So streitet die Schweiz über Palmöl
Für die Schweizer Exportindustrie ist Freihandel lebenswichtig, auch mit aufstrebenden Ländern in Südostasien. Grosse Palmöl-Produzenten, wie Malaysia und Indonesien, machen dabei mit, wenn auch in der Schweiz die Handelsschranken abgebaut werden, insbesondere auf ihrem wichtigsten Exportprodukt, dem Palmöl.
Doch diese Woche debattiert der Ständerat, ob Palmöl aus dem Freihandelsabkommen mit Malaysia ausgeklammert, das heisst, von Zollsenkungen ausgenommen werden soll. In seiner Frühjahrssession hatte der Nationalrat zu einem entsprechenden Vorstoss bereits Ja gesagt.
Während die Exportwirtschaft in der Schweiz den Abbau von Zöllen auf Palmöl unterstützt, leistet eine breite Allianz aus Schweizer Bauern sowie Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Widerstand. swissinfo.ch hat je einen Vertreter – Thomas Braunschweig von der NGO Public Eye (vormals Erklärung von Bern) und Jan Atteslander vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse – unabhängig voneinander mit den gleichen Fragen konfrontiert.
swissinfo.ch: Laut WWF steckt Palmöl in der Hälfte aller Alltagsprodukte. Derzeit steht Palmöl auch in der Politik zur Debatte. Weshalb diese Aufregung?
Thomas Braunschweig: Problematisch ist die Art und Weise, wie Palmöl produziert wird. Für Palmöl-Plantagen werden Regenwälder abgeholzt. Die regelmässig wiederkehrenden Waldbrände und die sinkende Biodiversität in diesen Regionen hängen ebenfalls damit zusammen. Besonders bedenklich sind die Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen.
Thomas Braunschweig von Public Eye. (Bild: Marion Nitsch/zvg)
Jan Atteslander: Dass es beim Palmöl Probleme gibt, sehen wir auch. Die Frage ist aber, ob wir mit gewissen Massnahmen einen Beitrag zur Verbesserung leisten können.
swissinfo.ch: Das Problem ist also nicht die Ölpalme, sondern die Art und Weise, wie produziert wird …
Thomas Braunschweig:… nämlich in monotonen Plantagen, die sich kilometerweit erstrecken, mit prekären Arbeitsverhältnissen und riesigem Bedarf an neuen Anbauflächen. Diese werden oft den Indigenen und Kleinbauernfamilien weggenommen.
Jan Atteslander: Beim Palmöl gibt es Projekte für einen nachhaltigen Anbau, die von der Schweizer Regierung und den beteiligten Firmen unterstützt werden.
Jan Atteslander von Economiesuisse. (Bild zvg)
swissinfo.ch: Auf einigen Produkten versprechen Labels, dass das darin verwendete Palmöl aus nachhaltiger Produktion stamme. Kann man sich darauf verlassen?
Jan Atteslander: An diesen Stewardship-Programmen sind namhafte Organisationen beteiligt. Wenn Probleme auftauchen, muss man sie lösen. Das ist ein Prozess. Wer Palmöl einfach aus der Schweiz fernhalten will, löst damit kein Problem. Nachhaltigkeit ist ja auch im Interesse der Produzentenländer, weil sonst deren Natur zerstört wird.
Thomas Braunschweig: Beim biologisch hergestellten Palmöl wird der Ökologie weitgehend Rechnung getragen. Zuwenig gesichert sind aber die sozialen Aspekte. Der Anteil dieses Palmöls, das nur in ganz spezifischen biologisch zertifizierten Produkten vorhanden ist, ist gemessen an der Gesamtproduktion marginal.
Den grössten Anteil unter den mit Label versehenen Produkten haben die RSPO-zertifizierten [Round table on sustainable palmoil, N.d.R.]. Diese Zertifizierung ist kaum das Papier wert, auf dem sie steht. Das geht Richtung Etiketten-Schwindel und kann meiner Ansicht nach sogar kontraproduktiv sein.
swissinfo.ch: Die Ölpalme bringt den mit Abstand grössten Ertrag aller Ölpflanzen. Mehrmals im Jahr kann geerntet werden. Ist der Anbau von Raps oder Sonnenblumen ökologischer, obwohl es für die gleiche Menge Öl die doppelte bis dreifache Anbaufläche braucht?
