So schreibt das EU-Parlament die Geschichte Europas um
Wenn es mit der Umschreibung der Geschichte Europas so weitergeht, steht in zehn Jahren in den Schulbüchern, nicht Hitler und nicht das Deutsche Reich, sondern Stalin und die Sowjetunion hätten den Zweiten Weltkrieg angefangen. An der Neuschreibung der Geschichte beteiligt sich jetzt auch das – demokratisch gewählte – EU-Parlament.
Konkret: Am 19. September 2019 genehmigte das EU-Parlament mit 535 Ja- und 66 Nein-Stimmen bei 52 Enthaltungen (und etlichen Abwesenden) eine Resolution, die jeder historischen Erkenntnis spottet.
Haben die Medien darüber berichtet? Wenig bis gar nicht. Eigentlich erstaunlich. Wenn irgendwo Russland angeschwärzt wird, ist es meist ein willkommenes Thema. Warum ausgerechnet diesmal nicht? (*)
Zu Erinnerung und zur Kenntnis jener, die sich mit dieser Materie nie haben befassen müssen:
In Adolf Hitlers Buch «Mein Kampf» – erste Veröffentlichung inkl. 2. Teil 1926 – gibt es das 14. Kapitel über die «notwendige» Politik gegenüber dem Osten: «Ostorientierung oder Ostpolitik» (Ausgabe von 1936 im Eher-Verlag). Dort steht ab Seite 726 auf 32 Seiten für jede Leserin und jeden Leser unmissverständlich, dass Deutschland nicht nur das Recht hat, Russland anzugreifen und ihm Land für die Deutschen wegzunehmen, sondern dass die Deutschen das machen müssen! Die Deutschen brauchen mehr «Grund und Boden», um eine Weltmacht zu werden, und diesen «Grund und Boden» müssen sie sich von Russland holen. Zitat: «Nicht West- und nicht Ostorientierung darf das künftige Ziel unserer Aussenpolitik sein, sondern Ostpolitik im Sinne der Erwerbung der notwendigen Scholle für unser deutsches Volk.» (**)
Das haben bis 1936 nicht nur die über 2 Millionen Besitzer des Buches lesen können (Anm. des Verlags auf Seite VI der Ausgabe von 1936: Bisher verkaufte Auflage 2’250’000 Exemplare), das haben naturgemäss auch einige ausländische Politiker lesen können.
Unter diesen ausländischen und aufmerksamen Lesern war auch Maxim Maximowitsch Litwinow, ein sowjetischer Aussenpolitiker und Diplomat. Aufgrund der in «Mein Kampf» klar angesagten Strategie Hitlers gegen Russland inkl. Krieg versuchte Litwinow vor allem ab 1933 und dann immer intensiver, eine Anti-Hitler-Allianz England/Frankreich/USA mit Russland zu schnüren, allerdings ohne Erfolg. Die Westmächte vertrösteten die Sowjetunion immer wieder oder schickten an die Besprechungen in Moskau untergeordnete Delegierte, die zur Formulierung oder gar Unterzeichnung eines Abkommens gar keine Kompetenz hatten. (Zur politischen Aktivität von Litwinow gibt es eine gute Darstellung des kanadischen Historikers Michael Jabara Carley, hier zum Lesen und/oder downloaden, in Englisch. Einen anderen informativen Artikel zu Litwinow von Michael Jabara Carley – in Deutsch – kann man hier lesen: «Eine kleine Geschichtslektion für Justin Trudeau» .)
Münchner Abkommen und Besetzung der Tschechoslowakei
Am 30. September 1938 kam es zum sogenannten Münchner Abkommen, bei dem Frankreich, England und Italien trotz bestehender gegenseitiger Unterstützungsverträge mit der Tschechoslowakei Hitler erlaubten, Teile der Tschechoslowakei zu besetzen und zu annektieren (Siehe dazu Infosperber «So wäscht Polen die eigene Geschichte weiss»). Die Tschechoslowakei sah angesichts der Übermacht der deutschen Truppen und der vertragswidrig verweigerten Hilfe Frankreichs und Englands keine Chance, sich gegen Hitler-Deutschland wehren zu können, und kapitulierte noch am gleichen Tag. Und Mitte März 1939 besetzte Hitler auch noch den Rest der Tschechoslowakei (von der sich, neben Polen, auch noch Ungarn ein Stück abzweigte). Damit aber war auch für Blinde und Taube klar, dass Hitlers «Mein Kampf» nicht nur ein grossmäuliges Propagandabuch war, sondern dass es jetzt an die Realisierung der dort angekündigten Strategien ging.
