Fluechtlingsbild

Gerettete Flüchtlinge der «Sea Watch 3»: Der rot umrandete Ausschnitt wird auf Facebook verbreitet © Screenshot und Bearbeitung: Correctiv

Social Media: So wird im Netz manipuliert

Alice Echtermann, Correctiv /  Das Foto zeigt Menschen auf der «Sea-Watch 3» – aber der Bildausschnitt führt in die Irre.

Die Facebook-Seite «Befreiter Blick» verbreitet ein Foto, das die geretteten Menschen an Bord des Schiffes «Sea-Watch 3» zeigen soll. Auf dem Bild ist eine Gruppe Männer zu sehen. Es wurde mehr als 2800 Mal geteilt. 

Der Beitrag auf der Facebook-Seite «Befreiter Blick» vom 1. Juli 2019. (Screenshot und Schwärzung: Correctiv)
Der Kommentar der Seite «Befreiter Blick» dazu lautet: «Hier eine Aufnahme der kürzlich ‹geretteten› Frauen und Kinder von der SeaWatch3…». Da der Bildausschnitt nur Männer zeigt, wird mit dem Satz impliziert, es seien gar keine Frauen oder Kinder an Bord des Schiffes gewesen.
Doch das stimmt nach Angaben von «Sea-Watch» nicht. Das Originalbild stützt die Darstellung der Organisation. Laut «Sea-Watch» wurden am 12. Juni insgesamt 53 Menschen vor der Küste Libyens aufgenommen, «unter ihnen 9 Frauen, 39 Männer, 2 Kleinkinder und 3 unbegleitete Minderjährige». Einige «besonders schutzbedürftige Personen» durften an Land gehen noch bevor die «Sea Watch 3» im Hafen der sizilianischen Insel Lampedusa anlegte. Medien wie Spiegel Online berichten von 13 Menschen, darunter «Frauen, Kranke und Kinder», die vorzeitig an Land gebracht wurden. In Lampedusa verliessen Medienberichten zufolge etwa 40 Menschen das Schiff.

Bildausschnitt taucht auf ungarischer Webseite auf

Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zunächst zur ungarischen Webseite Vadhajtasok. Dort wird in einem Artikel vom 1. Juli über die Kapitänin Carola Rackete berichtet. Und es ist der gleiche Bildausschnitt zu sehen, der auf Facebook verbreitet wird. Darunter steht: «’Hungrige, arme Flüchtlinge› auf dem Schiff Sea-Watch 3». Die Worte «hungrig, arm» sind in Anführungszeichen gesetzt, womit wohl angedeutet werden soll, die abgebildeten Menschen seien eben dies nicht.
Die Rückwärtssuche auf Google führt auch zum Originalbild, aus dem der Ausschnitt stammt. Es ist ein Screenshot aus einem Video, das auf dem Portal Dailymotion hochgeladen wurde. Urheberin des Videos ist die italienische Nachrichtenseite Notizie.it. Im Video ist die ganze Gruppe zu sehen, zu der auch Frauen gehören, darunter offenbar auch Mitarbeiterinnen von «Sea-Watch». In dem von «Befreiter Blick» auf Facebook verbreiteten Bild wurden also die Frauen weggeschnitten.

Das Originalbild aus dem Video von Notizie.it auf dem Portal «Dailymotion» zeigt, dass auch Frauen unter den Geretteten sind. (Screenshot: Correctiv)
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Die Fakten-Checker des Recherchezentrums Correctiv gehen Gerüchten nach und veröffentlichen ihre Rechercheergebnisse auf dieser Seite.

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Eine Meinung zu

  • am 11.07.2019 um 23:08 Uhr
    Permalink

    Menschen haben wohl schon immer für eigene Interessen andere Menschen verführt, arglistig getäuscht und betrogen.
    Gelingt bestens, wenn die mit viel PATHOS aufgeladenen Meinungen und Vorurteile der anderen Menschen bekannt sind. Die werden zum jeweils geeigneten Bedeutungsrahmen für Zuneigung oder Ablehnung. Hier erfüllt der Rahmen gleich beides. Kinder, Kindchenschema gäbe eine natürliche Zuneigung. Von Kindern und Frauen geht kaum Gefahr aus. Während von fremden agilen jungen starken Männern, die auch noch eher unfreudlich in die Kamera schauen, mit Vorurteilen Angst aus.
    Die Kunst ein -Bild von der Welt- mit einem für die Verführung geeigneten Rahmen zu umgeben oder etwas kontraproduktives wegzulassen heisst -FRAMING- oder -Reframing- im Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP). Dazu gibt es viele verschiedene Techniken im Einzelfall.
    Wie macht man Werbung oder Marketing für ein banales und ödes Produkt wie Margarine? Mit hochpathetischen Rahmen, ‹Gruppenerlebnis›, ‹gemeinsames› Mahl, ‹harmonische Familie› und ‹romantischer Umgebung›.
    Die sog. sozialen Medien erkennen mit Deep Learning und KI, auf was viele Menschen abfahren, erfolgreich instrumentalisiert und bewirtschaftet werden können. Dieses Wissen kostet viel, bringt den Käufern sehr viel Mehrwert. Dieses Prinzip wurde schnell auf den Machtkampf übertragen. Für das Marketing einer Partei oder anderen Interessengruppe (z.B. für fossile Energien) ist Framing mit viel Pathos ähnlich verführerisch.

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