Robert_Habeck_ARDKopie

Robert Habeck: Selbst der Co-Chef der Grünen hat die Wirkung von Lenkungsabgaben nicht kapiert © ard

Flugticket- und andere Umweltabgaben machen Arme reicher

Hanspeter Guggenbühl /  Lenkungsabgaben täten Armen mehr weh als Reichen. Diese Fehlinformation torpediert das beste Mittel zum Umwelt- und Klimaschutz.

Es gibt zwei Themen, die mich durch mein journalistisches Leben begleiteten: Erstens die Schere zwischen klimapolitischen Ansprüchen, die seit 30 Jahren eine Reduktion von CO2 und weiteren Treibhausgasen erfordern, und dem realen Energiemarkt, der den Ausstoss von CO2 im gleichen Zeitraum weiter wachsen liess (mehr dazu morgen auf Infosperber). Zweitens beschäftigte ich mich immer wieder mit der Lenkungsabgabe, auch Öko-Bonus genannt, die hohen Ressourcenverbrauch bestraft, weniger Ausbeutung der Natur belohnt und damit das Marktversagen in den Bereichen Energie und Umwelt korrigieren könnte.

Warum die Lenkungsabgabe ein Papiertiger blieb, versuchte ich mehrmals zu erkunden, unter anderem hier auf Infosperber oder im Buch «Schluss mit dem Wachstumswahn». Dabei übersah ich bisher eine zentrale Ursache: Es ist die hartnäckige Fehlinformation, Lenkungsabgaben würden Leute mit kleinem Einkommen benachteiligen, während Reiche sich die Verteuerung von energieintensiven Häusern, mobilen Spritsäufern und Flugreisen weiterhin locker leisten könnten.

Seit Schülerinnen und Studenten die alte Klimadebatte neu aufflammen lassen, kommen Lenkungsabgaben, sei es auf Energiekonsum, CO2-Emissionen, Flugtickets oder Landverkehr (Mobility-Pricing), als marktwirtschaftliches Instrument wieder aufs Tapet. Und als Reaktion darauf häufen sich jetzt die Stimmen und Medienbeiträge, die einen Konflikt zwischen Minderung der Umweltbelastung und Zuspitzung von sozialen Konflikten an die Wand malen.

Die Mär von der unsozialen Lenkungsabgabe

Unter dem Titel «Klasse statt Masse» schrieb zum Beispiel Redaktorin Katharina Fontana in der Weltwoche vom 4. April : «Die Klimajugend will Flugreisen und anderen Konsum verteuern. Leute mit kleinem Portemonnaie werden sich vieles nicht mehr leisten können.» Im weiteren Text präzisierte Fontana diese Behauptung wie folgt: «In der wohlhabenden Schweiz sind es der allgemeine Konsum, die Mobilität, die Ernährung und das Wohnen, die hauptsächlich zur Umweltbelastung beitragen (…). Will man das Klima schützen, indem man diese Bereiche verteuert, sind Leute mit kleinem Portemonnaie überproportional stark betroffen.»

Drei Tage später tischte Redaktor Daniel Friedli die alte Mär von den angeblich unsozialen Lenkungsabgaben in seinem Kommentar in der NZZ am Sonntag vom 7. April wieder auf. Unter dem Titel «Die Partei der Stunde ist noch lange nicht mehrheitsfähig» behauptete er: «Dass es grüne Lösungen an der Urne so schwer haben, hat vor allem einen Grund: Ihre Politik geht an unser aller Portemonnaie.» Diesen allgemeinen Befund konkretisierte Friedli in Bezug auf Lenkungsabgaben: «Sie machen, auch wenn sie rückerstattet werden, das unerwünschte Verhalten teurer, was Ärmere immer stärker trifft als Reiche.»

In einem Interview erklärte sogar der Co-Chef des deutschen Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, in der NZZ vom Samstag, 6. April: «Sie könnten auch den Sprit massiv besteuern, aber so schaffen Sie eine Zweiklassengesellschaft, in der nur die Reichen munter weiter Auto fahren.»

