Watson

Klima- und Umweltforscher Robert Watson © Youtube/UN Environment

«Perverse Subventionen für Landwirtschaft abschaffen»

Cornelia Eisenach, higgs /  Die Landwirtschaft trage erheblich zum Klimawandel und Artensterben bei, kritisiert der britische Umweltforscher Robert Watson.

Red. Der britische Klima- und Umweltforscher Robert Watson ist eine der führenden Stimmen in der Diskussion um Klimawandel und Artensterben. Von 1997 bis 2002 stand er dem Weltklimarat IPCC vor. Bis Mai diesen Jahres war er Präsident des Weltbiodiversitätsrats IPBES. Während seiner Amtszeit warnte Robert Watson wiederholt vor den Folgen der menschengemachten Klimaerwärmung und der massiven Zerstörung der Artenvielfalt. Im Interview mit higgs.ch benennt er die Hauptursachen und was dagegen zu tun wäre.

higgs.ch: Der Bericht des Weltbiodiversitätsrats zeigt, dass Tiere und Pflanzen in rasantem Tempo aussterben. Eine Million von 8,1 Million Arten weltweit sind akut bedroht. Weshalb?
Robert Watson: Es gibt verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass wir fast alle natürlichen Ökosysteme und Lebensräume in landwirtschaftliche Anbauflächen und Wald umgewandelt haben, meist mit Monokulturen. Zweitens beuten wir sowohl das Land als auch die Meere zu stark aus. Der dritte Grund ist der Klimawandel, der vierte die Umweltverschmutzung und der fünfte Grund sind invasive Arten.

Warum genau sind diese Veränderungen ein Problem?
Weil die Natur und die Biodiversität, also die biologische Vielfalt, für unser Wohlergehen wichtig sind. Die Natur liefert uns Nahrung, sauberes Wasser, Energie, Medizin. Das sind Dienstleistungen oder materielle Beiträge der Natur an uns. Ausserdem hilft die Natur, das Klima, die Verschmutzung, die Bestäubung durch Insekten, Überflutungen, Dürren, Schädlinge und Krankheiten unter Kontrolle zu halten. Und sie hat einen spirituellen Wert. Menschen lieben es, sich in der Natur aufzuhalten. Doch wir zerstören sie durch die Art und Weise, wie wir Lebensmittel, Holz, Textilien und Energie produzieren. Aber: Das Klima und die Natur zu zerstören, kostet Geld.
Wie viel Geld? Können Sie Zahlen nennen?
Wir haben es für die Bestäubung durch Insekten in den USA ausgerechnet: Würden Bienen und Schmetterlinge fehlen, um Nutzpflanzen zu bestäuben, dann würden die landwirtschaftlichen Erträge um etwa 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr weniger abwerfen. Es ist sehr schwer, die Kosten von Klimawandel, Verschmutzung, Überflutungen und Stürmen zu beziffern. Aber wenn wir zum Beispiel Mangrovenhaine an den Meeresküsten zerstören, dann zerstören Sturmfluten plötzlich die Dörfer vor Ort. Wir zahlen einen hohen Preis – auch wirtschaftlich.

Können sich Tiere und Pflanzen nicht einfach an die veränderten Umweltbedingungen anpassen?
Ja, Arten können sich generell anpassen. Aber Tatsache ist, dass es die meisten Arten derzeit nicht schaffen, sich an den Klimawandel anzupassen. Dass wir diese eine Million Arten verlieren, ist nicht unvermeidbar – aber sie sind ganz klar bedroht.
Was muss passieren, um das zu verhindern?
Zum Beispiel müssen wir die perversen Subventionen in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und Transport abschaffen. Denn diese sind verantwortlich sowohl für den Klimawandel als auch für den Verlust der Biodiversität. (Fortsetzung weiter unten)
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Warum wir laut Robert Watson das 1,5-Grad-Ziel verfehlen werden:

