Der Einfluss der Stromlobby in Bundesbern bröckelt
Trotzig schmettert der «Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen» (VSE) in seiner neusten Medienmitteilung zum Wasserzins seine altbekannten Forderungen in die Öffentlichkeit: Die Senkung der Wasserzinsen auf maximal 80 Fr/kW und eine gesetzliche Verankerung der Flexibilisierung.
Vergeblich, denn die Energiekommission des Nationalrats zeigt dafür kein Gehör. Trotz jahrelangem Trommelfeuer des VSE will die nationalrätliche Energiekommission am jetzigen Wasserzins-Maximum von 110 Fr/kW bis 2024 festhalten und weigert sich zudem, Rahmenbedingungen für ein zukünftiges, flexibles Wasserzinsmodell ins Wasserrechtsgesetz aufzunehmen. Zur Freude der Wasserschloss-Kantone, zum Ärger des VSE.
Stromlobby scheitert und jammert
Wohl versuchte eine Minderheit der Energiekommission im Interesse der Strombranche, das Steuer noch herumzureissen, aber sie scheiterte kläglich. Das ist besonders schmerzhaft, weil auch einer ihrer Ober-Lobbyisten in der Energiekommission des Nationalrats sitzt, nämlich SVP-Präsident Albert Rösti, der gleichzeitig Präsident des «Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes» (SWV) ist, dem anderen grossen Interessenverband der Wasserkraft.
In der erwähnten Medienmitteilung lassen der VSE und sein Direktor Michael Frank ihrem Katzenjammer freien Lauf:
- «Wir sind enttäuscht, dass damit die Zeichen der Zeit verkannt wurden.»
- «Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE bedauert, dass damit einmal mehr die Chance verpasst wird, das über hundertjährige System in die Realität des 21. Jahrhunderts zu holen und damit die Wasserkraft zu entlasten.»
- «Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE bedauert diesen Rückschritt.»
- «Die Schweizer Wasserkraft wird damit als tragende Säule der Energiestrategie 2050 weiterhin an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.»
Spitzkehre des Bundesrats
Einen besonders harten Kinnhaken musste die Stromlobby bereits vor bald einem Jahr einstecken. Geläutert durch die Vernehmlassungsantworten der Kantone und Gemeinden schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft vom Mai 2018 zur Revision des Wasserrechtsgesetzes:
«Die Mehrheit der Kantone und der Gemeinden ist der Meinung, dass nicht der Wasserzins, sondern vielmehr politische und unternehmerische Fehlentscheide für allfällige Defizite der Betreiber verantwortlich seien und dass eine Senkung des Wasserzinses keinen problembezogenen Beitrag zur Korrektur der Verwerfungen im schweizerischen Strommarkt leiste.»
Auf Geheiss der Mehrheit der Kantone und der Gemeinden musste also der Bundesrat und mit ihm das zuständige «Bundesamt für Energie» (BFE) innert eines Jahres eine regelrechte Spitzkehre vornehmen. Noch im Juni 2017 knickte nämlich die damalige Energieministerin Doris Leuthard vor dem intensiven Lobbying der Strombranche ein und präsentierte eine erste Gesetzesvorlage ganz nach dem Gusto des VSE und des SWV: In einer Übergangszeit bis 2022 sollten die Wasserzinsen von 550 auf 400 Millionen Franken sinken und danach gemäss Flexibilisierungsmodell im Extremfall bis auf 250 Millionen. «Ein Schritt in die richtige Richtung», klatschte der VSE Beifall.
Wasserkraft-Lobby fütterte Bundesbern
Was war passiert? Im Vorfeld der Wasserzins-Diskussion fütterten die Lobbyisten des VSE und des SWV das federführende «Bundesamt für Energie» (BFE) und die Energiekommission des Nationalrats mit ihren Wasserzins-Modellen und Senkungs-Forderungen. Es gab sogar einen direkten Draht ins BFE, wie Infosperber berichtete.
Doch dann kam die Lawine gegen die Strombarone ins Rollen. Zuerst wurde das Märchen der unrentablen Wasserkraft, das die Strombarone den PolitikerInnen und den Medien eingetrichtert hatten, entzaubert. Dann setzten die aufmüpfigen Bündner Konzessionsgemeinden dem einseitigen Lobbying der Stromwirtschaft ihre Gegenkampagne entgegen. Schliesslich liess sich die Mehrheit der kantonalen und eidgenössischen PolitikerInnen nicht länger von der Stromwirtschaft einseifen.
Dieser jüngste Kampf der Gebirgskantone gegen die Stromwirtschaft zeigte Wirkung. Dabei handelt es sich um ein Schulbeispiel dafür, wie eine einflussreiche, eigenmächtige Lobby, die ihren Parlamentsvertretern jahrzehntelang saftige VR-Mandate garantierte, in die Schranken gewiesen werden kann.
Als nächste Etappe im Wasserzins-Streit folgt die Debatte im Nationalrat.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Das Lamento der Strombarone ist völlig deplatziert. Die Defizite der Kraftwerkbetreiber sind hausgemacht, sind die logische Folge von bisweilen geradezu grotesken planerischen Fehlentscheiden. Den Inbegriff von solch krassem unternehmerischem Versagen haben die Kraftwerke Linth-Limmern AG mit ihrem Pumpspeicherwerk Muttsee geliefert, mit welchem die Axpo sage und schreibe zwei Milliarden (!) Franken in den Sand gesetzt hat ! Nein, die Klatsche welche die Wasserkraft-Lobbyisten in Bundesbern eingefangen haben, ist mehr als verdient; ist die gerechte Strafe für verantwortungslose spekulative Energieversorgungsplanung !
Herr Marti,
Herzlichen Dank für Ihren Einsatz. Sie haben mit Ihrem Egagement hauptsächlich dazu beigetragen, dass dieses Lobbing aufflog.
Bleiben Sie weiter dran.
Viel Erfolg.
Wohin sind sie denn von Bern hingezügelt ?
Herr Marti, zu dieser Meinungsfindung und zu dieser Entwicklung haben Sie meines Erachtens massgebend mit Ihrer bravourösen Hartnäckigkeit, das Thema am leben zu erhalten, Ihren minutiösen Recherchen und Ihren unerschrocken geschriebenen Reportagen, Berichten und Kommentaren beigetragen. Vielen Dank Ihnen und auch Infosperber als publizierende Plattform.
@ Knupfer-Müller: Sie schreiben, in krassem unternehmerischem Versagen hätten die Kraftwerke Linth-Limmern AG mit ihrem Pumpspeicherwerk Muttsee zwei Milliarden Franken in den Sand gesetzt. In den Sand gesetzt?
Solange als es keine effiziente und kostengünstige Speichermöglichkeit für den Flatterstrom gibt, den Windrädli und Sonnenzellen unregelmässig ins Netz speisen, muss man froh sein um Pumpspeicherwerke, die sich als Alternative zur Stromvernichtung anbieten, wie sie z.B. in Deutschland im Sommer mit der Heizung von DB-Schienenweichen praktiziert wird. Ich esse in zehn Jahren meinen Hut, wenn Sie angesichts der sich allmählich abzeichnenden grotesken Fehlannahmen der geplanten Energiewende dann immer noch von einem «grotesken planerischen Fehlentscheid» reden können.