In dieser Situation und vom Westen nach wie vor im Stich gelassen unterzeichnete der sowjetische Aussenminister Wjatscheslaw Molotow mit dem deutschen Reichsaussenminister Joachim von Ribbentrop am 23. August 1939 einen Nichtangriffspakt mit Hitler-Deutschland, bekannt unter dem Namen «Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffspakt» und auch als «Ribbentrop-Molotow-Pakt». Der Pakt garantierte dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Polen und den Westmächten. Russland war für einen Krieg mit Deutschland alles andere als vorbereitet und musste deshalb Zeit gewinnen, um sich auf einen – schon in «Mein Kampf» angedrohten und angekündigten – Angriff Hitlers auf Russland vorzubereiten. (Ein geheimes Zusatzprotokoll «für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung» gestattete der Sowjetunion, im Ersten Weltkrieg verlorene Territorien des Russischen Kaiserreichs an Polen wiederzugewinnen.)
Und warum sollte die Sowjetunion mit Hitler keinen Nichtangriffspakt schliessen? Auch Polen hatte ja mit Hitler, schon im Jahr 1934, einen Nichtangriffspakt geschlossen.
Und damit zurück zum EU-Parlament
Das EU-Parlament geht im Jahr 2019, 80 Jahre nach dem offiziellen Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, über all diese Ereignisse hinweg. Für über 500 der 751 Mitglieder des Parlamentes ist der Verursacher des Zweiten Weltkrieges der Nichtangriffspakt Ribbentrop-Molotow, womit die Hälfte der Kriegsschuld bereits von Deutschland abgewendet und auf Russland verschoben wird. In einer Resolution vom 19. September 2019 – Beschlussergebnis siehe oben – wird unter anderem festgehalten,
Und die vom EU-Parlament beschlossene Resolution
Und das EU-Parlament
Eine skandalöse Geschichtsverfälschung
Die ganze Resolution des EU-Parlaments vom 19. September 2019 kann hier – in über zwanzig Sprachen, siehe oben rechts – gelesen und/oder downgeloaded werden. Zu beachten gilt es zusätzlich, wer diese Resolution im EU-Parlament eingebracht hat. Es sind 19 Mitglieder des Parlaments: 18 davon aus Polen und eines aus Lettland. (***) Haben die anderen über 700 Mitglieder des EU-Parlaments den Text der Resolution überhaupt gelesen, bevor sie ihm zustimmten?
Die Absicht der polnischen Antragsteller ist mehr als durchsichtig: In Polen war der Antisemitismus schon vor dem Angriff Hitlers auf dieses Land und auch während des Zweiten Weltkrieges weit verbreitet. Man denke etwa an den Fall jener jüdischen Insassen von Auschwitz, die dem Konzentrationslager entfliehen konnten, von polnischen Bürgern aber verraten wurden und so ins Konzentrationslager zurückgebracht werden konnten. Das alles soll «vergessen» werden. Und heute ist vor allem eines wichtig: Europa soll Russland hassen und als Bedrohung wahrnehmen! Um dies zu erreichen, ist jede Geschichtsverfälschung erlaubt.
Traurig nur, dass das EU-Parlament auf solche Vorstösse hereinfällt. Noch hat man offensichtlich nicht begriffen, dass gerade solche Aktionen das Vertrauen vieler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in die EU massiv untergraben helfen.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Siehe zum gleichen Thema
Ausserdem auf Infosperber:
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
(*) Gestern Freitag, 26. September 2019, ist wenigstens die Online-Plattform NachDenkSeiten auf die Problematik dieser Resolution eingestiegen, siehe hier.