Arme profitieren, Reiche legen drauf

Die gleiche Meinung hört man seit Jahrzehnten an Stammtischen, etwa mit den Worten: «Wenn der Sprit fünf Franken kostet, können sich die Reichen das Autofahren immer noch leisten, wir Normalbürger aber nicht mehr.» Dieser Irrtum ist weit verbreitet, aber es bleibt in der Regel ein Irrtum (ausgenommen bei einer kleinen Minderheit an Leuten mit tiefem Einkommen, die besonders weit und per Auto pendeln müssen). Denn unter dem Strich machen Lenkungsabgaben Arme reicher und Reiche ein bisschen ärmer. Was hier – einmal mehr – zu begründen ist:

Lenkungsabgaben belasten die Energie, die bei der Güterproduktion, beim Wohnen, im Verkehr etc. verbraucht wird, und sie verteuern damit indirekt weitere umweltbelastende Dinge wie CO2-Ausstoss, Bodenverbrauch, Autoverkehr, Flugreisen, etc. Der Ertrag dieser Lenkungsabgabe wird vollständig zurückerstattet, im Idealfall pro Kopf an die Bevölkerung (bei Abgaben, die nicht zurück erstattet werden, handelt es sich nicht um Lenkungs-, sondern um Förderabgaben oder Steuern). Das Prinzip dahinter: Wer mehr natürliche Ressourcen verbraucht als der Durchschnitt, wird finanziell bestraft, wer weniger verbraucht, erhält unter dem Strich mehr Geld, als er oder sie bezahlt.

Damit verbindet sich der ökologische Nutzen mit dem sozialen Ausgleich. Denn zwischen Einkommen respektive finanziellem Vermögen und Verbrauch von natürlichen Ressourcen besteht ein enger Zusammenhang: Je reicher jemand ist, desto stärker belastet er oder sie tendenziell die Umwelt. So konsumieren Leute mit hohem Einkommen in der Regel mehr umweltbelastende und klimarelevante Dinge, konkret: Sie beanspruchen mehr Wohnraum , legen mehr Kilometer im Auto und Flugzeug zurück und kaufen mehr energieintensiv erzeugte Güter oder Dienstleistungen – von der Zweitwohnung übers Zweitauto bis zur luxuriösen Fernreise, etc. Sie verbrauchen damit im Schnitt mehr Energie, sei es Heizöl oder Flugbenzin, und verursachen entsprechend mehr Emissionen von CO2 und anderen klimarelevanten Gasen. Diese Korrelation zwischen hoher Kaufkraft und hohem Naturverbrauch bestätigen neben der Logik auch unzählige Studien.

Kurzum, wenn Lenkungsabgaben eingeführt werden, verlieren Reiche etwas Geld und Arme profitieren. Je höher die Lenkungsabgabe ist, desto höher ist – neben dem ökologischen Nutzen – dieser soziale Ausgleich.

Warum die x-fach wiederholte Fehlinformation?

Bleibt noch eine Frage: Warum verbreiten Fontana, Friedli und viele weitere Medienschaffende weiterhin die Mär von unsozialen Umwelt- und Lenkungsabgaben? Weil sie Knechte der Erdöl-, Auto- oder Luftverkehrslobby sind? Weil sie die Oberschicht vertreten? Ich fürchte, es ist schlimmer: Sie haben trotz jahrzehntelanger Debatte darüber das Prinzip und die Wirkung von Lenkungsabgaben noch immer nicht begriffen.

