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Glücksspiel: Drei Referendumskomitees bekämpften Netzsperren für ausländische Online-Anbieter © pixabay/cc

Ausländische Casinos machen Schweizer Politik

Tobias Tscherrig /  Ein bürgerliches Referendumskomitee spannt mit ausländischen Casinos zusammen. Nun droht eine Anzeige wegen unerlaubter Werbung.

«Wir werden bei der Bundeskanzlei 50’000 beglaubigte Unterschriften einreichen», sagt Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz und Co-Präsident des Referendumskomitees «Gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung». Werden sie für gültig erklärt, wird die Stimmbevölkerung an der Urne über das Geldspielgesetz befinden. Umstritten sind die beschlossenen Internet-Sperren gegen ausländische Anbieter von Glücksspielen.

Die Einreichung des Referendums ist der vorläufige Höhepunkt eines umstrittenen politischen Geschäfts, dessen Auswirkungen von historischer Bedeutung sind. Die Schweiz entscheidet nicht nur über die Reglementierung von Glücksspiel – sondern eben auch über die Freiheit des Internets. Trotz der Tragweite des Entscheids, droht die wichtigste Diskussion hinter wirtschaftlichen Interessen zu verschwinden.

Beim neuen Geldspielgesetz werden das bisherige Spielbankengesetz und das Lotteriegesetz zusammengeführt. Nach wie vor braucht es in der Schweiz eine Bewilligung um Spiele um Geld anzubieten. Wer eine besitzt, darf gemäss dem neuen Gesetz aber auch mit dem bisher verbotenen Online-Geldspiel verdienen. Anbietern, die ihren Sitz nicht in der Schweiz haben und deshalb auch keine Bewilligung erhalten, will das Gesetz das Anbieten von Online-Spielen in der Schweiz weiterhin verbieten.

Da sich das Internet an keine Landesgrenzen hält, will die Politik mit Netzsperren agieren: Internetseiten, die vom Ausland betrieben werden und Glücksspiele anbieten, sollen in der Schweiz nicht mehr erreichbar sein. Internetprovider müssten die unliebsamen Seiten sperren. Was wir von Unrechtsstaaten kennen, soll damit in der Schweiz salonfähig werden: Internetzensur. Nicht aus ideologischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Damit soll verhindert werden, dass das Geld der Schweizer Glücksspieler ins Ausland abfliesst.

Mächtige Lobbys am Werk
Sowohl National- und Ständerat debattierten heftig über die Zensur des Internets. Der Ständerat bezeichnete die Netzsperren als gerechtfertigt, da sich Schweizer Anbieter von Glücksspielen an Auflagen zur Bekämpfung von Spielsucht und Geldwäscherei halten müssten. Ein Teil des Nationalrats sah das anders. Er sprach von Bevormundung, von einem Präjudiz für Protektionismus auch in anderen Branchen und von unwirksamen Barrieren. Doch am Ende folgte der Nationalrat dem Ständerat und nahm die Sperren an – entgegen dem Antrag seiner Rechtskommission.

Neben den einheimischen Casinos und Glücksspielanbietern gibt es weitere Interessengruppen, die die inländischen Casinos vor der Konkurrenz im Ausland schützen wollen. Die Glücksspielbranche gibt einen beträchtlichen Teil ihrer Einträge an sie ab. Rund 270 Millionen Franken fliessen in die AHV. Kantone, Sportvereine, Kulturinstitutionen und soziale Projekte erhalten rund 600 Millionen Franken. Damit haben verschiedene mächtige Organisationen ein Interesse daran, ausländische Glücksspielanbieter auszusperren.

Ein Interesse, dass sie im Parlament vertraten. Die Sozialdemokratische Fraktion beschreibt das in einer Anfrage an den Bundesrat mit den Worten: «Vor und während der langen Debatten im Parlament wurden Interessengruppen aktiv wie selten zuvor.»