(**) Die Seitenzahlen und Zitate sind direkt aus einem originalen Exemplar von Hitlers Buch «Mein Kampf» mit Erscheinungsjahr 1936 übernommen, das der Autor des Artikels aufgrund der käuflichen Übernahme der Bibliothek von Raymond Broger, verstorbener Landammann von Appenzell-Innerrhoden, selber besitzt.
(***) Ryszard Antoni Legutko (Polen), Anna Fotyga (Polen), Tomasz Piotr Poręba Polen), Dace Melbārde (Lettland), Witold Jan Waszczykowski (Polen), Ryszard Czarnecki (Polen), Jadwiga Wiśniewska (Polen), Bogdan Rzońca, (Polen), Anna Zalewska (Polen), Jacek Saryusz-Wolski (Polen), Grzegorz Tobiszowski (Polen), Joanna Kopcińska (Polen), Elżbieta Rafalska (Polen), Joachim Stanisław Brudziński (Polen), Beata Szydło (Polen), Beata Mazurek (Polen), Andżelika Anna Możdżanowska (Polen), Beata Kempa (Polen), Patryk Jaki (Polen)
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Zum Autor. Es gibt keine Interessenkollisionen.
Danke Christian Müller für Ihre Wachsamkeit. Wir leben in einer schrägen Phase der gemeinsamen europäischen Geschichte, jener Russlands + jener West-Europas.
Ich gehe mit Christian Müller einig, dass der EU-Text tendenziös ist. Das sollte jedoch kein Grund sein, ihm à la Weltwoche eine tendenziöse russlandfreundliche Sichtweise entgegenzusetzen. Eine ausgewogene Darstellung wäre hilfreicher.
– Klar, es war immer der Plan Hitlers, sich fremde Territorien einzuverleiben. Die Sowjets haben aber auch davon geträumt, sich über die ganze Welt auszubreiten. Warum nur das eine so herausstreichen und das andere unterschlagen?
– Warum wird zum sowjetische Überfall auf Polen verharmlosend geschrieben, es sei bloss darum gegangen, »… im Ersten Weltkrieg verlorene Territorien des Russischen Kaiserreichs an Polen wiederzugewinnen.» ? Auch Deutschland hat nach dem 1. Weltkrieg Territorien verloren, aber es wäre grundfalsch, die anfänglichen Annexionen Hitlers mit diesem Verweis zu legitimieren.
Den Sowjets die halbe Schuld am zweiten Weltkrieg zuzuschreiben ist falsch. Sie ganz weisszuwaschen ebenso.
Dre InfoSperber wird immer besser. Danke, Christian Müller!
Ich will mich nicht in einen neuen «Historiker-Streit» einmischen, sondern lediglich auf einen erst kürzlich im Quaterly Journal for Free Historical Inquiry erschienen Artikel des – vermutlich amerikanischen Historikers – John Wear aufmerksam machen, der
folgende Überschrift hatte:
"Great Britain Perpetuated World War II to Destroy Germany».
Von demselben John Wear erschien am 15. Januar 2019 in der angesehenen
The Unz Review: An Alternative media Selection,
der 13 seitige Artikel «Why Germany Invaded Poland».
Mich würde sehr interessieren, wie Sie, geschätzter Christian Müller, darüber denken.
Geschichtsrevisionismus kommt heraus, wenn rechte Ideologen die Wissenschaft kapern wollen. Die Tragödie in diesem Fall ist aber, dass eine so breite Mehrheit des Mainstreams sich von den Rechten einspannen ließ.
Polen hat selber in dieser Causa Blut an den Händen, will sich mit diesem Beschluss reinwaschen. Polen hat sich zum einen aktiv an der Aufteilung der Tschechoslowakei in Folge des Mündner Abkommens beteiligt, hat sich schlesische Gebiete unter den Nagel gerissen.
Zum anderen hat sich die Sowjetunion energisch mit Frankreich und GB um ein gemeinsames Bündnis gegen Deutschland bemüht. Dazu hätte sie allerdings Durchmarschrechte durch Polen gebraucht. Polen hat diese mit aller Konsequenz verweigert und damit eine militärische Zange gegen Deutschland sabotiert.