—-

Nachtrag: Einfaches Beispiel einer Lenkungsabgabe

hpg. Mehrere Leser fragen (siehe «Meinungen»), wie denn eine Lenkungsabgabe in der Praxis funktioniere, und wie es sein könne, dass die einen mehr zahlen und andere, vorwiegend Ärmere, finanziell profitieren. Als Erklärung dazu ein einfaches Beispiel:
Die Bundesverwaltung erhebt auf allen Energieträgern (oder den von ihnen verursachten CO2-Emissionen) eine Lenkungsabgabe. Diese beträgt – zum Beispiel – ein Franken pro Liter Benzin, Liter Kerosen, Liter Heizöl oder den entsprechenden Energiegehalt (CO2-Ausstoss) von weiteren Energieträgern. Diese Abgabe überwälzen die Energieverkäufer auf die jeweiligen Konsumenten, die Tankstellenbetreiber also auf die Automobilisten, die Fluggesellschaften auf die Fluggäste, die Hausbesitzer auf die Mieter, etc. Diese Abgabe kann man auch Öko-Malus nennen.
Der Ertrag aus dieser Lenkungsabgabe fliesst in einen Topf. Pro Jahr sammeln sich in diesem Topf – zum Beispiel – acht Milliarden Franken. Diese acht Milliarden Franken verteilt die Bundesverwaltung Ende Jahr pro Kopf an die Bevölkerung. Für eine Einzelperson ergäbe das rund 1000 Franken; eine vierköpfige Familie erhielte damit ein Weihnachtsgeschenk von 4000 Franken. Diese Rückerstattung kann man auch Öko-Bonus nennen.
Wer während des Jahres mehr Benzin, Heizöl, Kerosen, Erdgas, fossiler Strom etc. konsumiert als der Durchschnitt, muss für die Abgaben pro Jahr mehr als tausend Franken zahlen. Das sind tendenziell die Leute oder Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen. Für sie ist der Öko-Malus also höher als der Öko-Bonus, und damit zahlen sie unter dem Strich drauf.
Wer hingegen wenig oder gar kein Benzin/Kerosen/Heizöl etc. konsumiert, weil er kein Auto besitzt, nicht fliegt, wenig Wohnraum beansprucht und/oder sparsam heizt, zahlt für die Lenkungsabgabe pro Kopf und Jahr weniger als tausend Franken. Damit erhält er mit den tausend Franken Öko-Bonus mehr Geld an Weihnachten, als er während des Jahres in Form von Lenkungsabgaben bezahlt hat.
Weil die ärmere Hälfte der Bevölkerung weniger Energie konsumiert als die reichere, da sie weniger Geld für grosse Autos, Flugreisen, grosse Wohnungen oder Einfamilienhäuser zur Verfügung hat, führt die Lenkungsabgabe zu einer Umverteilung von reich zu arm. Je höher die Lenkungsabgabe ist, desto höher ist der finanzielle Anreiz, weniger Energie zu konsumieren oder weniger CO2 zu verursachen. Und desto grösser wird damit die Differenz pro Person zwischen Öko-Malus, der Vielverbraucher von Energie stärker belastet, und Öko-Bonus, der für alle gleich hoch ist.
***********************************************************
Lesen Sie dazu zusätzlich:

***********************************************************

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Sperber.NurKopf.vonLinks.IS-Hintergrund

Des Sperbers Überblick

Kompaktes Wissen: Hier finden Sie die wichtigsten Fakten und Hintergründe zu relevanten Themen.

3719017725_8c14405266

Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

Bildschirmfoto20111221um18_39_50

Führt Wachstum zu Glück oder Crash?

Geht uns die Arbeit aus, wenn wir nicht ständig mehr konsumieren? Oder sind die Renten in Gefahr?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

24 Meinungen

  • billo
    am 8.04.2019 um 12:01 Uhr
    Permalink

    Wieder einmal Glasklares von Hanspeter Guggenbühl: Würde der Verbrauch an Welt mit einer Lenkungsabgabe belastet, dann erhielten Arme unter dem Strich Geld. Denn wer nicht jeden Euro zweimal umdrehen muss, konsumiert bedenkenlos, verbraucht also mehr Welt, müsste also mehr Lenkungsabgaben in den Topf einzahlen, dessen Summe dann an alle gleichmässig pro Kopf verteilt wird.
    Wer sich gegen Lenkungsabgaben wehrt, hat entweder das Prinzip nicht kapiert – oder will von seinem Reichtum auch nicht ein Bisschen abgaben.
    Ich plädiere seit langem dafür, Lenkungsabgaben auf den ganze Verbrauch an Welt anzuwenden: auch auf die sozial extrem unterschiedlich verteilte Nutzung des Bodens:
    http://www.com-parte.net

  • am 8.04.2019 um 12:10 Uhr
    Permalink

    Es ist natürlich wesentlich, was genau mit der «Lenkungsabgabe» gemacht wird. Wenn es sich um eine reguläre Steuer handelt, hat Robert Habeck recht: es trifft die Armen relativ stärker als die Reichen, wenn auch absolut weniger. Selbst wenn das eingenommene Geld zweckgebunden verwendet wird, z.B. für die Subventionierung von Elektroladestationen oder Biogasanlage, trifft das zu. Wenn das Geld aber breit verteilt wird, z.B. die Krankenkassenprämien verbilligt werden, wie das in der Schweiz z.B bei 2/3 der CO2-Abgabe gemacht wird, oder die ANV erhöht wird, profitieren die Armen relativ mehr als die Reichen und überhaupt alle, die weniger als der Durchschnitt vom betreffenden Gut konsumieren.

