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Das Schweizer Fernsehen hält zu viel das Mikrofon hin und macht Interessen nicht transparent © srf

SRF: Lautsprecher-Journalismus für die SVP

Robert Ruoff /  Medien müssen «Widersprecher» und nicht «Lautsprecher» sein, forderte Roger Blum. Ein guter Hinweis.

Die SVP ist in der Schweiz immer noch die grösste Partei. Das muss immer mal wieder gesagt sein. So sieht es jedenfalls das Fernsehen SRF. Seine Redaktor*innen und Moderator*innen tun das jedenfalls immer wieder. Jüngst zum Beispiel in der Tagesschau vom 3. Mai, also am Tag der Pressefreiheit.

Die SRF-Medienschaffenden bestätigen damit ungewollt Roger Blum, Ombudsmann der SRG Deutschschweiz. Blum hatte den Tag genutzt, um per Twitter die Lage der Presse so zu kennzeichnen: «Weltweit sind viel zu wenig Medien Widersprecher und viel zu viele Lautsprecher. Das muss sich ändern – mit Druck von unten und mit Druck von oben.»

Blum hat recht. Es ist erstaunlich, wie schnell man einem einschlägigen Beispiel begegnet, wenn ein Fachmann die Aufmerksamkeit darauf lenkt. Ein Beispiel strahlte am Abend des Tags der Pressefreiheit um 19.30 die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens aus. Die Moderatorin meinte: «Nach den Erfolgen der grünen Parteien setzen auch BDP und FDP auf Klimapolitik». Das war im Fall der FDP eine etwas kühne Behauptung. «Ganz anders die grösste Partei, die SVP», erklärte die Moderatorin, «sie will künftig das Autofahren und das Fliegen stärken.» Es folgt der Bericht.

Nicht von Auto und Flugzeugen war vorerst die Rede, sondern vom Berner Bauer und SVP-Mitglied Daniel Lehmann. Seine Methode, mit Humusproduktion CO2 auf seinen Feldern zu binden, hat in der ganzen Schweiz das Medieninteresse geweckt. In der «Tagesschau» meint er: «Die Parteileitung muss ihren Standpunkt überdenken.»

Fragen bleiben aus

Doch die Parteileitung denkt nicht daran. Sie kämpft im neuen Verkehrspapier für einen grossen Strassenausbau, gegen die CO2-Abgabe auf Treibstoffen und gegen eine Flugticketabgabe. Parteipräsident Albert Rösti greift gleich zum politischen Vorschlaghammer. «Letztlich ist hinter dieser grünen, pseudoreligiösen Bewegung ein Umverteilungsprojekt sondergleichen, das wir nicht unterstützen können.» Keine Strassenabgaben für die Bahn, keine Verbote von Dieselautos, keine Förderung von Elektromobilen, kurz: die SVP macht sich zur Autopartei 2.0.

Die Frage lag auf der Hand, wie Rösti das seinem bäuerlichen Parteifreund Lehmann erklären will. Doch der Bundeshausredaktor stellte die Frage nicht. Der soeben zitierte SVP-Lokalpolitiker Lehmann ging völlig vergessen.

Der Journalist fragte auch nicht, ob der SVP-Präsident nicht weiss, dass mittlerweile Wirtschaftsnobelpreisträger, die weltweite Gemeinschaft der Klimaforscher, die Weltbank und der internationale Währungsfonds eine international abgestimmte CO2-Steuer befürworten, oder ob er diese Einrichtungen zu den «peudoreligiösen» Sekten zählt.

Nein, die SRF-Tagesschau stellte dem SVP-Präsidenten vielmehr die freundliche Frage: «Sehen Sie gewisse Klimaschutzansätze in Ihrem Verkehrspapier?» – Rösti lächelte, ergriff die Gelegenheit und hob an: «Das Schlimmste für saubere Luft sind natürlich die massiven Staus …». Nach dem Motto: Je mehr Autos, je mehr Autobahnen, desto besser. Hauptsache, man kann zügig fahren. Das sei zwar, kommentierte der Tagessschau-Redaktor, «so ziemlich das Gegenteil einer klimafreundlichen Verkehrspolitik … aber im Wahljahr geschickt … und vielleicht gelingt es der SVP sogar, neue Protestwähler zu gewinnen.»
Und darauf kommt es offenkundig an. Dass Rösti als Präsident der Lobbyorganisation Swissoil Teil der CO2-Lobby ist, erfährt das Tagesschau-Publikum dabei nicht.

So darf der Präsident der SVP sein politisches Lobbying ohne kritische Nachfrage und ohne Transparenz seiner Interessenbindung in der Hauptnachrichtensendung des Schweizer Fernsehens unter die Leute bringen und gleichzeitig unbefragt seine politischen Gegner als «pseudoreligiöse» Bewegung diffamieren.