Ich danke jedenfalls Christian Müller für die Aufmerksamkeit. Den restlichen Medien dürfte dieser schauerliche Beschluss zu peinlich sein, als dass sie darüber berichten wollten. Schande über ein Parlament, das sich so weit erniedrigt und sich vor den Karren der Geschichtsrevisionisten spannen lässt.
Wie haben denn die deutschen und österreichischen Abgeordneten bei dieser Vorlage votiert?
In diesen beiden Ländern gibt es nämlich Verbotsgesetze, die Wiederbetätigung nicht als Meinung werten, sondern als Strafdelikt.
Meines Erachtens fällt diese Art der Neuschreibung der Geschichte darunter, schließlich «klärt» dieser Beschluss die Schuldfrage diametral anders als noch die Nürnberger Prozesse.
Danke, Christian Müller! In einer Zeit der antikommunistischer Hetze und des Rechtsdrucks allüberall tut so ein Zurechtrücken von historischen Tatsachen meiner Seele gut! Das Manöver der EU ist allzu durchsichtig. Es soll von der Tatsache ablenken, dass ein imperialistischer Konkurrenzkampf grössten Ausmasses im Gange ist. Die EU-Staaten, allen voran Frankreich und Deutschland, wollen mitmischen im Konzern der Grossen (USA/China). Und die kleinen Imperialisten (Indien, Pakistan, Iran, Saudiaarabien, Türkei, Israel, Brasilien, Argentinien…) wollen nicht hinten anstehen. Um von den eigenen Eroberungsplänen abzulenken, ist es praktisch, wenn man immer wieder die kommunistische «Gefahr» heraufbeschwören kann. Stalin hat nie ein anderes Land angegriffen, um es zu erobern, sondern einzig, um sich zu verteidigen. Ganz im Gegensatz zu den vorgenannten imperialistischen Mächten, die alles tun, um im Dienste der Weltkonzerne Absatzmärkte, Rohstoffe und Gewalt über Lohnsklaven erobern zu können.
Schade um den so interessanten Artikel !
Es sind aber große Schnitzer unterlaufen.
"die kommunistische Sowjetunion» hätte auch die Mainstreampresse geschrieben.
Zur Erinnerung, das Land hieß
Stran Sozialistischeskich Sowjstkich Respublikach
auf Deutsch
Union der Sozialistischen Sowjet Republiken.
In der Mainstreampresse wurde mindestens seit Ende 70ziger Jahre sozialdemokratisch, sozialistisch und kommunistisch in einen Topf geworfen, ohne zu verstehen, was diese Begriffe bedeuten.
Noch schlimmer aber «demokratisch gewählte – EU-Parlament» !
Demokratisch heißt dem Volk gewidmet.
Der Abgeordnete Dr. Gysi sagte 1998 aber treffend, wenn nur EU Politik für große Versicherungen, Banken und Exportunternehmen gemacht wird, wird Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus, bedrohliche Außmaße annehmen.
https://www.youtube.com/watch?v=x1ef0BBtuYA&t=317s
"Gregor Gysi: »Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen«"
Das EU Parlament ist also nicht demokratisch ( dem Volk gewidmet ), sondern plutokratisch ( dem Geld gewidmet ).
Nur zur Erinnerung, die deutsche Regierung stimmte dem EU Beitritt zu, ohne dass das Parlament zustimmte. Das ist ein Beispiel für die großen Defizite !
Wahlen sind der uninteressanteste Teil in einer Demokratie.
In der Demokratie geht es um Partizipierung.
Schon Diktatur Mussolini sagte, wähle könnt ihr, so oft ihr wollt, bis zur Verblödung !
https://www.youtube.com/watch?v=peprtIZJiwQ&t=208s
"Prof. Rainer Mausfeld über die repräsentative Demokratie"
Die zwei Pakten kann man nicht in einen Topf werfen! Zweitens 1772 war Polen- Litauen fast 1 000 000 qk groß. Danach folgten drei Raubzüge. Preußen, Österreich und Russland haben Polen beraubt. Liebe Grüße Christoph