Schmähpreis für millionenschweren Industriellen Jørgen Bodum
Jørgen Bodum kommt aus Dänemark, ist Wahlschweizer, Geschäftsleiter des Küchenutensilien-Herstellers «Bodum AG» und besitzt ein Vermögen von schätzungsweise 175 Millionen Franken. Nun erhält er den Schmähpreis «Goldener Bremsklotz» des Recherchenetzwerks investigativ.ch. Bodum verzeigte die Journalistin Jana Avanzini, weil sie 2016 für eine Reportage des Onlinemagazins zentralplus.ch das besetzte Bodum-Grundstück in Luzern betreten hatte.
«Avanzini wollte sich mit eigenen Augen ein Bild über den Zustand des Hauses machen. Sie machte damit genau das, was Journalisten tun sollen: Die Öffentlichkeit mit relevanten Informationen aus erster Hand versorgen», begründet investigativ.ch die Preisvergabe an Bodum. Für den millionenschweren Industriellen habe die Journalistin damit aber Hausfriedensbruch begangen.
Der Augenschein vor Ort war besonders wichtig, weil die Bodum-Villen unter Ortsschutz stehen und nur durch einen Neubau ersetzt werden dürfen, «wenn eine Sanierung aus statischen Gründen nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unverhältnismässig wäre». Journalistin Avanzini ging der Frage nach, weshalb die prächtigen Häuser leer stehen – und verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass die Besitzer die Gebäude nicht absichtlich verlottern lassen um sie dann abbrechen zu können.
Jørgen Bodum doppelt nach
Kurz bevor das besetzte Grundstück geräumt wird, betritt die Journalistin das Gebäude und verfasst die Reportage «Ein Besuch in der Besetzung ‹Gundula› – Auf ein Bier mit Besetzern und Alt-68ern». Nachdem Bodums Rechtsanwalt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch gegen unbekannt einreicht, flattert auch bei Avanzini ein Strafbefehl ins Haus. Sie war vor Ort, ihr Text belegt das einwandfrei.
Die Redaktion von «zentralplus» steht hinter der Journalistin und organisiert ein Crowdfunding. Mit dem gesammelten Geld erhebt Avanzini Einsprache gegen den Strafbefehl. Sie ist erfolgreich, das Verfahren gegen die Journalistin wird eingestellt. Damit endet der Fall aber nicht. Bodums Anwalt reicht Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung ein. Gemäss investigativ.ch verlangten Jørgen Bodum und sein Rechtsvertreter explizit, dass auch die Journalistin bestraft werden müsse. Das juristische Tauziehen wird im Sommer vor Gericht entschieden werden.
Wie investigativ.ch schreibt, steht «der Fall Bodum für die Unsitte, Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Berufsausübung mit Rechtsmitteln zu behindern und die Medienfreiheit einschränken zu wollen.»
«Keine weitere Kommunikation»
Für die Preisübergabe hat sich Jørgen Bodum entschuldigen lassen. Über seinen Anwalt teilte er investigativ.ch mit, er wünsche «keine weitere Kommunikation zu diesem Thema». Und weiter: «Die Bodum Invest AG weist darauf hin, dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig vom Beruf sich an das Gesetz zu halten haben.» Immerhin habe das Gericht die Staatsanwaltschaft und deren Einstellungsverfügung kritisiert. «Bei der aktuellen Ausgangslage Herrn Bodum persönlich einen Schmähpreis verleihen zu wollen, erscheint etwas vorpreschend.»
Investigativ.ch fordert Revision des Strafgesetzes
Für das Journalisten-Netzwerk geht es beim Prozess um die Frage, ob Journalisten bei Hausbesetzungen künftig am Gartenzaun stehen bleiben müssen, sich also kein eigenes Bild mehr machen dürfen. Weiter gehe es aber auch um einen grundsätzlichen Missstand: «Aus Sicht von investigativ.ch braucht es eine Lösung, die Journalistinnen und Journalisten mehr Rechtssicherheit gibt, wenn sie im Interesse der Öffentlichkeit recherchieren. Deshalb fordert investigativ.ch, dass das Strafgesetz mit dem Rechtfertigungsgrund ‹Wahrung berechtigter Interessen› ergänzt wird.»
Bodum mit hauchdünnem Vorsprung
Jørgen Bodum ist nach dem Bundesamt für Landwirtschaft, PR-Berater Sacha Wigdorovits, Nationalrätin Christa Markwalder (FDP), dem Bundesstrafgericht und Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP), der sechste Preisträger des «Goldenen Bremsklotzes».
Neben Bodum waren auch das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie der Thurgauer Regierungsrat nominiert. Der millionenschwere Industrielle gewann den Schmähpreis mit nur zwei Stimmen Vorsprung.
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Infosperber-Artikel zur Thematik:
«Goldener Bremsklotz» für SVP-Nationalrat Addor
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine