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Einen der gewalttätigsten Wahlkämpfe der letzten 20 Jahre. 120 Politiker getötet. © Neue Presse

Wahlen in Mexiko: Totaler Drogenkrieg ja oder nein

Evelyne Tauchnitz /  Der amtierende Präsident Nieto hat den internen Krieg legalisiert. Opponent Obrador sucht nach alternativen Lösungen.

Red. Die Autorin dieses Gastbeitrags hat am «Institut de Hautes Études Internationales et du Développement» (IHEID) in Genf mit Schwerpunkt Menschenrechte doktoriert. Gegenwärtig arbeitet Evelyne Tauchnitz am «European University Institute» bei Florenz.
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Die Präsidentenwahl am Sonntag in Mexiko wird darüber entscheiden, ob das weitgehend erfolglose, aber mörderische Vorgehen des Militärs gegen die verschiedenen Drogenkartelle in Zukunft weiter verschärft wird oder ob sich eventuell ein kleines, aber wichtiges Gelegenheitsfenster für Alternativen öffnet.

Verheerende Bilanz

Die militärische «Sicherheitsoperation Michoacán» gegen das Drogenmilieu begann im Jahr 2006 und weist folgende Bilanz auf*:

  • 125’000 Tote
  • 30’000 Vermisste
  • 250’000 Vertriebene

Das bisher tödlichste Jahr war 2017 mit 25’000 Getöteten oder durchschnittlich 70 jeden Tag. Wie in einem richtigen Krieg eliminiert das Militär möglichst viele «Feinde», anstatt die Mitglieder und Helfer der Drogenkartelle ‹bloss› zu verhaften, anzuklagen und zu verurteilen.
Auf acht getötete tatsächliche oder vermeintliche Drogenkriminelle kommt lediglich ein einziger, der im Kampf ’nur› verletzt wird. Bei Einsätzen der Marine, die im Drogenkrieg ebenfalls zum Einsatz kommt, ist das Verhältnis zwischen Getöteten und ’nur› Verletzten sogar 30:1.
Diese Statistik des CIDE Forschungsinstitut in Mexiko City legt nahe, dass es der Regierung nicht darum geht, vermutete Drogenkriminelle lebend festzunehmen und der Justiz zu übergeben, sondern diese «Feinde» auszuschalten. Dieses Vorgehen ist für Menschenrechtsorganisationen eine «Selbstjustiz des Militärs» und eine «Verletzung fundamentaler Menschenrechte».
Tatsächlich kann Kriminellen das fundamentale Recht auf Leben nicht einfach abgesprochen werden, indem man ein kriminelles Problem in ein Sicherheitsproblem ummünzt. Drogenkriminelle sind häufig auch selber Opfer von Gewalt. Es herrscht nicht nur «Krieg» zwischen dem Staat und den Drogenkartellen, sondern auch zwischen den Drogenkartellen untereinander, welche um Einfluss kämpfen, und oft sogar zwischen Mitgliedern des gleichen Kartells.

Gegen die Verfassung

Eigentlich verbietet die Verfassung Mexikos, dass das Militär im eigenen Land als Polizei eingesetzt wird. Doch schon der Vorgänger des jetzigen Präsidenten Nieto, Felipe Calderón und seine Minister, hatten den Kampf gegen Drogenkriminelle als «Krieg» bezeichnet und als «Feind», den es zu bekämpfen und zu töten gilt. Das Militär müsse wieder «Ruhe und Ordnung herstellen» und das von Drogenkartellen «besetzte» Gebiet müsse zurück «erobert» werden. Mit dieser Rhetorik wurde der massive Einsatz des Militärs gerechtfertigt.
Anstatt aber das Militär möglichst bald wieder der verfassungsmässigen Rolle zuzuführen, liess Präsident Enrique Pena Nieto das Parlament im Dezember 2017 ein neues Sicherheitsgesetz verabschieden, das den Einsatz des Militärs im letzten Jahrzehnt legalisiert. Das Militär kann eingesetzt werden, wenn die «innere Sicherheit» bedroht ist. Wann diese Bedingung erfüllt ist, präzisiert das Gesetz nicht. Der Präsident hat einen enormen Ermessensspielraum. Der UN-Kommissar für Menschenrechte, Zeid Raad al-Husein, kritisierte zudem, dass das Gesetz keine Kontrolle und Überwachung des Vollzugs vorsieht.

Diverse Mexikanische Nicht-Regierungsorganisationen und Menschenrechtsaktivisten bezweifeln, dass das neue Gesetz vor der Verfassung Bestand hat. Eine entsprechende Klage ist beim Obersten Gerichtshof in Mexiko hängig.

Die Sicherheit im Land als wichtiges Thema im Wahlkampf

Mit Kritik am US-Präsidenten Trump und dessen Ausfällen gegen Mexiko konnte im Wahlkampf niemand punkten, weil sich in diesem Punkt fast alle einig waren.

Umso mehr standen die innere Sicherheit und die weit verbreitete Armut im Fokus. José Antonio Meade Kuribreña, Präsidentschaftskandidat von Nietos Partei, kündete an, er werde nach einem Wahlsieg die Sicherheitskräfte noch viel besser ausrüsten, um den «Drogenkrieg zu gewinnen». Sein Hauptgegner Andrés Manuel López Obrador dagegen distanziert sich von der «misslungenen Drogenpolitik». Er spricht von alternativen Lösungen und schliesst auch nicht aus, Drogenkriminellen, die nur kleinere Straftaten begangen haben, eine Amnestie zu gewähren.

Weder Obrador noch der neue konservative Kandidat José Antonio Meade Kuribreñaals Nachfolger von Nieto gehen auf die eigentlichen Ursachen des Drogenkriegs gross ein: Enorme wirtschaftliche Ungleichheiten, Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit vor allem für schlecht ausgebildete Jugendliche, weitverbreitete Korruption von Beamten, Polizei, und zunehmend auch im Militär, weitgehende Straflosigkeit von Militärs und Polizeibeamten bei Menschenrechtsverletzungen, sowie kein nennenswerter Einbezug der Zivilgesellschaft in den politischen Entscheidfindungsprozess.

Um wirkungsvoll zu sein, bräuchte es diverse Massnahmen, um die wirtschaftliche Situation der untersten sozialen Schichten zu verbessern und ihnen alternative Perspektiven ausserhalb des Drogengeschäftes zu eröffnen.
Politisch wird es ein weiter Weg sein, um mit Transparenz und Gesetzmässigkeit das Vertrauen und den Respekt in staatliche Institutionen und in die Polizei wieder zu gewinnen. Mit militärischer Gewalt gelingt dies sicher nicht.

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*Quellen:
The New York Times (2018) La Ley de Seguridad Interior o la tentación de fracaso

CNN (2016) La guerra de México contra las drogas, en datos, CNN, January 8.

Castillo M (2016) Drugs, Money and Violence. CNN, February 15.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin dieses Gastbeitrags hat am «Institut de Hautes Études Internationales et du Développement» (IHEID) in Genf mit Schwerpunkt Menschenrechte doktoriert. Gegenwärtig arbeitet Evelyne Tauchnitz am «European University Institute» bei Florenz.

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