Strom ohne Ströme?

D. Gschweng /  Den Kraftwerksbetreibern Europas geht das Kühlwasser aus. Das könnte in Zukunft öfter passieren.

Das kühle Nass ist derzeit rar. Und es ist alles andere als kühl. Der Rhein bei Basel hatte am 8. August mit 26 Grad fast schon Badewannentemperaturen, in der Rhone wurden Höchstwerte von 29 Grad gemessen.

Darunter leiden nicht nur die Fische. Auch die Binnenschifffahrt, die Industrie und vor allem die Energieversorger müssen sich einschränken. Das Kühlwasser für Kraftwerke ist zu warm oder zu knapp. In der Schweiz bemerkt man davon noch wenig, bisher wurde das KKW Mühleberg zeitweise gedrosselt, am vergangenen Mittwoch kam Beznau hinzu. Beide Kraftwerke liegen an der Aare, deren Temperatur sich den kritischen 25 Grad nähert und den Rhein nun kaum noch kühlen kann.

Europäische Kraftwerke müssen runterschalten

In anderen europäischen Ländern sieht es weniger gut aus. Eng werden könnte es in Frankreich, wo viele Kernkraftwerke stehen, die das Wasser besonders stark aufheizen. Einige wurden bereits abgestellt oder gedrosselt, unter anderem ein Reaktor des Uralt-Kraftwerks Fessenheim in der Nähe von Basel. Laut der «taz» besteht bei anhaltender Hitze die Gefahr, dass «44 der 58 Reaktoren in Frankreich abgestellt werden müssen». In Deutschland haben Phillipsburg, Grohnde und Brokdorf ihre Leistung eingeschränkt.

Steinkohlekraftwerke haben entweder ebenfalls Probleme mit der Kühlung oder sie bekommen wegen der niedrigen Wasserstände über den Wasserweg nicht mehr ausreichend Nachschub. Die einzig zuverlässige fossile Energiequelle in Zeiten des Wassermangels ist die klimaschädliche Braunkohle. Sie wird meist da verbrannt, wo sie gefördert wird, gekühlt wird mit Grubenwasser.

Rekordjahr für Solarenergie

Wasser- und Windkraft fallen bei der derzeitigen Wetterlage als Energiequelle weitestgehend aus, Biogaserzeuger bekommen wegen der Trockenheit weniger Grünmaterial. Dafür produzieren Solarkraftwerke Rekordmengen. Aber auch deren Wirkungsgrad ist bei Hitze kleiner. Und dem Wasser hilft das nichts, was die Industrie spürt. Der Chemiekonzern BASF drosselte wegen ausfallender Lieferwege und fehlendem Kühlwasser am Hauptsitz in Ludwigshafen bereits die Produktion.

Bei einer Wassertemperatur von mehr als 28 Grad müssen deutsche Kraftwerke und Unternehmen die Wasserentnahme drosseln. Bei 28 Grad kam es im Sommer 2003 bereits zu einem grossen Fischsterben.

Ein Sommer, in dem das Kühlwasser knapp werde, komme immer wieder vor, die Versorgung sei weiterhin sichergestellt, versicherten die deutschen Energieversorger. Dabei ist der Stromverbrauch bei Hitze besonders hoch. Rund sechs Prozent mehr Strom haben die deutschen Verbraucher im Vergleich zu 2017 bisher benötigt, informierte der Branchenverband BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) Anfang August. Grund des höheren Verbrauchs sind nicht zuletzt die Kühlgeräte im Dauerbetrieb.

Ausnahmegenehmigungen trotz Fischsterben

Um Engpässe zu vermeiden, haben einige deutsche und französische Kraftwerksbetreiber Ausnahme-Genehmigungen beantragt, um ihre Kraftwerke auch bei höheren Wassertemperaturen weiter betreiben zu dürfen. Umweltverbände gehen dagegen vor. Die Schweiz sieht ab 25 Grad Wassertemperatur Massnahmen vor. Allerdings haben auch hier einige Unternehmen Ausnahmegenehmigungen, zum Beispiel die Basler Chemie, berichtete das «Echo der Zeit».

In Polen ohne Köttbullar

Zu Stromknappheit geführt haben Hitze und Trockenheit bereits in Polen. Da half auch der hohe Braunkohleverbrauch nichts. Viele Unternehmen mussten die Produktion einschränken, selbst IKEA verzichtete laut der «FAZ» darauf, Köttbullar, die schwedischen Fleischbällchen, zu kochen. Warnungen betreffend Stromknappheit kamen auch vom Balkan.

Ob Cevapcici oder Köttbullar: auf einen Sommer ohne Fleischbällchen werden sich nicht nur die Polen für die Zukunft einrichten müssen. Fast alle Klimaprognosen gehen davon aus, dass trockene und heisse Sommer in Europa häufiger werden. Wie sehr, ist Spekulation. Viele Mechanismen, die das Klima beeinflussen, sind noch nicht genau verstanden, einige «Kipppunkte» noch gar nicht bekannt. Meldungen wie «Der Sommer 2018 gehörte zu den wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen» könnten sich zukünftig wiederholen.

Die Schweiz ist im Strommarkt nicht allein

Man könnte sich nun darüber freuen, dass die wasserreiche Schweiz gut dasteht, so lange die Speicherseen voll sind. Eine Stromknappheit sei auch bei anhaltender Hitze und Trockenheit nicht zu erwarten, sagte das Bundesamt für Energie (BFE) auf Nachfrage.
Selbst wenn Kraftwerke anderer europäischer Länder wegen Hitze und Trockenheit nicht mehr in die Schweiz liefern könnten, gäbe es immer noch Energie aus Erdgas, die weniger von Flusswasser-Temperaturen abhängig sei.

Das Thema Flusswasser-Temperatur wird in den nächsten Jahren aktuell bleiben. Die Prognosen gehen von einer Häufung von hohen Temperaturen mit ausgeprägter Trockenheit über eine längere Zeitspanne aus. Und die Kühlung von Räumen – man denke an die riesigen Verkaufslokale der Lebensmittel-Läden – braucht mehr Energie als deren Heizung.


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keine

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Eine Meinung zu

  • am 13.08.2018 um 22:56 Uhr
    Permalink

    Um den Klimawandel zu bekämpfen, sollte man mit Sonnenkollektoren Strom erzeugen und diesen auch für die Reinigung von Meerwasser einsetzen, denn die Gletscherschmelzen gefährden auch Inseln. Das Wasser sollte man in die Sahara etc. pumpen, dort die Urwälder wieder «auferstehen» lassen und Seen füllen. Das gäbe auch Arbeitsplätze für Flüchtlinge und weniger CO2. Man könnte Flüchtlinszentren dort schaffen und es käme weniger Staub nach Europa. Auch in Europa sollte man die Baumgrenze bewusst erhöhen und mehr Stauseen füllen. Die Atomkraftwerke sollten dann abgeschaltet werden. Wichtig wären auch geeignete Stromspeichersysteme..

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