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Kann ein Smartphone lauschen, obwohl es nur so daliegt? Der NDR und die «Welt» haben es getestet. © CC

Hört Facebook bei Gesprächen mit?

D. Gschweng /  Der Verdacht, dass Facebook Gespräche belauscht, taucht immer wieder auf. Tests können ihn weder beweisen noch widerlegen.

Wer regelmässig im Internet bestellt, kennt das Phänomen wahrscheinlich: Wer gerade einen Toaster bestellt oder Modelle verglichen hat, wird in der Zeit darauf in Apps wie Facebook mit Werbung für Toaster bombardiert.

Was aber, wenn man nur mit einem Freund über den Toaster gesprochen und ihn nicht einmal in der Chat-Funktion einer App wie WhatsApp oder Facebook benutzt hat und dennoch Werbung für Toaster eingespielt bekommt? Vor allem, wenn es sich bei den Anzeigen nicht um ein Allerweltsprodukt wie Toaster, sondern zum Beispiel um ein bestimmtes Urlaubsziel oder ein spezielles Produkt handelt.

Mitschneiden ist illegal

Immer wieder taucht der Verdacht auf, dass Facebook mit dem Smartphone seine Nutzer belauscht, um Werbung zu platzieren. Auch dann, wenn sie gerade weder Facebook noch Instagram oder WhatsApp verwenden und das Handy nur neben ihnen liegt.

Konsumenten haben sich deshalb schon mehrfach an die Datenschutzbehörde der Stadt Hamburg gewandt, wo Facebook seinen deutschen Hauptsitz hat. Falls Facebook Gespräche von Nutzern aufnimmt, wäre es illegal. Das Mitschneiden von Gesprächen ohne Wissen des Sprechers ist eine Straftat.

Zwei bisher durchgeführte Testreihen haben nichts Eindeutiges gefunden

Zwei Redaktionen wollten es genau wissen und haben dazu Testreihen durchgeführt. Die «Welt», die in Zusammenarbeit mit dem Digitalmagazin «t3n» und der Axel Springer Akademie Ende 2017 getestet hatte, veröffentlichte die Ergebnisse im März 2018. Der «Norddeutsche Rundfunk NDR» veröffentlichte ein Jahr später die Ergebnisse einer ähnlichen Testreihe. Eindeutige Beweise fanden beide nicht. Eindeutig widerlegen, dass Facebook mithört, konnten sie ebenfalls nicht.

Identische Bedingungen, bis auf das Mikrofon

Beide Testgruppen statteten alle Tester mit jeweils zwei Handys aus, die sie zuvor auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt hatten. Auf den Smartphones mit den Betriebssystemen Android und iOS installierten sie Facebook, Facebook Messenger, WhatsApp und Instagram. Auf jeweils einem Handypaar setzten die Tester neue und bis auf den Namen identische Profile auf.


Screenshot aus der Dokumentation des NDR. (NDR)

Die fünf «Welt»-Tester trugen ihre Handypaare die ganze Zeit bei sich und waren auf Social Media aktiv. Dabei führten beide Testidentitäten die gleichen Aktionen durch. Beide Nutzer likten das Gleiche und hatten dieselben Vorlieben. Um weitere Einflüsse auszuschliessen, verzichteten die Tester auf das Surfen im Internet sowie Bestellungen bei Amazon und luden die Geräte nur direkt an der Steckdose.

Beide Gruppen führten drei Tests durch:

  1. Gespräche über festgelegte Themen bei geschlossenen Apps
  2. Gespräche über festgelegte Themen bei geöffneten Apps
  3. Telefonate über den Facebook-Messenger

Die «Welt» testete dazu noch die Eingabe von Stichworten über die Timeline. Während der Tests sprachen die Tester über vorher festgelegte Themen wie Brautkleider, bestimmte Kosmetika, Versicherungen, Kredite, Reisen und Computerzubehör. Die «Welt»-Tester legten die Kontrollhandys während der Testgespräche in einen Nebenraum. Der «NDR» klebte ihre Mikrofone ab.