Ungewohnte Runde im «Club»

Wäre es ein Einzelfall, könnte man die Geschichte achselzuckend passieren lassen. Aber dieser Lautsprecher-Journalismus wiederholt sich. Ende März nach den kantonalen Wahlen in Zürich war mehr davon zu beobachten. Nachdem Albert Rösti das Schweizer Fernsehen zum Hauptschuldigen der heftigen Wahlniederlage erklärt und wieder einmal mit der Halbierung der SRG-Gelder gedroht hatte, erfuhr seine Partei erneut eine sehr pflegliche Behandlung.

So sassen im «Club» nach der Wahl sechs Personen in ungewohnter Runde zusammen. Es waren keineswegs sechs verschiedene Parteien. Die «wendigste» fehlte, also die FDP, ausserdem die «frommste», die CVP, ebenso die «langweiligste», sprich: die BDP, und auch die «taktischste» also die SP. Anwesend waren hingegen die beiden Wahlsieger, also die «hippste», sprich die GLP, und schliesslich die «erfolgreichste», also die Grünen. Ausserdem, neben der Moderatorin, der Welterklärer, der in keiner solchen Sendung von SRF fehlen darf: der Politikforscher Andreas Ladner.

Auf der anderen Seite mutete die «Club»-Redaktion dem Publikum aus der SVP eine bunter Dreierrunde zu: den Präsidenten der jungen SVP, Benjamin Fischer, die ehemalige Regierungsrätin Rita Fuhrer und schliesslich der abgewählte alt Regierungsrat Oskar Freysinger, der nun als Wahlkampfleiter in der Suisse Romande einen neuen Einsatz findet. Die drei durften öffentlich die Wunden lecken und nach neuen Wegen zum Erfolg suchen, bis die Grünen-Präsidentin Regula Rytz anmerkte, sie wolle eigentlich nicht an einer Therapie- und Beratungssitzung für die SVP teilnehmen.

Schon damals wurde schnell klar, dass die SVP trotz der Wahlniederlage nicht «grüner» werden wollte.

Und es lief nach dem immer gleichen Muster ab. Der SVP-Wahlkampfleiter Adrian Amstutz, Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG, erklärte, die SVP sei schon deshalb grün, weil die Bauern schon immer für sauberes Wasser und saubere Luft gewesen seien. Der Bundeshauskorrespondent verzichtete auf die Frage, wie denn die Pestizidrückstände in den intensiv genutzten landwirtschaftlichen Gebieten ins Grundwasser und in die Bäche gelangten, wie der Tagesanzeiger ganz aktuell wieder einmal erwähnt. Und auf die Frage, mit welchem Programm die SVP denn antreten wolle, verweigerte Amstutz noch in der Tagesschau vom 25. März die Aussage. Der Bundeshauskorrespondent meinte verständnisvoll: «Sie haben ja noch sieben Monate Zeit». Und Adrian Amstutz lächelte freundlich. So haben sie es gerne, die Mächtigen der grössten Partei der Schweiz.

Wo bleibt ein vernetztes Denken?
Dabei wissen wir es schon lange. Wir brauchten dazu nicht einmal den neuesten Report des Weltbiodiversitätsrats IPBES, der noch dramatischer vor dem Verlust unserer existentiellen Lebensgrundlagen warnt als der Weltklimarat vor den Gefahren des Klimawandels. Es würde genügen, wenn die Bundeshausredaktion in Bern oder die «Tagesschau»-Redaktion im Leutschenbach eine lebendige Querverbindung hätte zu dem nationalen SRG-Projekt «Mission B» – Biodiversität. Es läuft schon eine Weile. Und es läuft unter der Verantwortung der SRG-Chefredaktionen. Dafür braucht es keinen für 70 Millionen in Beton gegossenen Newsroom. Dazu braucht es nur etwas vernetztes Denken.

Doch die SVP konnte ihre Botschaften in die Welt setzen ohne jede kritische Nachfrage. Lautsprecherjournalismus statt kritischer Widerspruchsjournalismus. Jetzt wissen wir, womit uns die SVP beglücken will: Breitere Strassen und Autobahnen, mehr Autos, keine Dieselverbote, keine Benzinverbote, mehr Abgas, mehr CO2. Und sie hat ihre Botschaft erfolgreich in die Welt gesetzt. Ohne Gegenfragen. So läuft das in der Hauptnachrichtensendung. Immer wieder.

Durch Konvergenz multipliziert
Aber mehr noch: Die Informationen kommen zunehmend mit geballter Macht. Sie werden im Schweizer Radio und im Schweizer Fernsehen und auf dem SRF-Onlinekanal immer ähnlicher. Über alle Kanäle kommt fast das Gleiche.

