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Viele amtliche Dokumente sind trotz Öffentlichkeitsprinzip online nicht zugänglich © cc

Volk verteidigt das Öffentlichkeitsprinzip

Urs P. Gasche /  Die grossen Parteien Schaffhausens wollten die öffentliche Akteneinsicht mit einer Verordnung aushebeln. Ohne Erfolg.

Das Öffentlichkeitsprinzip ist in der Verfassung der Stadt Schaffhausen verankert. Es erlaubt insbesondere Journalistinnen und Journalisten, Nichtregierungs-Organisationen sowie kritischen Bürgerinnen und Bürgern, Einsicht in Beschlüsse, Protokolle und Entscheidungsunterlagen der Verwaltung zu nehmen.
Doch das passte der Verwaltung und den Regierenden offensichtlich nicht in den Kram. Eine Verordnung, die das Öffentlichkeitsprinzip stark eingeschränkt hätte, wurde im Parlament von allen grossen Parteien, von der SP bis zur SVP, angenommen.

Doch das Polit-Establishment hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Claudio Kuster, Politaktivist und politischer Sekretär des parteilosen Schaffhauser Ständerats Thomas Minder, ergriff zusammen mit der Alternativen Liste und mit Redaktionsmitgliedern der «schaffhauser az» gegen die Verordnung das Referendum.

    Und siehe da: Die Stimmberechtigten der Stadt Schaffhausen verwarfen die Knebel-Verordnung mit einer Mehrheit von 60 Prozent der Stimmenden.

Das ist ein krasses Misstrauensvotum für die Stadtregierung und die grossen Parteien im Stadtparlament. Über dieses Schaffhauser Abstimmungsresultat vom 23. September 2018 haben die grossen Medienhäuser in der Schweiz nicht informiert.

Den Erfolg gegen das Polit-Establishment erklärt Referendumsunterstützer und Co-Redaktionsleiter der «schaffhauser az», Marlon Rusch, in der neusten Ausgabe des «Edito» wie folgt:

  • «Wir erzählten den Menschen, wie wir arbeiten. Warum das Öffentlichkeitsprinzip eines der wichtigsten Werkzeuge von Journalistinnen und Journalisten ist. Wie wir dank losgeeisten Akten immer wieder zeigen konnten, was hinter den Kulissen der Macht passiert, dort, wo die Einflussreichen gerne unter sich sind.»
  • «Wir zeigten, dass es nur dank Protokollen der Baufachkommission möglich war nachzuweisen, wie ein millionenschweres Bauprojet der Stadt durch koollektives Versagen aus dem Ruder laufen konnte. Wir schrieben, dass es die Protokolle der Justizkommission brauchte, um aufzuzeigen, in welch zweifelhaftem Verfahren zwei neue, höchst umstrittene Staatsanwälte gewählt und vereidigt wurden. Es muss nicht immer Kanavaugh sein, kleine Ungeheuerlichkeiten gibt es auch in der Provinz.»

Die abgelehnte Verordnung hätte einige Verwaltungsgremien vom Öffentlichkeitsgesetz vollständig ausgeschlossen. Akteneinsichten anderer Verwaltungseinheiten hätten verweigert werden können, wenn die Einsicht der Verwaltung einen «nicht verhältnismässigen» Aufwand verursacht hätte. Bei gewährter Akteneinsicht hätten Behörden das Zitieren durch die Presse untersagen können. Neu wären auch Gebühren erhoben worden. All diese Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzips haben die Stimmberechtigten der Stadt Schaffhausen jetzt verhindert.
Im Jahr 2019 entscheiden die Stimmberechtigten im Kanton Thurgau, ob auch in diesem Kanton das Öffentlichkeitsprinzip endlich in der Kantonsverfassung verankert werden soll. Der Thurgauer Regierungsrat findet das «nicht nötig».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Kontrolle dank Öffentlichkeitsgesetz

Bürgerinnen und Bürger müssen für Transparenz von Regierungen und Verwaltungen stets kämpfen.

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2 Meinungen

  • am 29.10.2018 um 18:53 Uhr
    Permalink

    Das ‹Öffentlichkeitsprinzip in eigener Sache› ist eine Errungenschaft im Spiel zwischen der früher fast allmächtigen Verwaltung und der einzelnen Einwohner*In.
    – Es gibt unzählige Fälle missbräuchlicher (willkürlicher) Verhaltensweisen unserer Verwaltung vor Einführung der Verwaltungsgerichte.
    – Etwas Schutz bietet da das Öffentlichkeitsprinzip. Wir sollten es uns auf keinen Fall mehr nehmen lassen.

  • am 31.10.2018 um 08:10 Uhr
    Permalink

    «Über dieses Schaffhauser Abstimmungsresultat vom 23. September 2018 haben die grossen Medienhäuser in der Schweiz nicht informiert.»

    Es ist schon unglaublich, wie sich auch in der Schweiz – mit direkter Demokratie-Struktur – ganz offensichtlich das Polit-Establishment gegen die eigene Bevölkerung stellt und dabei die demokratischen Grundprinzipien einfach weglässt. Über ein so wichtiges Abstimmungsresultat, das die direkte Demokratie massgeblich mit unterstützt, wird mit keinem Ton – weil das Establishment über das Resultat verärgert ist – berichtet. Das war zwischen den Medien und dem Establishment – so muss man aus dem Ablauf interpretieren – abgemachte Sache.

    Den Referendums-Erstellern und -Unterstützern sowie der wählenden Schaffhauser Bevölkerung sei ein grosses Bravo zugesandt – genauso wie dem Infosperber, der diesen Wahlsachverhalt veröffentlicht. Bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht.

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