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Wenn wir die Landwirtschaft jetzt, bei steigendem Nahrungsbedarf, zurückfahren – werden die Menschen dann nicht hungern?
Wir könnten die Welt ohne weitere Extensivierung der Landwirtschaft ernähren. Wir verschwenden 30 bis 40 Prozent aller Lebensmittel. In Entwicklungsländern gelangen Lebensmittel oft nicht mal auf den Markt, weil es keine guten Transport- oder Lagermöglichkeiten gibt. In Europa und Nordamerika servieren Restaurants zu viel Essen und schmeissen die Reste dann weg. Viele von uns kaufen zu viel Essen und schmeissen es dann eine Woche später ebenfalls weg. Viele Bauern in Afrika produzieren nur eine Tonne Nahrung pro Hektar, obwohl sie mit ein bisschen mehr Wissen und Chemie leicht 3 bis 4 Tonnen herstellen könnten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Nahrungsmittel, die wir brauchen, herstellen können, ohne die Umwelt zu beeinträchtigen.

Sind Sie für eine Art Natur-Abgabe ähnlich einer CO2-Steuer?
Nicht unbedingt. Wir könnten es auch umgekehrt machen und statt Steuern Anreize setzen, um nachhaltig zu leben. Und wir brauchen eine andere Führungsstruktur. Themen wie Klimawandel oder Biodiversität werden normalerweise durch Umweltministerien geregelt. Aber das sind eigentlich auch Probleme für die Energieministerien, die Abwasserämter, die Landwirtschaftsministerien, die Tourismusindustrie, die Finanzministerien und auch die Regierungschefs.
Kann der Einzelne überhaupt etwas tun?
Ja, Menschen können ihre Regierung in die Pflicht nehmen und sie zum Handeln auffordern. Sie können auch die Privatwirtschaft beeinflussen, indem sie nachhaltige und recycelbare Produkte fordern und kaufen. Und Einzelne sollten aufhören, Ressourcen zu verschwenden. Verschwendet kein Essen, kein Wasser, keine Energie, sondern nutzt es effizient! Jeder muss darüber nachdenken, was Lebensqualität bedeutet. Ist meine Lebensqualität besser, weil ich ein grösseres Haus habe, ein grösseres Auto fahre, mehr Ferien mache?
Für viele Menschen ist das so.
Ja. Aber viele Gewohnheiten sind auch schlecht für uns selber. Unsere Ernährungsgewohnheiten mit viel Fleisch zum Beispiel sind nicht unbedingt gut für uns. Ich sage nicht, dass jeder Veganer oder Vegetarier sein muss. Eine ausgewogenere Ernährung ist aber sowohl gut für die eigene Gesundheit als auch für die Umwelt.
Und was tun Sie ganz persönlich gegen den Klimawandel und für die biologische Vielfalt?
Ich kann sicherlich mehr tun. Ich könnte in einem kleineren Haus leben, obwohl mein jetziges schon kleiner ist als mein früheres. Ich könnte ein effizienteres Auto fahren. Aber ich habe meinen Fleischverzehr eingeschränkt, ich habe eine ausgewogenere Ernährung. Und ich passe sehr darauf auf, dass der Fisch, den ich esse, nachhaltig gefangen wurde und ich keine bedrohten Arten esse. In Europa versuche ich den Zug statt das Flugzeug zu nutzen. Von London nehme ich oft den Eurostar. Ich drehe den Wasserhahn ab und dusche nur kurz. Das könnten alle tun, statt ein Vollbad zu nehmen.
Aber ein Vollbad ist sehr angenehm, es macht das Leben schöner.
Ja, und einige Menschen lieben es. Und die Person, die es liebt, tut dann vielleicht etwas anderes, um die Umwelt zu bewahren. Denkt darüber nach, was ihr tut. Über die kleinen Dinge. Denn viele kleine Schritte ergeben ein grosses Ganzes.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Dieser Artikel ist zuerst auf higgs.ch erschienen. Scitec-Media GmbH, Initiantin und Betreiberin von higgs, erhält von der «Gebert Rüf Stiftung» noch bis Ende 2019 finanzielle Unterstützung.