    Der kleine Unterschied ist wesentlich, aber doch nicht schwierig zu verstehen. Vermutlich wird das Prinzip nicht im notwendigen Ausmass angewendet, weil die herrschenden Bürgerlichen und Wirtschaftskräfte und deren Sichtweisen die aus ihrer Sicht Untüchtigen nicht aufsteigen lassen wollen, und nicht bereit sind, die wahren Kosten für ihre eigenen Lebensweisen zu zahlen.

  • am 8.04.2019 um 12:27 Uhr
    Permalink

    Die Logik stimmt. Aber Lenkungsabgaben nähren die Illusion, damit sei das Problem gelöst. Jedoch fliegt so kein Flugzeug weniger. Und Reiche flögen munter weiter. Wichtiger wäre der Verzicht. Und der ist nur über die Kostenwahrheit zu erreichen. Der soziale Ausgleich müsste über die Lohngerechtigkeit gesucht werden – und über die Ächtung überrissener Lohngefälle in den Unternehmen.

  • am 8.04.2019 um 14:07 Uhr
    Permalink

    Papier (auch in digitaler Form) nimmt noch immer alles an – ganz nach Überzeugung oder Lust und Laune der Verfasser. Wo bleibt jeweils die kritisch objektive Vernunft?

  • am 8.04.2019 um 14:37 Uhr
    Permalink

    Lenkungsabgaben sind das Mittel der Wahl für Liberale. Jeder kann dort CO2 vermeiden wo es für ihn am besten passt. Die Alternative zu Lenkungsabgaben sind Subventionen, und die sind immer der Ersatz des Marktes durch den Irrtum.
    Als Lenkungsabgabe wurde ursprünglich auch die CO2 Abgabe aufgegleist. Bald danach wurde aber ein Teil der Abgabe nicht mehr rückerstattet, sondern in Subventionen und andere Massnahmen umgeleitet. Seit diesem Sündenfall ist die CO2 Abgabe teilweise eine Steuer geworden und bei Liberalen in Misskredit geraten. SVP und FDP werden gerne gescholten, sie seien die Totengräber des CO2 Gesetzes im Parlament gewesen. Kein Wunder, wollte die Vorlage doch den Teil der Gelder noch erhöhen, die nicht zurückerstattet sondern in Subventionen umgeleitet werden sollen.
    Die Lösung die auch Liberale mittragen können wäre: Streichung aller Subventionen, Streichung der Gelder für das ständige Brainwashing durch BFE und Konsorten, dafür Einführung einer reinen CO2-Lenkungsabgabe, die auch hoch sein kann. Das wäre effizienter, billiger und liberaler als das heutige System von Subventionstöpfen, wo eine Gruppe von Geldverteilern allen anderen vorschreibt, was als gut zu gelten hat.

  • am 8.04.2019 um 15:37 Uhr
    Permalink

    Hanspeter Guggenbühl widerlegt klar das Argument «Lenkungsabgaben täten Armen mehr weh als Reichen.»

    Ich denke mit höheren Energiepreisen, für Benzin, Diesel und Flugzeugbenzin würde vermutlich allgemein weniger Auto gefahren und weniger geflogen, genauso wie weniger geraucht oder Alkohol getrunken wird, wenn Tabakwaren und alkoholische Getränke teurer werden und wenn keine Reklame mehr für diese Suchtmittel gemacht würde.

    Heute kostet der Import von Erdölprodukten zum Autofahren und zum Heizen etwa neun Milliarden Franken pro Jahr. Volkswirtschaftlich wäre es sinnvoller einen Teil dieser Milliarden einzusparen, durch die eine Energieproduktion im Inland, durch Solar- Wind- Erdwärmenergie.