Thomas Braunschweig: Der Palmölanbau ist produktiver. Aber welches Öl die beste Ökobilanz hat, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die ökologischen Effekte der Palmöl-Produktion wie die Abholzung von Regenwäldern sind oft irreversibel.
Jan Atteslander: Wenn Palmöl nachhaltig produziert wird, ist es ökologischer als die Produktion von Rapsöl in der Schweiz. Der Ertrag ist viermal höher.
swissinfo.ch: Rund 40 Prozent des importierten Palmöls stammen aus Malaysia und Indonesien. Um die Schweizer Produkte, wie Raps- oder Sonnenblumenöl, zu schützen, wird das importierte Öl mit Zöllen belastet. Weshalb soll das helfen, die Probleme in den Anbauländern zu lindern?
Thomas Braunschweig: Wenn das Palmöl infolge wegfallender Zölle billiger wird, steigt die Nachfrage und in der Folge das Angebot. Der Schweizer Markt ist gemessen am globalen Markt marginal. Aber es geht auch darum, ein internationales Zeichen zu setzen, dass diese Produktionsart nicht länger akzeptiert wird und schon gar nicht mit einer Zollsenkung belohnt werden darf. Es gibt einige wenige Kleinbauernfamilien, die von der Palmöl-Industrie profitieren. Aber das grosse Geschäft machen global tätige Agrarkonzerne wie der Marktführer Wilmar.
Jan Atteslander: Eine massvolle Zollsenkung würde zu keinem Verdrängungswettbewerb zwischen Rapsöl und Palmöl führen. Bestimmte Palmöl-Produkte haben bereits heute geringe Zölle, andere sehr hohe. Obwohl Palmöl schon jetzt in der Schweiz häufig weniger kostet als das einheimische Öl, achten die Importeure sehr darauf, nachhaltig produziertes Palmöl einzuführen. Eine Verdrängung findet nicht statt. Wie bei anderen Freihandelsabkommen geht es auch hier darum, dass abgemachte Zollsenkungen zumutbar sind für inländische Produzenten.
swissinfo.ch: Der Schweizer Wirtschaftsminister engagiert sich für Freihandel. Aber weshalb sollten sich Länder wie Malaysia und Indonesien darauf einlassen, wenn in der Schweiz die Zölle auf einem ihrer wichtigsten Exportprodukte nicht abgebaut werden?
Jan Atteslander: Der Agrarprotektionismus der Schweiz ist immer mehr ein Problem. Wenn man Palmöl ganz ausschliessen würde, fiele in diesen Ländern auch der Anreiz weg, nachhaltig zu produzieren. [Vgl. Economiesuisse Faktenblatt]
Thomas Braunschweig: Wir wollen nicht, dass diese Zölle gesenkt werden, weil damit zusätzliche Anreize für eine Ausdehnung der Plantagen geschaffen würde. Wir sind nicht gegen Handel. Wenn man den Kleinbauernfamilien mit verstärktem internationalen Handel helfen will, muss sichergestellt sein, dass diese Zielgruppe von solchen Massnahmen profitiert. Und das bezweifeln wir aufgrund unserer Analyse. [Vgl. Public Eye Faktenblatt]
swissinfo.ch: Was kann man als Konsument von der Schweiz aus zur Verbesserung der Situation in den Anbauländern beitragen?
Thomas Braunschweig: Wenn immer möglich auf Palmöl verzichten. In der Schweiz haben wir gute Alternativen mit Raps- oder Sonnenblumenöl.
Jan Atteslander: Es ist grundsätzlich sehr wichtig, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten gut überlegen, welche Produkte sie kaufen wollen. Die Firmen investieren dann auch in nachhaltigere Produkte. Die Nachfrage setzt deshalb mittel- bis langfristig starke Anreize zur Verbesserung der Produktion.
