen» grossen Krieg noch geben kann?
Wir würden UNO-Bürgerinitiativen begrüssen und wir unterstützen auch eine real bereits existierende derartige Initiative, den JAI JAGAT 2020.
Ende September 2020 ist ein globales Forum von einer Woche bei der UNO in Genf geplant.
https://www.jaijagat2020.org/
@Steinmann: Dass über 90% der Menschen keinen Krieg wollen, steht doch nicht zur Diskussion. Die Frage ist, wie Krieg vermieden werden kann. Und da nützen wohlmeinende Erklärungen, Foren und UNO-Bürgerinitiativen wenig bis gar nichts. Solange die Machtgruppen, die an Aufrüstung und Kriegen Milliarden verdienen, Organisationen wie UNO, NATO und EU dominieren, dienen solche gut gemeinte Schildbürger Initiativen und Konferenzen nur als Ablenkungsmanöver. Wenn Sie hier etwas ändern wollen, müssen Sie bereit sein, gegen grosse Machtgruppen zu kämpfen. Da können Sie nur über die Stärkung der demokratischen Basis etwas erreichen. Statt Ihre Zeit und Energie für wirkungslose Foren und schöngeistige Deklarationen zu verwenden, müssten Sie jetzt am konkreten Kampf zur Verteidigung unserer direkt-demokratischen Rechte teilnehmen, die jetzt von den globalen Grosskonzernen und der Hochfinanz, die die EU kontrollieren, über das Rahmenabkommen empfindlich geschwächt werden sollen.
@Reiser: Ich kann Ihnen in vielen Punkten zustimmen, auch ich bin kein Freund einer immer dominanteren EU. Ich befürworte die De-Globalisierung und Regionalisierung. Mit der Verhinderung des Rahmenabkommens allein ist es aber auch nicht getan.
Wie stehen Sie zum individuellen Ausstieg aus dem aktuellen Geldsystem?
Werden Sie doch bitte konkreter. Welche anderen Möglichkeiten zur Stärkung der demokratischen Basis sehen Sie?
Wie stehen Sie zur Schweizer Armee?
@Steinmann: Das Wichtigste, das getan werden muss, ist die Respektierung und Durchführung der basis-demokratischen Entscheiden. Die EU hat keinen einzigen Volksentscheid ausgeführt (Maastricht, europ. Verfassung, usw.). Jetzt folgt auch das CH-Parlament dieser Verachtung für Volksentscheide. MEI wurde nicht umgesetzt.