1. Gespräche bei geschlossenen Apps
Bei der Auswertung nach einigen Tagen wurde auf einem Android-Handy des «NDR» mit nicht abgeklebten Mikrofonen Werbung für eine Bodylotion angezeigt. Die «Welt» beobachtete auf ihren zehn Testgeräten nichts Auffälliges.

2. Gespräche bei geöffneten Apps
Am Abend eines Testgespräches fanden die Tester der «Welt» auf einem Android-Handy Werbung für zwei Pflegeprodukte bei Instagram. In der Instagram-App des iOS-Geräts des «NDR» erschien ein Bild, auf dem ein Brautkleid zu sehen ist.

3. Telefonate über den FB-Messenger
Beide Redaktionen telefonierten über den Facebook-Messenger und erwähnten dabei vorher festgelegte Stichworte. Einige Tage danach erschien auf dem Android-Smartphone des «NDR» Werbung eines Modeunternehmens, auf dem iOS-Handy eine Anzeige für Flüge nach Peru. Die Testgruppe der «Welt» fand keine Auffälligkeiten.

Die «Welt» prüfte ausserdem, was passiert, wenn vorher ausgewählte Stichworte in Statusmeldungen auftauchen – ohne Ergebnis. Dafür wurde noch einmal ein bereits aufgetauchtes Pflegeprodukt beworben, dieses Mal auf einem der iOS-Geräte.

Technisch möglich wäre es

Unter dem Strich ergaben beide Tests also kein eindeutiges Ergebnis. Ein ungutes Gefühl bleibt. Das Aufnehmen und Analysieren von Sprache wäre Facebook technisch möglich, das haben IT-Experten bestätigt. Vor einem Jahr hat das Unternehmen zudem ein Patent für ein Verfahren angemeldet, mit dem es per Smartphone Umgebungsgeräusche auswerten kann.

Facebook hat auf Nachfrage mehrmals abgestritten, seine Nutzer abzuhören. Der IT-Experte Hannes Federrath von der Universität Hamburg, den der «NDR» befragt hat, konnte keinen Nachweis dafür finden, dass Apps im Hintergrund Sprache aufzeichnen und auswerten. Was nicht heisst, dass es ihn nicht gibt. Einen vollständigen Einblick haben die Datenschutzbehörden in die Abläufe bei Facebook nicht. Zudem wäre eine Suche sehr personalaufwendig.

Mehr lesen: Infosperber-Dossier «Schutz der Privatsphäre»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Privatsphre2

Schutz der Privatsphäre

Internet-Seiten, E-Mails, Telefonanrufe, Handy-Standorte usw. werden flächendeckend erfasst. Wer stoppt´s?

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Eine Meinung zu

  • am 12.06.2019 um 12:00 Uhr
    Permalink

    Dass es technisch möglich ist, genügt mir.
    Für die Erkenntnis über die Nachfrage nach Produkten einzelner Persinen gibt es offensichtlich genügend anderen Zugang.
    Für die Manipulierung der öffentlichen Meinung und für die Geheimdienste sind die gesprochenen Texte sicherlich eine gute Grundlage. Die Sprachanalyse im Rahmen von PsychoLinguistik ist weit fortgeschritten.
    Ob über Brautkleider oder Bodylotion mit einer starken Emotionalität gesprochen wird oder nur zu Testzwecken macht einen gewaltigen Unterschied. Mit Deep learnig und der sog. KI können Emotionalitäten u. deren Stärke inzwischen fein ermittelt werden, wozu die meisten Menschen nicht oder kaum in der Lage sind.
    Auch bewusste Täuschungen (vulgo lügen) werden inzwischen mit hoher Wahrscheinlichkeiten in gesprochenen Texten erkannt, weil bewusste Täuschung unbewusst einer besonderen Anstrengung bedürfeni. in Feiheiten der Sprachmelodie zum Ausdruck kommen.
    Wer über bestimmte Teile des Sachverhalts KI und die in Algorithmen umgesetzten Dekonstruktionsergebnisse verfügt, hat viel Macht über Menschen. Diese Form der Machtausübung über Menschen ist denen dann aber kaum bewusst.
    Der ScienceFiction Roman «Brave New World» wird im Wesentlichen immer weniger Fiction. Auch die Glücksdroge SOMA wird zunehmend pharmazeutisch abgebildet.

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