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Kein Label für palmölfreie Produkte
Seit 2016 muss in der Schweiz deklariert werden, in welchen Produkten Palmöl oder Palmfett steckt. Schweizer Konsumenten müssen den Hinweis oft mit der Lupe suchen. Ein Label für palmölfreie Produkte lehnen die Grossverteiler ab. Migros, Coop, Aldi und Lidl erklärten, dass sie als Mitglieder des Runden Tischs für nachhaltiges Palmöl (RSPO) fast ausschliesslich nachhaltiges Palmöl verwenden. Ein Verzicht auf Palmöl sei faktisch unmöglich, argumentierten sie gegenüber dem «Beobachter». Die Zeitschrift berichtete, dass den Schweizer Grossverteilern von ihrer eigenen Nachhaltigkeits-Organisation ein «Palmöl-Maulkorb» verpasst werde. Als Mitglieder des Ökolabels RSPO seien diese gezwungen, den Absatz von nachhaltigem Palmöl zu fördern und nicht zu beeinträchtigen, schrieb der «Beobachter». Negativwerbung mit dem Hinweis «palmölfrei» sei den Mitgliedern dieses Labels nicht erlaubt.
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Dieser Beitrag ist zuerst auf swissinfo.ch erschienen. Swissinfo ist der internationale Service der SRG und erfüllt einen Informationsauftrag des Bundes fürs Ausland.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Jan Atteslander wirft mit altbekannten Floskeln um sich. Standartsätze die man bei jedem x-beliebigem Thema wo es um Wirtschaftsinteressen geht verwenden kann. Zur eigentlichen Thematik hat er offensichtlich nicht viel zu sagen. Der letzte Satz bedient das alte Klischee des mündigen Konsumenten. Nun, solange die Angaben auf Produkten fehlen oder irreführend sind und Labels wie MSC nicht halten was sie versprechen, kann der Konsument keine mündigen und rationalen Entscheidungen treffen. Will man ein mündiger Konsument sein, kann man eigentlich nur noch unverarbeitete Lebensmittel beim Baueren des Vertrauen einkaufen und dann alles selber machen. Wer hat dafür schon Zeit? Economiesuisseist für mich persönlich, nicht nur in dem Bereich, total unglaubwürdig.
Palmöl kann in industriellen Mengen niemals nachhaltig oder ökologisch produziert werden. Malaysia hat ( je nach Quelle) 30 – 50% des Regenwaldes abgeholzt und damit ein Verbrechen an der eigenen Bevölkerung für die ganze Zukunft begangen. Diese Flächen werden nie mehr in Regenwald oder minimal biodiverse Ökosysteme rückführbar sein. Sie sind kaputt und damit sind Vogel-, Insekten- und Tierwelt ausgelöscht. Pflanzenarten sind unwiederbringlich verloren. Wer vor Ort war, kann dies bezeugen. Nur ein Pestizid und Kunstdünger gebundener Anbau ist möglich. Da ist unser Raps- und Sonnenblumenanbau im Vergleich schon fast naturnah, zumindest nachhaltig. Kleinbauern sind nur ein Augenwischerei, ein von Gier getriebenes Feigenblatt. Sie sind ökonomisch völlig abhängig vom Abnehmer der Ernte und kommen unternehmerisch auf keinen grünen Zweig. Die Forderung kann nur sein: eindeutige Deklaration auf dem Konsumprodukt und Ausschluss aus dem Freihandelsabkommen. Der Raubbau an den Lebensgrundlagen in den Tropen für ein paar Rappen günstigere „Guetzli“ oder Brotaufstrich ist einfach pervers.
Es kann doch einfach nicht sein, dass wir ganze Landstriche abholzen (Regenwald wächst nicht nach) und der Bevölkerung ihre Grundlage wegnehmen – gar nicht zu reden von den Tieren, die ihre Heimat verlieren. Da wird kurzfristig Geld gemacht mit einer Monokultur – eine «wirtschaftlich» kurz gegriffene Positivbilanz. Ich meinte, das wird sich längerfristig rächen.