Vollgeldinitiative bachab – Es braucht eine radikalere Lösung!
upg. Es mag verwegen sein, ausgerechnet nach der Ablehnung der Vollgeld-Initiative einen noch radikaleren Vorschlag aufzutischen. Ein solcher sei aber dringend nötig, schreiben NZZ-Wirtschaftsredaktor Jürg Müller und ein Co-Autor in ihrem Buch «Das Ende der Banken – Warum wir sie nicht brauchen».
Buch-Cover: «Das Ende der Banken»
Die Vollgeld-Initiative hätte das bedrohliche Finanzcasino nicht beendet
Für die Autoren ging die Vollgeld-Initiative zu wenig weit. Diese wollte verbieten, dass private Banken Geld schaffen können. Doch das meiste dieses wenig gesicherten Geldes schaffen heute nicht die Banken, sondern Schattenbanken, die ausserhalb der Bankenregulierung operieren. Es handelt sich um eine Vielzahl von Finanzinstituten, die genau wie Banken Geld schöpfen. Sie operieren jedoch ausserhalb der Bankenregulierungen.
Auch die Aktivitäten der Finanzabteilungen grosser industrieller Konzerne sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen, denn sie «lassen sich von denjenigen echter Finanzinstitute kaum unterscheiden», wären aber von der Vollgeldinitiative nicht erfasst worden. Solche Finanzabteilungen sichern die Finanzrisiken der Konzerne ohne Hilfe von Banken ab (Liquiditätsrisiko, Währungs- und Zinsrisiko, Preisrisiko des Wertpapierportfolios sowie das Kontrahentenrisiko).
«Es braucht eine radikale Kursumkehr»
Die Problem des heutigen Finanzsystems beurteilen die Buch-Autoren ähnlich wie die Initianten der Vollgeld-Initiative: Banken können heute systemische Risiken eingehen. Ihre Eigentümer müssen für diese systemischen Risiken nicht geradestehen, obwohl sie folgenschwere Wirtschaftskrisen wie im Jahr 2008 auslösen können.
Das Finanzsystem habe sich trotz Finanzkrise und trotz Eurokrise nicht wesentlich verbessert. Die Autoren formulieren es drastisch: «Unser Finanzsystem ist völlig ausser Kontrolle – es braucht eine radikale Kursumkehr».
Ausser Kontrolle ist vor allem das «undurchsichtige und komplexe System der Schattenbanken». Diese verkaufen Derivate und Kreditausfallversicherunge (CDS) – letztere ohne vorhandenen Kredite, deren Ausfall zu versichern wären. Es handelt sich um reine Wetten.
Es ist ein ganzes Netzwerk der Geldschöpfung, das sich der Bankenregulierung entzieht und dennoch munter systemische Risiken schafft. Und dies ohne Nutzen für die reale Wirtschaft. In diesem Finanzcasino wird mit unvorstellbaren finanziellen Einsätzen beispielsweise sogar darauf gewettet, dass grosse Unternehmen und Staaten pleite gehen.
Dieses Finanz- und Wettcasino hat unterdessen das althergebrachte Bankenmodell überflügelt. Bereits Ende 2013 wurde der Nennwert ausstehender Derivat-Kontrakte auf das Zehnfache des Werts der Güter und Dienstleistungen geschätzt, welche die Realwirtschaft weltweit produziert.
Finanzcasino
Über das Ausmass des Finanzcasinos und der finanziellen Schattenwirtschaft hat Infosperber regelmässig berichtet und ein DOSSIER dazu zusammengestellt.
Dieses «riesige Schattenbank-System» bringt «der Gesellschaft keinen Nutzen», sondern sei eine «Ressourcenverschwendung sondergleichen», verbunden mit «systemischen Risiken», die zu «verheerende Auswirkungen auf die Ökonomie» wie im Jahr 2008 führen.