    In Zürich könnte auch noch Energie gespart werden, wenn keine Hochhäuser mehr gebaut werden. Ein Hochhaus verbraucht 20 bis 30 Prozent mehr Ressourcen für den Bau und dann für den Betrieb, als Häuser bis zu sechs Stockwerken. Für Familien mit Kindern sind Wohnhochhäusern sowieso nicht geeignet.

    Die Pensionskasse der Stadt Zürich könnte darauf verzichten ihre Gelder weiterhin in die Rüstungsindustrie zu investieren und stattdessen das Geld in Produktionsanlagen von grüner Energie anlegen. Auch meine SBB Pensionskasse, die sogar in Firmen investiert die an der Produktion von nach Schweizer Gesetzen verbotenen Waffen beteiligt ist, (Atombomben, Streubomben un Antipersonenminen), könnte endlich ihre Gelder um umweltfreundlich anlegen.

  • am 8.04.2019 um 15:38 Uhr
    Permalink

    Da würde mich aber doch noch etwas genauer interessieren, auf welchem Weg der Mieter die zukünftige Lenkungsabgabe für das Heizöl welches sein Hausbesitzer als Nebenkosten abrechnet, zurückerstattet bekommt?
    ANTWORT DES VERFASSERS: Wie erwähnt als Rückerstattung. Technisch funktioniert die Rückerstattung zum Beispiel via emtsprechende Reduktion der Krankenkassenrechnung. Wenn der Mieter weniger fossile Energie verbraucht als der Durchnitt der Bevölkerung, zum Beispiel weil er sich im Unterschied zu reichen Leuten nur eine kleine Wohnung mit entsprechend tiefem Heizölverbrauch und keine Fernflüge leistet (leisten kann), bekommt er mehr Geld zurück, als er über die Abgabe auf dem Heizöl bezahlt. Hanspeter Guggenbühl

  • am 8.04.2019 um 16:07 Uhr
    Permalink

    Danke für die wichtigen Infos zu Lenkungsabgaben vs. Steuern! War mir vorher nicht so klar, möchte aber zu bedenken geben, dass viele Menschen nicht so recht glauben können (wollen), dass dann wirklich einmal Geld zurückkommt, wenn man bescheidener lebt. Sie fragen sich, wo der Haken dabei ist, denn vom Staat Geld zu bekommen, ist eine Erfahrung, die die wenigsten von uns schon gemacht haben.

  • am 8.04.2019 um 16:50 Uhr
    Permalink

    "Warum verbreiten viele Medienschaffende (…) die Mär von unsozialen (…) Lenkungsabgaben?» Auch ich bin der Meinung: Weil sie das Prinzip noch immer nicht begriffen haben!! Schon Frederic Vester hat versucht (z.B. mit dem Spiel «Ökolopoly"), den Menschen die Ideen von Rückkopplungen und nicht-linearen Zusammenhängen verständlich zu machen … leider waren diese Versuche nicht von grossem Erfolg gekrönt. Das wirkt sich nach wie vor aus: Eine «je … desto …"-Beziehung ist in der Regel gerade noch nachvollziehbar; mehr geht den meisten Leuten nicht in den Kopf.

  • am 8.04.2019 um 17:09 Uhr
    Permalink

    »…noch immer nicht begriffen"? Oder nicht begreifen wollen? Politik ist ein derart korruptes, primitives Geschäft, dass junge noch geradlinig denkfähige Menschen auf die Strasse gehen müssen, um all den «erfahrenen» Interessenvertretern zu signalisieren, dass ihre Verlogenheit durchschaut wird. Etwa Parteipräsidenten, die in mehreren Verwaltungsräten der Energielobby sitzen.

  • am 8.04.2019 um 20:14 Uhr
    Permalink

    Ja, man kann es wahrscheinlich nicht oft genug wiederholen.

    Die Leute, die mit der sozialen Ungerechtigkeit argumentieren, wollen in erster Linie diese Abgabe gar nicht. Vermutlich sitzt auch noch das Gespenst der Gelbwesten in deren Knochen. Nur wird in Frankreich eben gerade nicht umverteilt und daher protestieren die Gelbwesten (teilweise) zu Recht.

