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Schwer bewachte Strassenzüge und eingezäunte Gebäude-Komplexe in Kabul © cc

Gepanzerte Fahrten durch Kabul ohne Aussteigen

Urs P. Gasche /  Die ländliche Entwicklung soll den Teufelskreis von Armut, Gewalt und Fragilität brechen, sagt ein Schweizer Entwicklungsberater.

upg. Berichte von westlichen Zivilisten aus Afghanistan sind selten. Dominic Blättler, Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL der Berner Fachhochschule verbrachte seit 2013 jedes Jahr einige Zeit in Kabul, in Zentralafghanistan oder in der nördlichen Provinz Tachar an der Grenze zu Tadschikistan. Er war für Helvetas, Terre des hommes und die Deza in diesem Land, wo seit vierzig Jahren Kriegszustand herrscht. Infosperber hat mit ihm gesprochen.

Bild heute geprägt von Stacheldraht, Sandsäcken, Maschinengewehren

Vieles habe sich in den letzten fünf Jahren verändert, meint Dominic Blättler. Im Zentrum der 4-Millionenstadt Kabul sei das Bild heute geprägt von Stacheldraht, Sandsäcken, Maschinengewehren und meterhohen Betonwänden. Aufständische zielen vermehrt auf Mitarbeitende der Regierung und von Hilfsorganisationen. Daher befinden sich Hotels, Botschaften und internationale Organisationen in einer Sicherheitszone, so auch die Deza. Diese gesicherte Zone – genannt «Ring of Steel» – wird gegen aussen durch eine Postenkette der afghanischen Polizei und vom Militär geschützt. Aus Sorge vor Anschlägen und Entführungen sei die Bewegungsfreiheit für ausländische Mitarbeitende stark eingeschränkt, so Blättler, die Arbeitsbedingungen erschwert und das Leben in der Stadt isoliert.

Zunehmende Gewalt im ganzen Land

Die Militarisierung Kabuls ist Ausdruck einer zunehmend prekären Sicherheitslage in Afghanistan. Die Gewalt hat im ganzen Land zugenommen, die zivilen Opfer gehen jährlich in die Tausende. Eine aktuelle Analyse schätzt, dass nahezu die Hälfte der Distrikte in Afghanistan entweder von den Taliban kontrolliert oder mindestens umstritten sind. Auch Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates verüben Anschläge und gewinnen an Einfluss. «So lange Krieg herrscht, ein schwacher Rechtsstaat die nötige Stabilität nicht bereitstellen kann und die Sicherheit der Bevölkerung in weiten Teilen Afghanistans nicht gewährleistet ist, sind die Rahmenbedingungen für einen Wiederaufbau und eine nachhaltige Entwicklung des Landes äusserst schwierig», meint Blättler. Diese Einschätzung verkenne aber nicht, dass in vielen Gegenden Hilfe unterschiedlichster Art dringend nötig sei.

«Täglicher Kampf ums Überleben»

Die Schweiz engagiert sich seit den 1970-er Jahren in Afghanistan und unterhält seit 2002 eine ständige Vertretung in Kabul. Unter dem Motto «staying engaged» will die Schweiz den politischen und ökonomischen Reformprozess unterstützen sowie humanitäre Hilfe leisten. So engagiert sich die Deza in verschiedenen Teilen des Landes für verbesserte Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung und für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Blättler berichtet von einigen Erfolgen landwirtschaftlicher Projekte in Zentral- und Nordafghanistan, welche allerdings nur mit grossem Aufwand realisiert werden konnten. Der tägliche Kampf ums Überleben absorbiere viel Energie und Arbeitskraft der lokalen Bevölkerung und biete wenig Spielraum, um Neues auszuprobieren. Die Projekte müssten sich daher konsequent an den Bedürfnissen, Ressourcen und Prioritäten der Bäuerinnen und Bauern orientieren. Es sei sehr wichtig, den Menschen Mitbestimmung zu ermöglichen, unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen und lokale Institutionen zu stärken.

Teufelskreis von Armut, Gewalt und Fragilität auf lokaler Ebene durchbrechen

Als Beispiel erwähnt Blättler das Potenzial von Weideland. Die Tierhaltung ist ein wirtschaftliches Rückgrat für viele, gerade auch sehr arme Familien. Die gemeinschaftlich genutzten Weideflächen sind oft stark übernutzt und Ursprung zahlreicher Konflikte in den Dörfern. Entwicklungsprojekte können eine wichtige Rolle übernehmen in der Begleitung von Prozessen hin zu nachhaltigem Weidemanagement. Dadurch kann eine breite ökologische, ökonomische und soziale Wirkung erzielt werden. Blättler sieht darin auch eine Chance, den Teufelskreis von Armut, Gewalt und Fragilität auf lokaler Ebene zu durchbrechen. «In einem Land wie Afghanistan ist dies eine zentrale Anforderung: sicherzustellen, dass Projekte nicht Konflikte verschärfen, sondern einen Beitrag zu Versöhnung und Friedensförderung im Kleinen leisten.»
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Hintergrund-Informationen:

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

afghanistan

Nach dem Nato-Krieg in Afghanistan

Von 2001 bis 2021 führte die Nato unter Führung der USA in Afghanistan einen «Krieg gegen den Terror».

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2 Meinungen

  • am 28.06.2018 um 22:50 Uhr
    Permalink

    "CSU-Generalsekretär Markus Blume fordert, den generellen Abschiebestopp auf den Prüfstand zu stellen,…."

    und

    ""Wir können nicht immer über mehr Abschiebungen reden, aber dann die Hürden so hoch legen, dass sie nicht möglich sind», sagte Blume der Bild am Sonntag. Es gebe «stabile Regionen in Afghanistan und in diese können abgelehnte Asylbewerber wieder zurückgeführt werden». Das Land befinde sich im Wiederaufbau. «Da braucht es auch die Menschen dazu, die an ihrer Heimat mitbauen.""

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-06/asyllagebericht-afghanistan-abschiebungen-csu-spd

    Wie realitätsfern sind die deutschen Politiker !

  • am 29.06.2018 um 04:17 Uhr
    Permalink

    Wie während dem Vietnamkrieg unterstützt die Schweiz heute die in Afghanistan kriegführenden Staaten, die USA usw. mit Waffenlieferungen. Wie wäre es, wenn die Schweiz heute auf Kriegsmaterialexporte an die ständig Kriege führenden Nato Staaten und in das Pulverfass des Nahen Ostens verzichten würde? Sich als neutraler, dem Frieden verpflichtetes Land auf Entwicklungshilfe in Afghanistan und in anderen Ländern konzertierten würde? Wie wäre es, wenn die Pensionskasse der Stadt Zürich, im so genannt rot-grünen Zürich, keine Gelder mehr in Rüstungskonzerne anlegen würde? Immerhin legt die Pensionsgelder der Stadt Zürich die Gelder ihrer 33’000 Versicherten nicht mehr in Firmen an die Atombomben, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Die Schweizer Nationalbank, die Grossbanken, Versicherungen, und andere Pensionskassen, auch meine SBB Pensionskasse, hingegen investieren nach wie vor in Firmen die sogar verbotenen Waffen, wie Atombomben, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Die Zeiten der Anarchie für Kriegsgewinnler müsste beendet werden.

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