In der «Tagesschau» sagte die Moderatorin: (Fast) alle Parteien setzen auf grüne Politik: «ganz anders die grösste Partei, die SVP…»; im «Newsflash» sagte die Sprecherin; «Die grösste Schweizer Partei setzt im Wahljahr aufs Auto. Sie sagte Staus, Schikanen und höheren Abgaben den Kampf an…».
Für einen journalistisch differenzierten Beitrag «wider den grünen Zeitgeist» engagierte das «Echo der Zeit» als Welterklärer den Politologen Georg Lutz. Er verbreitete die Binsenwahrheit: «Man kann sich nicht der Debatte darüber entziehen, dass es eine Klimaerwärmung gibt.»

Lutz stellte damit eine Kernfrage in den Raum. Ist denn die Auseinandersetzung um die «Klimaerwärmung» nur ein Meinungsstreit, oder geht es um eine wissenschaftlich begründete Tatsachenfeststellung? Mit anderen Worten: Landen wir beim Bemühen um Ausgewogenheit in den Service public-Medien ganz einfach bei einer totalen Beliebigkeit, wenn nur der Vertreter der gegnerischen politischen Meinung scharf und aggressiv genug auftritt? – Bei ernstzunehmenden Gesprächspartnern sind der Klimawandel und der dramatische Abbau der Biodiversität keine unverbindliche Meinungsäusserung mehr sondern eine wissenschaftliche Tatsachenfeststellung.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Publizist Robert Ruoff ist Mitglied der grünen Partei und war bis 2004 Mitarbeiter von SRG/SRF.

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2 Meinungen

  • am 8.05.2019 um 14:22 Uhr
    Permalink

    Robert Ruoff erinnert an einen zentral wichtigen Ausspruch von Roger Blum (SRF-Ombudsmann ): «Medien müssen ‹Widersprecher› + nicht ‹Lautsprecher› sein."

    Das Problem:
    – Blum predigt Wein + trinkt SRF-Wasser.
    – Darf ich an ein paar Fakten erinnern?

    Wie konnte ‹Blocher› überhaupt so gross werden? Kennen Ruoff + Blum die sog.e ‹Mörgeli-Methode›?
    – Mörgeli entwickelte seine bekannte Methode in Blochers Auftrag. Also:
    — Mörgeli erfand für ‹Blocher› politische Schein-Probleme wie ‹Das Asyl-Chaos› oder ‹Die Sozial-Schmarotzer› etc.›.
    — Die Medien (wie SRF + NZZ + TA) stürzten sich auf die Quoten-Bolzer + trompeteten sie in die Schweizer Köpfe rein. Dadurch wurde aus Nicht-Themen hoch-brisante politische Themen.
    — Einmal in den Köpfen drin, präsentierte die Blocher-SVP als einzige Partei Angebote , wie sich das Schein-Problem lösen lässt. Und erneut stürzten sich die Medien auf die neue Sensation: ‹Die Blocher-SVP hat als einzige Partei eine Lösung …›.
    – Wer erinnert sich nicht ans Parade-Beispiel für die Mörgeli-Methode, ‹das Asyl-Chaos›? Also:
    — Mörgeli startete seinen legendären Test-Lauf Mitte APR15 Test-Lauf am Beispiel ‹Asyl-Chaos›.
    — Die Medien machten voll mit, obwohl wir alle wussten: Es gibt in der Schweiz kein Asyl-Chaos.
    — Innert 4 Wochen erreichte Mörgeli eine Zustimmungsrate von über 52 % …

    Mit jedem Schein-Thema steigerte ‹Blocher› die Zustimmungsrate zu seiner SVP um weitere Prozente, bis sie 30 % erreichte: Die Mörgeli-Methode war ein absoluter Hit …

  • am 13.05.2019 um 17:31 Uhr
    Permalink

    Konrad Staudacher: Worum geht es? Um SVP-Bashing, oder um Probleme, die offenbar nach Ihrer Meinung keine sind? Oder fehlen ihnen die wichtigen Argumente? Was Sie hier zitieren, stimmt wirklich nicht, im Gegenteil. Die SVP wird überall eher negativ behandelt. Auch beim Schweizer Radio und Fernsehen ist die SVP nicht besonders beliebt. Als grösste Partei hat sie, nach demokratischem Ermessen, Anrecht zu Wort zu kommen. Wer das macht, ob die Leute, die Sie erwähnen, oder andere Parteiangehörige, ist doch im Ermessen der Partei! Oder möchten Sie das ändern? Sie können jederzeit eine Initiative lancieren und das Volk befragen, wer bestimmen soll, wer berechtigt ist etwas zu sagen!

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