Unwetterwarnung_20181029

Am 29. Oktober wussten die Tessiner, dass es kritisch wird – dank Meteo Schweiz © Metteo Schweiz

Willkommener Service public im Tessin – zum Beispiel Warnungen

Christian Müller /  Extreme Wetterlagen werden tendenziell zunehmen. Umso wichtiger wird der Service public für rechtzeitige Prognosen und Warnungen.

Neoliberale und erst recht libertäre Kreise versuchen mit zunehmendem Druck, staatliche – sprich: gemeinschaftliche – Dienstleistungen abzubauen. Erinnert sei vor allem an die Initiative «No Billag», die die Schliessung der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernseh-Gesellschaft zum Ziele hatte. Aber auch die Post, früher einmal allein zuständig für die Hauszustellung von Briefen und Paketen zum einheitlichen Tarif, ob innerhalb einer Stadt oder hoch hinauf auf eine Alp, wird zunehmend eingeengt, damit profitable Teile dieser Dienstleistungen von privaten Firmen übernommen werden können. Und neuerdings fordert sogar Alt-SBB-Übervater Benedikt Weibel, den Begriff «Service public» zu liquidieren.

Aber es gibt auch Service public, der weniger gefährdet ist, weil er kostet und weil damit kaum Geld verdient werden kann. Dazu gehören zum Beispiel Meteo Schweiz, der Wasserdaten-Service Hydrodaten und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF.

Dass diese Dienstleistungen, dieser echte Service public, getragen vom Staat, zum Vorteil aller, ohne Unterschied nach Wohnort und/oder Geldbeutel, eine gute Sache ist, erleben seit ein paar Tagen in besonderem Masse die Tessiner. Nach einem heissen und wunderbaren Sommer und einem nachgerade phantastischen Herbst mit weiterhin viel Sonne kam plötzlich die Warnung: Regen, Regen, Regen mit Gewittern, Regen (siehe das Bild oben vom 29. Oktober 2018). Ein Service public von Meteo Schweiz.

Was dann tatsächlich geschah, kann man in einem weiteren, wenig bekannten Service public, dem Internet-Portal Hydrodaten, ablesen. Hier sieht man zum Beispiel, dass die Tresa, der kleine, nur etwa 13 km lange Fluss, der den Luganersee in den 80 Meter tiefer liegenden Lago Maggiore entwässert, innerhalb von drei Tagen vom Rinnsal zum reissenden Strom angewachsen ist. Brachte die Tresa am 27. Oktober noch etwa 4 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zu Tal, so waren es am 30. Oktober fast zwanzigmal mehr, nämlich gut 70 Kubikmeter pro Sekunde.

Zur Grafik: Der Fluss Tresa zwischen Ponte Tresa am Luganersee und Luino/Germignaga am Lago Maggiore Ende Oktober 2018. Die rote Linie zeigt die Wassertemperatur, die schwarze Linie den Wasserstand in Metern an der Stelle der Messstation, die blaue Linie die durchfliessende Wassermasse in Kubikmetern pro Sekunde.

Und natürlich kann man dann auch sehen, wohin diese gewaltigen Wassermassen fliessen – mit Auswirkungen: Der riesige, 212 Quadratkilometer grosse Lago Maggiore stieg innerhalb kürzester Zeit um gute drei Meter an.

Zur Grafik: Während der Wasserstand des Lago Maggiore den ganzen Herbst recht konstant blieb, stieg er nach dem Einsetzen des noch immer andauernden Regens am 27. Oktober unvermittelt an, innerhalb von ganz wenigen Tagen um volle drei Meter.

Und man kann die Bewegungen des Wasserstandes dauernd beobachten. Heute, am 9. November, kann man sehen, dass bis zur obersten Gefahrenstufe 5 nur noch etwas mehr als ein Meter fehlt. Immerhin fliesst seit ein paar Stunden wieder mehr ab als neu dazukommt.

Auch im Tessin ist man überzeugt, dass es immer öfter zu extremen Wetterlagen kommen wird. Ein Haus im Malcantone an der Strasse von Astano nach Novaggio, das von einer niedergehenden Mure weggespült wurde und die Bewohner, eine Frau mit einem Kind, unter sich begraben hat, ist noch nicht vergessen.

Zum Bild: Das kleine Einfamilienhaus im Malcantone wurde im Januar 2015 in Minutenschnelle weggerissen und in einen Trümmerhaufen verwandelt – mit zwei Todesopfern.

Und es kam im heissen Sommer 2018 auch zu mehr Bergunfällen, wie die Medien übereinstimmend berichteten. Auch dazu gibt es einen kleinen Service public: die Schweizer Polizei unterhält eine Website, auf der die Bergunfälle einzeln aufgeführt werden – nicht aus Sensationslust, sondern in der Hoffnung, dass die Leute, die in den Bergen wohnen oder die gerne in den Bergen wandern gehen, daraus etwas lernen und sich besser vorsehen können.

All diese Dienstleistungen im Sinne der Information sind ein echter Service public – eine Dienstleistung des Staates für uns alle, für die Gemeinschaft. Darauf wollen wir nicht verzichten, und wir wollen deshalb auch den Begriff «Service public» nicht abgeschafft haben, wie Benedikt Weibel das fordert.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Tram_1_Basel

Was alles zum Service public gehört

Wo hören Privatisierungen auf? Was muss unter Kontrolle des Staates bleiben? Wo genügt strenge Regulierung?

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