Regulierungsflut läuft ins Leere
Früher sei die Finanzbranche eng mit der realen Wirtschaft verknüpft gewesen, schreiben die Buch-Autoren. Banken hätten kurzfristige Einlagen von Kunden und Investoren gebündelt und das gesammelte Kapital für langfristige Grossprojekte zur Verfügung gestellt. Das Risiko einer Liquiditäts-Pleite, falls zu viele Kunden und Investoren ihr angelegtes Geld auf einmal zurückfordern, habe von Anfang an bestanden. Auf frühe Bankenpleiten habe man reagiert, indem man Nationalbanken gründete und Einlagen von Kunden bis zu einer bestimmten Summe garantierte.
Doch staatliche Garantien hätten Banken dazu verleitet, bei ihren Kreditvergaben und Spekulationen noch grössere Risiken einzugehen. Das wiederum zwang den Staat, die Finanzbranche ständig umfassender, komplizierter und bürokratischer zu regulieren. Die Regulierung von «Basel II» beispielsweise umfasst über 300 Seiten, die Regulierung von «Basel III» 616 Seiten, und das 2010 in den USA eingeführte Dodd-Frank-Gesetz 2300 Seiten.
Um diese lästige Regulierungsflut zu umgehen, verschoben Grossbanken ihre Geschäfte zunehmend ausserhalb ihrer Bilanzen in ein gewaltiges Schattenbank-System [Die tägliche Sendung SRF Börse informiert nie darüber]. Banken profitierten davon und gründeten unzählige Zweckgesellschaften, die Kredite ausserhalb ihrer Bilanzen bündelten, verbrieften und verkauften – und damit auch ausserhalb der Bankenaufsicht. Die Blockchain-Technologie wird es Banken erlauben, noch weitaus dichtere und komplexere Schattenbankenkonstrukte zu konstruieren.
Die Folgen davon formulieren die beiden Finanz- und Bankenspezialisten drastisch: «Dieses System ist so verschachtelt und die Finanzinstitute sind so wendig, dass es für den Regulator schlicht unmöglich ist, den Überblick zu behalten, geschweige denn effektiv zu regulieren.» Das ganze Finanzsystem sei heute «instabiler, ineffizienter und unfairer denn je» und habe zu «Vermögensblasen, Konjunkturverzerrungen sowie Verschwendungen von Ressourcen» geführt.
«Banken braucht es nicht mehr»
Dank neuer Finanztechnologie (Fintech: Geldanlagen direkt online, Crowdfunding, Blockchain, Zahlungen mit Smartphones u.a.) brauche es für Finanzdienstleistungen und neue Finanzinstrumente heute keine Banken mehr. Denn mit Hilfe von Fintech können heute Unternehmen ihre Kunden mit Finanzdienstleistungen direkt bedienen, «Peer to Peer».
Die Banken seien bisher nur deshalb noch nicht geschrumpft oder verschwunden, weil sie sich fast alle Fintech-Unternehmen einverleiben konnten. Die Autoren bezeichnen es als «bittere Ironie», dass ehemalige Fintech-Unternehmen ebenfalls Teil des Schattenbank-Systems wurden. Es sei so weit gekommen, weil Grossbanken den Vorteil haben, ihr systemisches Pleite-Risiko auf die Allgemeinheit abwälzen zu können («Too Big to Fail»). Deshalb ist es aus Anlegersicht sinnvoller, sein Geld zur Bank zu bringen und nicht zu einem Fintech-Unternehmen. Denn bei letzterem gehen die Ersparnisse in einer Krise verloren, während bei ersterer die Steuerzahler einspringen werden.
Verblüffend einfache Regel schafft Systemrisiken ein für alle Mal aus der Welt
Um den Missstand des «Too Big to Fail» und die damit verbundene Krisenanfälligkeit ganzer Volkswirtschaften zu beheben, brauche es keine weitere Überregulierung der Banken, sondern nur eine kleine, aber griffige Anpassung des Unternehmensrechts, soweit es Firmen mit beschränkter Haftung betrifft (Aktiengesellschaften, GmbHs). Das ist ein anderer, viel umfassenderer Ansatz als derjenige der Vollgeld-Initiative.