    Ich bin der Meinung, dass man die Lenkungsabgabe über einige Jahre verteilt soweit steigern sollte, bis man bei der Umverteilung von einem ökologischen Grundeinkommen sprechen könnte.

  • am 8.04.2019 um 21:42 Uhr
    Permalink

    @Chr. Fivian: Mit den Lenkungsabgaben soll der Verbrauch reduziert werden. Man kann nicht mehr billig übers Wochenende schnell nach London jetten oder mit dem Auto am Sonntag einen «Ausflug» von Basel nach Lugano machen. Ist dieses Verhalten erstrebenswert, ein Zeichen von Wohlstand, Lebensqualität? Einige Reiche werden es zwar weiterhin tun auch wenn es ein Vielfaches kostet.
    Wichtig ist aber, diese Lenkungsabgaben dürfen nicht im Staatsbudget verschwinden sondern sind pro Kopf zu verteilen.

  • am 9.04.2019 um 04:32 Uhr
    Permalink

    Der von mir hochgeschätzte Guggenbühl vertritt die Lenkungsabgaben als Allheilmittel. Tönt auch gut und wäre auch gut. Wo aber bitteschön funktionieren Lenkungsabgaben als Umlenkung? Wo und wie erhalte ich durch die Verteuerung der Flugbillette und des Benzins und des Heizöls Geld zurück? Was hier im Beitrag dargestellt wird, ist reines deklamatorisches, schönrednerisches Wunschdenken in Verbindung mit verquerer Pseudologik.
    Um grüne Anliegen durchzusetzen, müssen andere Mittel u Formen gefunden werden. Die Lenkungsabgabe macht Arme ärmer und schont Vielverbraucher und sind somit sogar noch weniger und minderwertiger als Symptombekämpfung. Wer Lenkungsabgaben erbringt und Geld hat, kann sein Gewissen beruhigen und weiter dem Missbrauch fröhnen. Beispiel: Lenkungsabgaben bei Kindsmissbrauch in Thailand. Nur schon darüber nachzudenken entlarvt diese hohle Massnahme.

  • am 9.04.2019 um 13:48 Uhr
    Permalink

    Die sogennannten «externen Kosten», ausserhalb der betriebswirtschaftlichen Rechnung, sind gesamtgesellschaftlich zu berücksichtigen.
    Wofür werden die Lenkungsabgaben verwendet ?
    Das sollte auch konstruktiv diskutiert werden.
    Z.B. für eine negative Einkommenssteuer für die untersten 20% beim Einkommen und eben in die Anschubfinanzierung zum Schutz der Lebensgrundlagen ?
    Gerade wenn die Argumente der kleineren Zahl von Hocheinkommensstarken gelten, dass die sich ihr Luxusleben und die Verschwendung trotz hoher Lenkungsabgaben weiterhin leicht leisten können, ist eine Umver

  • am 9.04.2019 um 17:16 Uhr
    Permalink

    Mich beschäftigt nach wie vor die Frage nach der technischen Umsetzung. Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja nicht einfach darum, Wohnraum, fossile Brennstoffe, Flüge etc. pauschal zu verteuern. Vielmehr ginge es darum, dass jene, die weniger von diesen Gütern „beziehen“, eine Gutschrift erhalten, zum Beispiel via Krankenkassenprämie. Jene mit hohem Verbrauch müssen (auf welche Art? Über einen staatlich beauftragten „Eintreiber“ ähnlich der Serafe?) einen Mehrbetrag bezahlen. Alleine: wie wird der jeweilige Verbrauch gemessen? Es müsste ja eine Behörde Buch darüber führen, wie viele Kilometer ich mit meinem Auto fahre (wieviel Kraftstoff ich verbrauche), wie oft (bzw. wie weit) ich fliege (geschäftlich, privat?), wie viel wie gut isolierten Wohnraum ich belege. Können Sie, Herr Guggenbühl, einen konkreten Ansatz skizzieren, wie das in der Praxis aussehen könnte? Falls es eine solche praxistaugliche Lösung gibt, bin ich sehr für diesen Ansatz. Mich dünkt es bis dahin aber doch wahrscheinlicher, dass man Flüge, Benzin, Heizöl etc. einfach verteuert, über eine Lenkungsabgabe genannte Steuer. Und dann ist der wenig Verdienende, der/die 5 Fr. für 1 l Benzin zahlen muss, dessen/deren Flug plötzlich doppelt so teuer ist, eben doch der, der am härtesten getroffen wird. Weil er oder sie sich den Luxus der Mobilität einfach nicht mehr leisten kann, während jene, mit genügend finanziellen Mitteln die Preiserhöhung einfach mit gezückter Kreditkarte weglächeln.