Schweizer Politik auf dem Roulettetisch
Die Gegner der Gesetzesvorlage formierten sich zu drei Referendumskomitees und bekämpften die Gesetzesvorlage erfolgreich. Das erste Komitee besteht aus der Digitalen Gesellschaft, der Internet Society Schweiz, der Piratenpartei, und aus dem Chaos Computerclub. Auch die Junge Grüne ergriff das Referendum, lehnte es aber ab, mit dem dritten Referendumskomitee, dem «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung», zusammenzuarbeiten. Dieses besteht aus den Jungfreisinnigen, der Jungen GLP und der Jungen SVP.

Die Ablehnung der Jungen Grünen kommt nicht von ungefähr. Das «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung», wird von den ausländischen Glücksspiel-Anbietern «bwin», «GVC», «Pokerstars», «interwetten» und «primanetworks» finanziell unterstützt. Damit lud es eine weitere Interessengruppe in den politischen Kampf ein: die ausländischen Glücksspielanbieter, die die Marktöffnung wollen – um in der Schweiz zu verdienen.

Wurde die finanzielle Unterstützung zu Beginn der Unterschriftensammlung noch mit «einem tiefen sechsstelligen Betrag» angegeben, spricht Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz und Co-Präsident des Komitees «Gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung», in der Luzerner Zeitung vom 7. Januar bereits von einer halben Million Franken.

Silberschmidt sieht darin kein Problem. Gegenüber derselben Zeitung sagte er, die Ablehnung des Gesetzes sei nicht nur im Interesse dieser Firmen, sondern der gesamten Schweiz, da diese mit einer Zulassung ausländischer Anbieter künftig mehr Steuern generieren könne. Ausserdem stünden die einheimischen Casinos, die das neue Gesetz geprägt hätten, ebenfalls unter ausländischem Einfluss.

Die Jungen Grünen sehen das anders. «Wir wollen uns nicht zum Steigbügelhalter von ausländischen Konzernen machen, die hier in der Schweiz ihr Marktvolumen erweitern wollen», sagte Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen in der NZZ am Sonntag. «Unser Interesse ist diametral den Interessen der Geldspiellobby entgegengesetzt.» Auch SP-Nationalrat Manuel Tornare hat Bedenken. Er will vom Bundesrat wissen, welches seine «Haltung in Bezug auf die Unterstützung der Referendumskampagne durch ausländische Unternehmen ist, die in der Schweiz Online-Spiele anbieten und somit klare finanzielle Interessen verfolgen». Die Antwort auf die Anfrage steht noch aus.

Anzeige gegen Komitee wird geprüft
Das Engagement mit den Geldspielanbietern birgt für das Referendumskomitee ein weiteres Problem. Gemäss geltendem Gesetz ist in der Schweiz Werbung für Online-Glücksspiele verboten. Das erfuhr etwa der spanische Fussballclub Real Madrid, als er 2009 in der Schweiz gegen den FC Zürich spielte: Er durfte nicht mit seinem Trikotsponsor «bwin» auflaufen. Und auch der Töff-Star Tom Lüthi hatte Probleme. Er verlor beinahe seine Existenzgrundlage, weil sein damaliger Sponsor «interwetten» in der Schweiz nicht legal werben durfte.

Nun verfängt sich auch das Komitee «Gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung» in diesem Gesetz. «Auf der Internetpräsenz des Komitees sind die Logos von mehreren Unternehmen aufgeführt, die in der Schweiz nicht werben dürfen», sagt Manuel Richard, Direktor der Lotterie- und Wettkommission (Comlot). Zusätzlich seien die Logos mit Links zu den jeweiligen Internetseiten und damit auch zu den Glücksspielangeboten hinterlegt. «Das ist strafrechtlich nicht unproblematisch», sagt Richard. «Wir werden ein Dossier eröffnen und überprüfen, ob der Sachverhalt strafrechtlich relevant ist.» Mit anderen Worten: Das Komitee muss mit einer Anzeige rechnen.

Das Internet verliert
Mit dem erfolgreich eingereichten Referendum gegen das Geldspielgesetz steht der Schweiz ein heisser Abstimmungskampf bevor. Auf der einen Seite steht die einheimische Glücksspielbranche, die Zusammen mit den Nutzniessern des Systems für ein «Ja» werben wird. Auf der anderen Seite stehen ausländische Glücksspielanbieter, die die Marktöffnung wollen und dazu zumindest einen Teil der Gegner finanziell an sich gebunden haben.