Die beiden Autoren schlagen vor, folgende Insolvenzregel ins Unternehmens- oder Gesellschaftsrecht aufzunehmen, die allen Firmen – egal ob Banken oder nicht – schlicht verbietet, mit fremdem Geld zu spekulieren:
- «Der Gesamtwert der Realvermögen einer Firma muss mindestens dem Wert der Verbindlichkeiten in einer Worst-Case-Finanzlage entsprechen.»
Mit «Verbindlichkeit» sind die finanziellen Verpflichtungen und Schulden eines Unternehmens gemeint. Diese dürfen nicht mehr dafür verwendet werden, andere finanzielle Verpflichtungen zu finanzieren. Andernfalls müsste das Unternehmen eine Stundung beantragen oder Konkurs anmelden.
Die neue, einfache Vorschrift würde die bestehende Insolvenz-Regel entscheidend verschärfen. Heute gilt ein Unternehmen erst dann als technisch insolvent, wenn die finanziellen Verpflichtungen grösser sind als seine materiellen und immateriellen Vermögenswerte. Neu würden finanzielle Vermögenswerte, also Finanzanlagen, nicht mehr zu den Vermögenswerten zählen.
Weder Banken noch Schattenbanken noch allenfalls grosse Konzerne könnten weiter Buchgeld schaffen. Mit der Geldschöpfung aus Krediten ist dann für alle Schluss.
Den entscheidenden Vorteil sehen die Autoren darin, dass die Pleite einer Grossbank oder eines grossen Konzerns alle andern Unternehmen unberührt liesse. Das Problem systemischer Risiken wäre gelöst.
Mit folgender Analogie machen die Autoren dies verständlich: Man stelle sich vor, jedes Unternehmen sei ein Dominostein. Die Grösse des Dominosteins wird vom Umfang der finanziellen Verpflichtungen bestimmt. Die neue Insolvenzregel erfordert nun einen Mindestabstand zwischen jedem Dominostein, abhängig von der Grösse. Und zwar so, dass egal, wo ein Dominostein fällt, er keinen anderen zum Fallen bringen kann.
Keine Nachteile für die Realwirtschaft
Bei den meisten Unternehmen der Realwirtschaft bestehen die Verbindlichkeiten, also die Passiven ihrer Bilanz, schon heute mehrheitlich aus realen Werten wie Gebäude, Fabriken, Maschinen, Computer, Lizenzen oder liquide Mittel in Form von Geld.
Im Finanzsektor können beispielsweise Anlagefonds weiter normal arbeiten, so lange sie vollständig mit Eigenkapital finanziert sind.
Was nicht mehr gehen würde, sind Schulden mit Schulden zu finanzieren. Finanzielle Spekulationen müssten stets mit Eigenkapital gedeckt sein. Mit dem riskanten, volkswirtschaftlich schädlichen Finanzcasino wäre Schluss.
Dagegen könnte man Fabriken, Maschinen oder Häuser weiterhin mit Fremdkapital herstellen, weil in reale Werte investiert wird.
Deregulierung und stabile Preise
Schliesslich beschreiben die Autoren die neue Rolle des Staates: Wenn das Finanzsystem nicht mehr bedroht wird durch Banken-Runs und Bankenpleiten, muss der Staat keine Kundenguthaben mehr garantieren und keine Schulden von Banken mehr übernehmen. Das Dickicht der Bankenregulierung wird überflüssig.
Da es kein Buchgeld mehr gibt, muss die Rolle der staatlichen Nationalbank neu definiert werden.
Die wichtigste Aufgabe der Nationalbank und des Staates bleibt weiterhin, für ein funktionierendes Preissystem zu sorgen. Um die Stabilität der Preise zu garantieren, braucht die Nationalbank neue geldpolitische Instrumente. Es kommt ihr dabei entgegen, dass heute fast alle Zahlungen mit Digitalgeld erfolgen und das Bargeld nur noch eine geringe Rolle spielt.
Um bei steigenden Preisen die Menge des umlaufenden Geldes zu senken, könne die Nationalbank eine Liquiditätsprämie erheben – vergleichbar mit einem Negativzins auf Geldguthaben.