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5 Meinungen

  • am 23.07.2019 um 13:04 Uhr
    Permalink

    » Viele Bauern in Afrika produzieren nur eine Tonne Nahrung pro Hektar, obwohl sie mit ein bisschen mehr Wissen und Chemie leicht 3 bis 4 Tonnen herstellen könnten.» Herr Watson steht aber nicht etwa im Solde der Agrochemie??

  • am 23.07.2019 um 23:09 Uhr
    Permalink

    »… und Chemie leicht 3 bis 4 Tonnen herstellen könnten. … ohne die Umwelt zu beeinträchtigen."
    Ein bisschen mehr Chemie in der Landwirtschaft im Interesse der Umwelt? Sachen gibt’s… Es ist jedenfalls interessant zu sehen, dass sowohl die Interessen der Chemiebranche als auch die Ideologie der Skeptiker in jedem Artikel von Higgs hier im IS unterstützt wird.

    "Zum Beispiel müssen wir die perversen Subventionen in den Bereichen Landwirtschaft… abschaffen."
    Hier wäre Nachfragen wichtig gewesen. Wie könnte die Landwirtschaft ohne Subventionen finanziert werden? Soll sie vom Markt und somit vom internationalen Grosskapital finanziert werden? Oder eine andere Art der Subvention, z.b. im Sinne der Gemeinwohlökonomie? Oder eine ganz neue Art der Finanzierung? Ohne diese Vertiefung wirkt das alles wie die üblichen Angriffe neoliberaler Kreise auf Subventionen in der Landwirtschaft mit der Umwelt als Argumentarium. Denn ohne eine andere Lösung bedeutet das streichen von Subventionen eine marktwirtschaftlich/finanzwirtschaftlich finanzierte Landwirtschaft. Und das wird kaum im Interesser der Umwelt sein.

  • am 25.07.2019 um 09:05 Uhr
    Permalink

    @Dinter @Stöckli
    Ich denke nicht, dass Watson im Bezug auf die 3-4 Tonnen und Afrika gemeint hat, die Bauern sollten das mit Chemie erreichen.
    Ich lese die Antwort so, dass er eben genau das Gegenteil meint! Was er sagt ist, dass wir die Intensivierung reduzieren sollten. Wir können eben auch mit einem Viertel Ertrag sehr gut leben, wenn nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Und dadurch auf Chemie verzichten und nachhaltige Landwirtschaft im Sinne von Permakulturen betreiben. Das dies funktioniert haben schon viele bewiesen!

    Der in meinen Augen einzige gangbare Weg ist, uns vom derzeitigen Finanzsystem und dem damit verbundenen dreist gierigen Neo-Liberalismus zu verabschieden. Unendliches Wachstum als das zu erkennen was es ist: Nicht real! Und wieder auf Systeme zurückzukommen, die selbsterhaltend sind. Wachstum um der bereits komplett übersättigten Mäuler noch mehr zu stopfen funktioniert auf Dauer schlicht nicht.

    Mir kommt da immer das Bild aus Monty Phytons Sinn des Lebens in den Sinn: Der überdicke Mann wird irgendwann an einem Minzeblättchen explodieren. So sehe ich das mit der komplett übersättigten westlichen Welt und der Wirtschaft und den Methoden der Superreichen auch: Irgendwann wird ihnen die ganze Schosse um die Ohren fliegen.

  • am 29.07.2019 um 17:12 Uhr
    Permalink

    @Marc Mingard
    Ich verstehe was Sie meinen. So habe ich es tatsächlich nicht gelesen. Sie könnten recht haben. Danke für den Hinweis.

  • am 29.07.2019 um 17:26 Uhr
    Permalink

    … und ziehe in der Konsequenz hiermit natürlich meine Aussage

    »… die Interessen der Chemiebranche als auch die Ideologie der Skeptiker in jedem Artikel von Higgs hier im IS unterstützt wird."

    zurück. Mindestens dieser Artikel tut dies nicht oder ich konnte es nicht feststellen.

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