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Jarid Svraka von Swissport tankt 2016 mit einem 20 Prozent-Anteil Agrartreibstoff © cc

Grüne Flugzeuge sind hochfliegende Träume

Judith Hochstrasser, higgs /  An ökologischem Flugbenzin wird fleissig geforscht. Bis die grünen Flugzeuge abheben, dürfte es allerdings noch viele Jahre dauern.

«Flugzeug-Treibstoff aus Pflanzenabfällen», so die frohe Botschaft des deutschen Wissenschaftmagazins Scinexx diese Woche. Was gut klingt, entpuppt sich rasch nur als kleiner Schritt für die Menschheit: Forschende in China haben lediglich eine neue Methode entwickelt, mit der Treibstoff aus Pflanzen wie Stroh, Maisstängel oder Sägemehl erzeugt werden kann. Dieser könnte wirtschaftlicher sein als herkömmliches Biokerosin. Doch der neue Weg hat seine Tücken: Er braucht ein hochgiftiges Lösungsmittel.

Vorsicht bei Hypes
Man ist also noch weit weg von einer ökologisch wie wirtschaftlich überzeugenden Alternative zu Kerosin aus fossilen Brennstoffen. Dabei wäre diese dringend nötig. Denn Flugzeuge haben immerhin einen Anteil von 2 Prozent am weltweiten Treibhausgasausstoss – Tendenz steigend. Deswegen will ein Emissionshandelssystem der EU, mit dem die Schweiz ab nächstem Jahr verbunden werden soll, Flugverkehrsunternehmen zur Einsparung von CO2 zwingen. Sie müssen dann ein Zertifikat für den CO2-Ausstoss besitzen.

Tödlich, weil sparsamer?

Die grossen Flugzeughersteller Airbus und Boeing liefern sich seit Jahren ein Duell, um dem Konkurrenten mit treibstoffsparender Technik davonfliegen zu können. Ein ökonomisches Triebwerk, das an der Boeing 737 MAX angebracht wurde, könnte ein Grund für die kurz hintereinander erfolgten Abstürze einer solchen Maschine in Indonesien und Äthiopien sein.

Schon 2010 gelang Airbus mit dem Kurz- und Mittelstreckenflugzeug A320neo, die Herstellung eines Modells mit sparsameren Triebwerken. Auch Boeing setzte dann ähnliche Triebwerke am Typ Boeing 737 MAX ein, der am 29. Januar 2016 zum ersten Mal vom Boden abhob. Die neuen Triebwerke sind deutlich grösser als die bisher genutzten und mussten deswegen viel weiter vorne statt wie bis anhin ganz unter den Tragflächen des Flugzeugs angebracht werden. Diese neuen Triebwerke erzeugen beim Start 16 Prozent mehr Schub als die des Vorgängermodells, und durch ihre Lage fast vor den Tragflächen wird die Nase des Flugzeugs nach oben gedrückt.

Um diesem Effekt entgegenzuwirken, wurde dem neuen Flieger ein Computerprogramm eingebaut, das dafür sorgt, dass die Nase in einem solchen Fall wiederum nach unten gedrückt wird. Die Software mit dem Namen «Maneuvering Characteristics Augmentation System» MCAS könnte mit Grund für die Abstürze der beiden Boeing 737 MAX gewesen sein.

Im Geschäft mit Flugzeugen ist neben Biotreibstoff, der schlicht noch immer zu teuer und rar ist für eine Anwendung im grossen Stil, der Elektroantrieb in aller Munde: So brüstet sich etwa Easyjet damit, noch dieses Jahr einen E-Prototypen zu testen und bis 2030 mit grossen Maschinen elektrisch zu fliegen. Das hält Michel Guillaume, Leiter des Zentrums für Aviatik an der ZHAW, für unmöglich.
«Wenn ein Hype um solche Lösungen entsteht, muss man immer fragen: Wo steht die Entwicklung wirklich?» Und er rechnet vor, warum er am grossen E-Flugzeug zweifelt: Ein Airbus 320 zum Beispiel würde mit einer Batterie, die für 2’000 bis 3’000 Kilometer reicht, 100 Tonnen wiegen. «Das ist fast doppelt soviel wie das aktuelle Abfluggewicht eines Airbus 320.» Guillaume meint aber, dass ab 2030 die ersten realistischen Konzepte für grössere Elektroflieger bereit sein könnten.

Zurück zur Grundlagenforschung
Sowohl der europäische Flugzeughersteller Airbus als auch sein nimmermüder amerikanischer Konkurrent Boeing arbeiten derzeit an Hybridfliegern, die Langstrecken mit Strom und Kerosin bewältigen könnten. An solche Varianten glaubt Guillaume eher, doch grundsätzlich sieht er nur eine Hoffnung für das grüne Flugzeug der Zukunft: «Wir müssen zurück zur Grundlagenforschung». Es seien völlig neue Formen nötig, nicht mehr die altbekannte Version «Röhre mit Flügeln». «Doch dafür braucht es mehr Geld und weniger Zeitdruck». Ausserdem müsse man «out of the box» denken und das Problem ganzheitlich betrachten. So müsse sich Europa fragen: «Für welche Strecke soll der Zug genommen werden? Ab welcher Distanz der Flieger? Vielleicht ja erst ab Distanzen von 1000 Kilometern.»

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Keine. Den Beitrag haben wir von higgs.ch, dem unabhängigen Magazin für Wissen in der Schweiz, übernommen.

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