Dieser Vorschlag zum Vermeiden einer unerwünschten Inflation wird kaum grössere Diskussionen auslösen. Ganz anders aber der Vorschlag der Autoren zum Verhindern sinkender Preise, also einer gefährlichen Deflation.
Geldmenge mit bedingungslosem Einkommen erhöhen
Um bei fallenden Preisen die Menge des umlaufenden Geldes zu erhöhen, soll die Nationalbank «als perfektes Werkzeug» ein bedingungsloses Einkommen verteilen.
Ein solches wäre – im Gegensatz zum diskutierten bedingungslosen Grundeinkommen – weder garantiert noch soll es einen Lebensstandard oberhalb der Armutsgrenze garantieren. Es dient lediglich zeitweise der Erhöhung der Geldmenge, um eine Deflation zu vermeiden.
Weil die Bürgerinnen und Bürger einen solchen finanziellen Zuschuss fast gänzlich entweder zum Konsumieren oder zum Investieren ausgeben, würde ein solches bedingungsloses Einkommen rasch zu steigenden Preisen führen.
Dies sei viel effizienter, als wenn der Staat seine Ausgaben erhöht, um die Wirtschaft anzukurbeln. Denn das führt jedes Mal zu einem politischen Gerangel über das Wo, Wie und Was. Höhere Staatsausgaben sind weniger geeignet, um eine Deflation mit sinkenden Preisen zu vermeiden.
Noch weniger geeignet ist die Geldpolitik der Zentralbanken der letzten Jahre, die der Volkswirtschaft frisches Geld zuführen, indem sie Obligationen und Aktien kaufen. Das erhöht vor allem die Preise der Aktien und Obligationen und erhöht die Vermögen von deren Besitzer.
Für die Autoren ist klar: «Das bedingungslose Einkommen ist das einzige geldpolitische Instrument, das eine Geldzufuhr ohne jede Preisverzerrung ermöglicht.» Es sei zudem «vollkommen transparent, leicht verständlich und auf Gleichheit angelegt».
Die Autoren sehen u.a. folgende Vorteile:
Zusammengefasst bringt die vorgeschlagene neue Insolvenzregel für sämtliche Unternehmen nach Überzeugung der Autoren folgende Vorteile:
- Vermeidung künftiger weltweiter systemischer Finanzkrisen mit all ihren Folgen. Aktienkurse werden zeitweise immer noch einbrechen können, was zu Verlusten bei deren Besitzern führt, aber nicht mehr zu einem Kollaps der ganzen Wirtschaft;
- Grossbanken können systemische Risiken nicht mehr auf die Allgemeinheit abwälzen und die Gesellschaft mit «Too Big to Fail» erpressen. «Too Big to Fail» gäbe es nicht mehr. Grossbanken und Versicherungen müssten für ihre Misserfolge oder für ihr Fehlverhalten selber geradestehen.
- Die aufgeblähte und undurchsichtige Bankenregulierung kann massiv dereguliert werden.
Die Politik muss entscheiden
Die Politik müsse
- mit der vorgeschlagenen Insolvenzregel das private Geldschöpfen auf Kredit verbieten und die Casino-Spekulation der Finanzwirtschaft beenden;
- das Dickicht der heutigen Bankenregulierung lichten.
Die beiden Autoren räumen ein, dass die Politik heute damit überfordert ist [Siehe Infosperber: «Die Finanzindustrie hat die Politik fest im Griff»].
Die meisten Wählerinnen und Wähler würden die real drohenden Krisen nicht akut wahrnehmen. Der Leidensdruck sei schlicht zu gering. Niemand wolle etwas ändern, das an der Oberfläche zu funktionieren scheint.
Die grossen Verwerfungen würden erst nach einer neuen Krise offensichtlich: «Nichtsdestotrotz geht es schon jetzt darum, den Menschen aufzuzeigen, weshalb unser Finanzsystem wieder kollabieren wird, und was es dann zu tun gibt.»
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Einer der beiden Autoren des Buches «Das Ende der Banken»:
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campus-Verlag, Frankfurt a.M.