    ANTWORT DES VERFASSERS: Lesen Sie dazu meinen Nachtrag am Schluss meines Artikels. Hanspeter Guggenbühl

  • am 9.04.2019 um 19:04 Uhr
    Permalink

    In der Schweiz dürfte das Konzept «Lenkungsabgabe» ja noch einigermaßen bekannt sein und verstanden werden.

    Leider ist das z. B. in Deutschland nicht der Fall: Traditionell ist der Hang des Staates, einzugreifen mit Steuern und gelenkten Subventionen groß.

    Das führt dann zu undifferenzierten Ansichten: Kürzlich hatte ein Gründer (Dieter Janecek) ein Kontingent pro Kopf für Flugreisen gefordert (3 Flüge und nicht mehr). Alles schreit: «Grüne = Verbotspartei» (Ist ja auch berechtigt in diesem Punkt…) Andere Grüne pfiffen ihn zurück und schlugen eine hohe CO2 Abgabe vor (die ja dann die kleinen Budget trifft v.a.).

    Keiner der Beteiligten kam auf die Idee einer Lenkungsabgabe, die ja beide Aspekte verbindet….

  • am 10.04.2019 um 12:23 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für den Nachtrag, der es sehr anschaulich macht und auch erklärt, weshalb das Prinzip bei den heutigen politischen Mehrheiten kaum angewendet wird. Es ist eine Umverteilung von reich zu arm, wie auch progressive Einkommensteuern, und genau das wollen die Herrschenden und die ihnen hörigen nicht, weil sie reich bleiben wollen, und viele weil sie diese Art der Umverteilung ideologisch ablehnen. Aber wenigstens ersteres dürfen sie nicht zugeben, und deshalb behaupten sie das Gegenteil von dem was ist.

    Und der ärmere Teil der Bevölkerung, der die Mehrheit hat, kapiert es wohl nicht und lässt sich blenden. So hat es Macron in Frankreich fertig gebracht, die Reichen weiterhin mit generellen Steuersenkungen zu bevorzugen, und die «Gilets Jaunes» merken vermutlich nicht, dass damit die Umverteilung arm zu reich zunimmt, und sind froh, dass der Benzinpreis doch nicht steigt. Es wäre spannend gewesen, wenn Macron von Anfang an auf ein Oekobonus-System beim Benzin gesetzt hätte. Hätte es die «Gilets Jaunes» überhaupt gegeben, oder hätten sie es nicht kapiert?

  • am 15.04.2019 um 23:13 Uhr
    Permalink

    Zum Nachtrag:
    Wenn die Reichen , die mehr fliegen, mehr zahlen, funktioniert es mit der Umverteilung von oben nach unten. Die Armen, die weniger fliegen, haben mehr Geld. Nur: Das funktioniert nur, wenn die Reichen trotz höheren Kosten weiterhin so viel fliegen; und das ist ja nicht der Zweck. Undn wenn die Armen dann mehr Geld haben, brauchen auch sie nicht weniger zu fliegen, weil sie nun mehr Geld haben, um die höheren Preise zu zahlen.
    Erfülllt die Lenkungsabgabe ihren Zweck und fliegen die Reichen nun wirklich weniger, gibt es aber weniger oder kein Geld mehr, um an die Armen zu verteilen. Mit der Umverteilung wird nichts und die Armen mussen für gleich viel Fliegen mehr bezahlen als früher und sie werden nicht reicher. Beides – Uverteilung UND Reduktion des Fliegens – geht nicht.
    Man könnte aber auch die Meinung vertreten, wenn die Reichen weniger herumjetten sollen, sollen auch die Armen weniger fliegen.