Irgendwo dazwischen versuchen Internetaktivisten auf die eigentliche Gefahr hinzuweisen: Beim Geldspielgesetz geht es um mehr als um wirtschaftliche Interessen. Es droht die leichtfertig per Gesetz eingeführte Zensur des Internets. Eine Praxis, die weiteren Zensierungen Tür und Tor öffnen könnte.

Eingriffe in die grundlegende Kommunikationsinfrastruktur seien das falsche Mittel, komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Probleme lösen zu wollen, schreibt etwa die «Digitale Gesellschaft» auf ihrer Internetseite. «Die Aufgabe der Kommunikationsinfrastruktur besteht darin, zuverlässig, nicht-diskriminierend und kostengünstig Daten zu transportieren. Eine Regulierung des Glücksspiels muss möglich sein, ohne diese kritische Infrastruktur durch Netzsperren grundlegend zu beeinträchtigen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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6 Meinungen

  • am 18.01.2018 um 11:56 Uhr
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    Marktöffnung am falschen Ort, wir haben ja in der Schweiz genügend Möglichkeiten für Glückspiele, da braucht es keine Marktöffnung. Diese ist auch dem Liberalismus nicht geschuldet und ist auch kein Zeichen der Marktabschottung. Auch Facebook und Co. werden hoffentlich alsbald auch in anderen Ländern zurückgebunden werden. Diese Internetmanie kreiert kein Wachstum. Und schliesslich würde ich gar gewagte Börsenspekulationen dem Kasino und dem Poker vorziehen.

  • am 18.01.2018 um 12:07 Uhr
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    Herr Guggenbühl, ich kann Ihren Artikel nicht lesen, weil ich vom «inread-experience.teads.tv» abgelenkt werde, eine wirklich perfide Form der Reklame und derzeit meine Adblocker nicht aktivieren kann. Könnten Sie sich dafür einsetzen, dass diese neue Form der Werbung von IS sofort verschwindet, v.a. von Ihrem Artikel? Das ist genau so schlimm wie die bewegte Werbung in Bahnhöfen und sogar Postautos, welche diese zu Unorten degradieren.

  • am 18.01.2018 um 12:10 Uhr
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    Sorry, war der falsche Artikel, entschuldigen Sie. Aber auch diesen kann nicht lesen wegen des ver********* Reklame-Videos.

  • am 18.01.2018 um 16:24 Uhr
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    Wo leben diese Politiker, jeder kann sich mit einem VPN von irgendwo (auch CH) in ein Glücksspiel einloggen, dies ist auch wichtig, da wir auch im Westen immer mehr Zensur erfahren dürfen. Im übrigen bin ich klar gegen Spielsalons und Glücksspiele im Internet, und überall wo es darum geht den Menschen das Geld abzunehmen.

  • am 19.01.2018 um 00:31 Uhr
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    Glückspiele spiele ich höchstens, wenn ich die Bank habe.
    Aber verbieten?
    Diese im Internet verbieten ist blauäugig (VPN) und öffnet gleichzeitig die Tür für weitere Zensuren, bald einmal von infosperber. 🙁

  • am 21.01.2018 um 09:41 Uhr
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    Der Begriff Internetzensur wird missbraucht. Es geht um das sperren von einzelnen Seiten von Gruppen die in der Schweiz Gschäfte machen wollen, dafür aber nicht die notwendigen Abgaben entrichten! Ebensogut könnte man eine Einbahnstrasse als Zensurstrasse benennnen. Genauso dumm! Peinlich dass sich die Gegner gegen das Geldspielgesetz von ausländischen Interessengruppen bezahlen lassen. Insbesondere die Namen von Andri Silberschmidt FDP und Benjamin Fischer SVP lassen aufhorchen. Ist bei diesen Jungpolitikern Käuflichkeit und eine Form von Korruption Teil ihrer politischen Strategie?

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