Jürg Müller und ein Investmentbanker als Co-Autor. Beide unter dem Pseudonym Jonathan McMillan. Deutsche Ausgabe 2018 mit aktualisiertem Kapitel. Hier bestellen für 34.90 CHF. Titel der englischen Erstausgabe von 2014: «The End of Banking».
Einzelne Zitate in obigem Artikel stammen nicht vom Buch, sondern vom Interview mit den Autoren, welches das Punkt-Magazin am 31. Mai 2018 veröffentlichte.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Der Artikel, der im theoretischen Teil durchaus bedenkenswerte Überlegungen enthält, provoziert mit der Titelsetzung in praktischer Hinsicht, erinnert mich insofern an eine politische Idiotie von 1970: Als die damalige Überfremdungsinitiative (welche eine ganze Generation zu politisieren vermochte, u.a. auch Linard Bardill) knapp abgelehnt wurde, mit immerhin 48% Jastimmen, über die sogar James Schwarzenbach nach meiner Erfahrung erschrocken war, da kamen radikale «Demografen» wie V. Oehen, die sagten, die Initiative (die z.B. die Saisonniers nicht zählen wollte) sei viel zu weich gewesen: «Es braucht eine radikalere Lösung!» Solche Vorschläge, welche Themen sie auch immer beschlagen mögen, bewegen sich jenseits der politischen Realität. Von Kant gibt es eine berühmte Abhandlung, die unterschätzte praktische Vernunft betreffend: «Über den Gemeinspruch: ‹Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.› «
Die Schlussätze des Artikels sagen alles. 34% Stimmbeteiligung bei einer solchen Frage! Ja, das Ende der Banken und des weltweiten Casinobetriebes wird kommen, aber nicht via Bürgerweisheit, es wird über die Apokalypse gehen, böses Erwachen für den
schlafenden Bürger.
Das klingt ja alles schon sehr viel realitätsnäher, als was wir in den letzten Monaten lesen konnten.
Trotzdem habe ich einen grundsätzlichen Zweifel an einer der Prämissen dieser Vorlage:
Was ist schlecht an fallenden Preisen ? Schon Maurice Allais hat sich in dieser Hinsicht klar geäussert und Inflationswünsche des Herrn M. Friedman als abstrus betrachtet.
Was ist Deflation ? Wenn alle numerischen Werte um einen konstanten Faktor ändern, passiert in der realen Wirtschaft überhaupt nichts. Als De Gaulle am französischen Franken zwei Nullen amputierte, gab es Leute, welche das als Deflation betrachteten. Aber nichts war passiert : «Zero-homogeneity in monetary units» oder so hiess das Ding damals.
In etwas weniger esoterischer Sprache könnte man sagen, dass die Grösse der Messeinheit (z.B. der Geldwert) keine Auswirkung auf die reale Wirtschaft hat, solange alle Elemente mit derselben Messlatte gemesen werden.
In der Realität werden aber häufig nur Preise von Waren und Dienstleistungen durch die Inflation betroffen, Angespartes und Renten (aber auch Staatsschulden) hingegen direkt «hinweginflationiert».
Bei einer Deflation wird im Gegenteil das Ersparte sowie Renten erhöht. Natürlich auch nominelle Schulden. Dies erklärt, warum Staaten lieber Inflation als Deflation sehen.
Für die Mehrheit der Menschen ist allerdings Inflation schädlich. Angst vor Deflation als Prämisse einer Wirtschaftsreform erscheint mir daher eher ungeeignet.
Handlungsbedarf ist sicher da. Der Ansatz, nicht die Regulierungen komplizierter, sondern den Finanzmarkt einfacher zu machen, geht in die richtige Richtung.
Mit Begriffen wie «bedingungsloses Einkommen», «Grundeinkommen» und Ähnlichem sollte vorsichtiger umgegangen werden. Das eine Mal ist eine Zahlung gemeint, die tatsächlich jeden Monat an alle gehen soll. Andernorts steht der Begriff für etwas, was wir in der Schweiz eher Sozialhilfe nennen würden.
