«Weltwoche» frönt dem «konstruktiven» Journalismus
Die neuste «Weltwoche» wirft der «Republik» vor, in ihrer Kartell-Serie Zusammenhänge «konstruiert» zu haben. Laut der «Weltwoche» geht der Plot der «Republik»-Erfolgsstory so: Weil er gepfiffen habe, sei der Whistleblower Quadroni kaputtgemacht worden. «Dumm nur» ist laut «Weltwoche», dass dieser Zusammenhang «konstruiert» sei:
Die «Republik» habe den Whistleblower Adam Quadroni als «heiligen Adam» dargestellt, der «als Konsequenz seiner Information an die Weko» alles verloren habe.
Das Gegenteil sei der Fall: Nicht der Whistleblower Quadroni sei dem Pleitier vorausgegangen, sondern der Pleitier dem Whistleblower.
«Weltwoche» konstruiert Zusammenhang
Wirklich «dumm» daran ist nur, dass die Konstruktion «Zuerst Whistleblower, dann Pleitier», welche die «Weltwoche» der «Republik» unterstellt, aus der Konstruktions-Werkstatt der «Weltwoche» stammt und dass die «Republik» sehr wohl über die finanziellen Probleme Quadronis lange vor dem Jahr 2012 berichtete.
Denn in der vierteiligen Kartell-Serie der «Republik» (siehe vor allem 1. Teil: Der Aussteiger) ist mehrmals die Rede von Quadronis finanziellen Problemen, von Betreibungen und Ausständen bei den Sozialversicherungen. Beispielsweise:
Die «Republik» zeigt auch Hintergründe auf, wie es dazu gekommen ist. Konkret, wie sich Quadroni schon viele Jahre vor seiner Meldung an die Weko mit den selbstherrlichen, grossen Kartellisten im Tal angelegt hatte und wie diese zu seinem Nachteil immer empfindlicher reagierten.
Schon «um die Jahrtausendwende» hatte sich Quadroni laut «Republik» gegen den Plan des mächtigsten Bauunternehmers im Tal gestemmt, der «alle Baufirmen im Unterengadin zu einer einzigen» zusammenführen wollte. 2004 plante Quadroni ein eigenes Betonwerk. «Eine Kriegserklärung», wie die «Republik» schreibt. 2006 nahm Quadroni zum letzten Mal an einer Kartell-Versammlung teil. Dann folgte laut «Republik» «die Peitsche».
Höchstens eine ergänzende Recherche
Im «Republik»-Report geht also der Pleitier dem Whistleblower jahrelang voraus und nicht – wie die «Weltwoche» der «Republik» unterstellt – erst im Jahre 2012 der Whistleblower dem Pleitier. Letzteres ist eine Konstruktion der «Weltwoche».
Es ist offensichtlich, wieso die konstruierte «Weltwoche»-Story mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass die «Republik» sehr wohl über Quadronis finanzielle Probleme berichtet hatte und – im Unterschied zur «Weltwoche» – auch über deren Hintergründe und Ursachen.
Denn mit der Erwähnung dieser Fakten wäre das «Weltwoche»-Empörungs-Konstrukt kläglich zusammengebrochen und hätte sich als das herausgestellt, was es höchstens ist: Eine ergänzende Recherche zur «Republik»-Story.
Kartell als «Selbsthilfe in der sozialen Marktwirtschaft»
Doch damit nicht genug. Die «Weltwoche» erweist sich nicht nur als Meisterin der journalistischen Konstruktion, sondern beherrscht auch die hohe Schule des Relativismus. Ausgerechnet das Blatt, das gegen «Scheininvalide» Stimmung macht, spricht im Fall der Kartelle von «einer besonderen Form von Selbsthilfe in der sozialen Marktwirtschaft».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Marktwirtschaft gut – Kartell schlecht? Hier mein Kommentar zur REPUBLIK-Recherche, die einige positive Rückmeldungen erfuhr, auch von Seiten eines der Autoren der Recherche (mehr dazu auf http://www.matthias-wiesmann.ch):
… Kartelle sind eine Begleiterscheinung der Marktwirtschaft … Zwar gibt es heute kaum noch jemanden, der an das Marktmodell glaubt — an dieses Ideenprodukt, das das grösste Wohl aller herbeiführen soll. Trotzdem kann die Markt-unkritische … Skandalisierung von Kartellen immer wieder mit grossem Publikumsinteresse rechnen. Sind alle, die solche Skandale entsetzt zur Kenntnis nehmen, plötzlich glühende Protagonisten des reinen Marktes? … kaum jemand macht sich die Mühe, nach Alternativen zwischen der möglichst vollkommenen Konkurrenz und dem klandestinen Kartell zu suchen. … Kartell ist illegal. Fusionen sind es nicht. Sie sind die schlechtere Lösung, weil sie zunehmen Macht aufbauen. Kooperation liegt in der Natur der Wirtschaft generell. Nur schon, weil jede Unternehmung danach streben muss, Unsicherheit zu reduzieren. … Wie wäre es, wenn man Kartelle erlauben würde, zum Beispiel mit der Verpflichtung, Kalkulationen offen zu legen? Wie wäre es, wenn nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Kunden an den ominösen Sitzungen teilnähmen? … Man kann … nicht bei der Skandalisierung und bei der Bestrafung von Wettbewerbsrecht-Verletzungen stehen bleiben, wenn man irgendwann einen Schritt weiterkommen will. …
Nicht nur die Weltwoche kehrt die Fakten um, sondern auch die Verleger Lebrument und CEO Massüger (lezterer mehrfach) relativieren eklatante Kartellgesetzesverstösse in der eigenen SO. Rachegelüste am früheren SO-Journalisten Durband ?
Das verwundert mich nun gar nicht. Der Weltwoche glaube ich schon lange kein Wort mehr. Sie hat mit fairem, ausgewogenem Journalismus nichts mehr zu tun.
Wer die Weltwoche und die Republik nicht abonniert hat, kann die (konstruierten?) Behauptungen hier auch nicht überprüfen. Zweifel sind angebracht.
Danke für den kritischen Artikel zur Weltwoche.
Ich muss Herr Wiesmann recht geben, dass es keine freien Märkte gibt.
Weder im Gesundheitswesen noch im Energiesektor. Die ganze Welt jubelt wenn sich die Opec Staaten treffen um den Ölpreis anzuheben. Der feie Markt ist eine Fantasie die vor allem Milton Friedman und die Mont Pèlerin Society in die Welt gedichtet haben. In Chile durfte Milton Friedman seine Theorie des Freien Marktes mit viel Unterstützung von Pinochet umsetzen mit tausenden Toten.
Die Frage ist berechtigt welche Form des Marktes wir haben wollen. Frei geht also nicht und in einem Kartell möchten wir auch nicht leben.
Wir könnten Staatliche privilegien wie Lizenzgebühern etc. ja verlosen?
Vielleicht wäre das besser als «the Winner takes it all"?
Wir sollten wenigstens zugeben, dass es keine freien Märkte gibt und uns endlich damit auseinandersetzen.