  • am 20.04.2019 um 13:32 Uhr
    Permalink

    @ Martin Sauser: Der letzte Satz stimmt natürlich: ALLE müssen weniger fliegen. Umverteilung UND Reduktion des Fliegens geht schon, hängt aber natürlich davon ab, wie es gemacht und quantifiziert wird. Trotz allem wird ja viel mehr NICHT-Geflogen als geflogen. Und es geht ja nicht nur um arm und reich sondern auch um die Mitte. Und auch Reiche haben ein Gefühl für Preis/Leistungsverhältnis.

    Es wäre eine spannende Aufgabe, eine Simulation zu programmieren, wo sich die Auswirkungen von verschiedenen Oekobonus-Grössen untersuchen liessen.

  • am 2.05.2019 um 18:42 Uhr
    Permalink

    Der Beitrag ignoriert doch die Hauptfrage, inwiefern es plausibel ist, dass Lenkungsabgaben genügend Wirkung entfalten könnten.
    Bis weit in die Mittelklasse hinein könnten die Preise weiterhin achselzuckend bezahlt werden, das CO2-Problem bestünde weiter. Im Effekt könnte die Unterschicht durch die Rückverteilung vermehrt fliegen … Konsequent die Haltung Marcel Hänggis: Definition der zeitlich rasch fortschreitende Reduktion der Flugkilometer und deren gleichmässige Verteilung an die Bevölkerung.

  • am 15.05.2019 um 12:37 Uhr
    Permalink

    Da das Klima ja die gesamte Menschheit betrifft, eine Frage einmal an alle die hier diskutieren, was haben Milliarden Menschen davon, wenn täglich noch immer ca. 100 Tsd. Kinder an Hunger und deren Folgen sterben?

    Was haben ca. 2 Milliarden Menschen davon, die bis heute keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser haben? Der Westen produziert heute so viel Lebensmittel, und könnte damit locker 12 Milliarden Menschen ernähren? Aber statt dessen werden alleine in der EU Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen? Warum fängt man nicht erst da einmal an, wo sofort Einsparungen ersichtlich wären? Alleine die 25 größten Frachtschiffe auf dieser Erde verpesten die Luft mehr als alle PKW auf der Erde zusammen. Weil sie mit Schweröl fahren, was ja ein Abfallprodukt der Ölindustrie ist. Oder, es gibt weltweit täglich Millionen Starts und Landungen, warum kann man hier nicht auch einmal ansetzen? Oder die Kreuzfahrt Industrie, welche bis heute nicht gezwungen werden, in den Häfen Land Strom zu beziehen? Im Übrigen, was würde es wohl für die Umwelt bringen, für die Umwelt, wenn alle illegalen Kriege sofort gestoppt werden? Wenn dies erreicht wurde, wären die Welt und das Klima schon wesentlich sauberer. Fangt an den öffentlichen Nahverkehr nicht nur in den Städten, auch auf dem Lande wieder auszubauen, damit auch jeder von einem Ort zum nächsten ohne Auto. Verdammt jeglichen Schwerlastverkehr aus den Städten auf die Schiene. Davon lese ich hier aber überall sehr wenig. Warum eigentlich?

  • am 22.11.2019 um 14:44 Uhr
    Permalink

    Solange die Rückerstattung der Lenkungsabgabe unter dem Wahrnehmungsradar der Leute bleibt, ist es relativ einfach, nur die erhöhten Ausgaben ins Spotlicht zu zerren. Deshalb braucht es einen Rückerstattungsmodus, den wir als Privatpersonen auch wahrnehmen. Das hängt auch mit der Höhe des Rückerstattungsbetrages ab. Wenn die Rückerstattung plötzlich höher ist als meine jährliche Krankenkassenprämie, dürfte mir das kaum verborgen bleiben. Davon sind wir noch weit entfernt (2020 erhält jede Person 77.40 Fr. Rückerstattung für die CO2- und VOC-Abgabe). Da die Rückverteilung via Krankenkassenprämie administrativ schlank und sinnvoll ist, sehe ich den Bund in der Pflicht, jedes Jahr den neuen Rückverteilungsbetrag prominent zu kommunizieren (Plakate, TV-Spots, soziale Medien). Da ist es gerechtfertigt, wenn er dafür einige Millionen von der Rückerstattungssumme abzwackt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...