Das hier vorgeschlagene «bedingungslose Einkommen» sollte man vielleicht besser eine «Auszahlung an alle Bürgerinnen und Bürger» nennen. Denn es würde ja nur dann ausbezahlt, wenn aus ökonomischen Gründen eine Vergrösserung der Geldmenge geboten wäre. Es wäre also überhaupt kein «Einkommen», auf welches man sich verlassen könnte. Es würde eher wie ein unverhofftes Geschenk eintreffen.
P.S.: Es wäre auch nicht auszuschliessen, dass ein beträchtlicher Teil davon trotzdem ins Sparschweinchen wandern würde.
Hunkelers Beiträge würden dann und wann auch als Haupttext dem Infosperber meines Erachtens sehr wohl anstehen. Nicht alle Beiträger verfügen über vergleichbares Fachwissen, und vor allem überzeugt die Unabhängigkeit des Tones und des Argumentierens, es geht nie bloss um die Ablagerung einer im vornherein feststehenden Meinung und Überzeugung! Insofern aus meiner Sicht nicht das Gegenteil von Gasche.
@Pirmin Meier. Besten Dank für die Blumen.
Ich habe eben zwei Papiere zu aktuellen Themen geschrieben, welche auch für Infosperber-Leser von Interesse sein könnten.
1805 – Die Kreditstatistiken der SNB – 2017. Am Rande der Vollgeldinitiative.pdf
1806 – Bilanzen und andere Statistiken der SNB – 2017.pdf
Das erste zeigt die Entwicklung des Kreditwesens in der Schweiz und enthält auch einen Anhang über Fragen der aktuellen Geldpolitik. Die Schwierigkeit, die Wirtschaft über Manipulationen der Basisgeldmenge zu beeinflussen, aber auch die Problematik des Mindestwechselkurses, sowie ein paar der Gründe, die zur Finanzkrise 2008/09 geführt haben, werden hier in einem besonderen Anhang diskutiert.
Das zweite Papier zeigt die Entwicklung der Bankbilanzen. Hiererscheint klar, dass die Turbulenzen der Finanzkrise v.a. eine Angelegenheit des Devisengeschäfts der Grossbanken war, und dass das Inlandgeschäft. selbst der Grossbanken, von diesen Turbulenzen praktisch unberührt blieb.
Anhänge zum Anlageverwaltungs- und Treuhandgeschäft, sowie eine kurze Diskussion der Erfolgsrechnungen schliessen dieses Papier ab.
Beide Papiere sind etwas «akademisch» und nicht besonders «sexy», das heisst nicht besonders zur Publikation geeignet. Ich würde sie aber gerne interessierten Lesern direkt zur Verfügung stellen unter jo.hun@bluewin.ch.
@upg:
Folgendes ist natürlich falsch:
"Bei den meisten Unternehmen der Realwirtschaft bestehen die Verbindlichkeiten, also die Passiven ihrer Bilanz, schon heute mehrheitlich aus realen Werten wie Gebäude, Fabriken, Maschinen, Computer, Lizenzen oder liquide Mittel in Form von Geld."
Richtig ist:
Realvermögen sind Aktiven und keine Verbindlichkeiten.
Und dieser Satz ist so auch falsch:
"Was nicht mehr gehen würde, sind Schulden mit Schulden zu finanzieren."
Richtig ist:
Niemand kann Schulden mit Schulden finanzieren.
Noch letzter Einwand:
Wie ja der Buchtitel und Ihr ganzer Artikel darlegt, würde diese Regel sowohl die private Buchgeldschöofung als auch reines Intermediär-Banking verbieten. Bankkredite dürfte es nicht mehr aus Kundenguthaben geben, da ja Kredite Finanzvermögen sind.
Es ist also irreführend, zu sagen, diese Idee würde erlauben, die «Bankenregulierung [zu] lichten» wenn Banken insgesamt abgeschafft werden.
Insgesamt ist dieser Vorschlag schon ein erheblicher Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit.
Toll, dass Infosperber immer wieder Dinge von Grund auf hinterfragt und neudenkt. Bitte noch mehr davon!