Wie die Babyboomer im Alter die Umwelt belasten
Neu ist das Problem nicht: Wenn in Familien die Kinder ausziehen, steigt pro Person der Verbrauch an Wohnraum und Heizenergie. Das gilt sowohl für die Ausziehenden als auch für die in den Einfamilienhäusern und Familienwohnungen zurückbleibenden Eltern.
Mehrere Faktoren aber verschärfen jetzt dieses Problem: Die Babyboom-Generation (Jahrgänge 1945 bis 1964), die in ihrer Jugend die Welt verbessern wollte und den Umweltschutz ins Leben rief, erreicht jetzt das Pensionsalter. Diese Babyboomer leben vielfach in Einfamilienhäusern oder geräumigen Wohnungen, die vor mehr als 30 Jahren gebaut wurden und energetisch wenig effizient sind. Sie leben länger als frühere Generationen. Sie bleiben auch länger in den angestammten Räumen, denn verschiedene Schranken erschweren heute den Umzug in neue kleinere Wohnungen. Zudem leben mehr Alte allein, weil sie sich scheiden liessen oder verwittwen.
Je älter, desto mehr Wohnfläche
Die Folgen dieser Faktoren zeigen die Daten über den durchschnittlichen Wohnraumbedarf, aufgeschlüsselt nach Altersklassen: Die die mittlere Wohnfläche von 50 Quadratmetern pro Person steigt demnach ab der Altersklasse 50 steil an, weil dann der Auszug der Kinder beginnt. 60-Jährige beanspruchen im Schnitt bereits mehr als 60 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf, 80-Jährige über 70 Quadratmeter. Ab diesem Alter steigt der Wohnraumbedarf pro Kopf deshalb noch weiter, weil der Anteil an Einzelhaushalten infolge Verwittwung steigt. Das illustriert die nachfolgende Grafik (blaue Linie für «alle Haushalte»).
Die obigen Zahlen hat das auf sozioökonomische Forschung spezialisierte Büro Rütter Soceco für eine Studie des Nationalen Forschungsprogramms NFP 71 erhoben. Bei dieser Studie geht es darum zu erfassen, wie viel Energie die alternde Babyboom-Generation im Wohnbereich sparen kann, und wie sich dieses Sparpotenzial ausschöpfen lässt. Die Verfasser, die ihren Schlussbericht im nächsten Herbst vollenden wollen, verfolgen dazu zwei Strategien.
Wohnfläche pro Person senken
Erstens gilt es, den altersbedingten Anstieg der Wohnfläche zu begrenzen. Das ist auf zweierlei Arten möglich: Entweder ziehen die Alternden von ihrem Einfamilienhaus oder ihrer geräumigen Familienwohnung in eine kleinere Wohnung um. Oder sie sorgen dafür, dass mehr Personen in ihren bisherigen Räumen leben, etwa, indem sie eine Einliegerwohnung einrichten. Diese sogenannte «soziale Verdichtung» stösst jedoch auf Hindernisse. Umzugswillige müssen in kleineren, meist neueren und damit auf teurerem Boden stehenden Wohnungen oft höhere Wohnkosten in Kauf nehmen als etwa in ihrem bestehenden, teils amortisierten Einfamilienhaus. Der Bau von Einliegerwohnungen steht zuweilen im Konflikt mit dem bestehenden Baugefüge oder den Baugesetzen.
Dazu kommen persönliche Widerstände. Das zeigt eine die Studie begleitende Befragung: Zwar nimmt der Anteil der Leute, die ihre Wohnung als zu gross empfinden, ab dem 55. Altersjahr deutlich zu. Doch 24 Prozent aller befragten über 55-jährigen Einfamilienhaus-Besitzer und 38 Prozent der Wohnungs-Eigentümerinnen gaben an, sie wünschten «keine Veränderung» ihrer Wohnsituation; in der Praxis dürfte der fehlende Veränderungswille noch grösser sein.
Wohnbauten energetisch sanieren
Zweitens lässt sich der Energieverbrauch im Wohnbereich senken, indem die Eigentümer ihre Energieeffizienz steigern. Dazu dienen Sanierungen von Gebäudehüllen und Heizungen. Doch hier gibt es ebenfalls Schranken. Mit zunehmendem Alter sind die Menschen weniger bereit, die Umtriebe und Kosten in Kauf zu nehmen, die energetische Sanierungen mit sich bringen.
Zudem fehlt es manchen älteren Leuten an finanziellen Mitteln oder an Kreditwürdigkeit. «Insbesondere für Einfamilienhaus-Eigentümer ist eine Aufstockung der Hypothek oder eine neue Hypothek problematisch», konstatieren die Studienverfasser. Denn mit dem von den Banken kalkulierten Zinssatz von fünf Prozent erfüllten viele Leute nach der Pensionierung und zum Teil schon davor die geforderte finanzielle Tragbarkeit nicht.
Hürden senken, aber wie?
Um den zunehmenden Energie-, Raum- und Naturverbrauch zu begrenzen, den die alternden Babyboomer im Bereich Wohnen verursachen, besteht ein «beachtliches Potenzial», stellt die Nationalfonds-Studie zusammenfassend fest. Will die Schweiz dieses Potenzial ausschöpfen, sind die erwähnten Hürden zu senken. Dazu brauche es tragbare Hypotheken für energetische Sanierungen und bauliche Verdichtungen, aber auch gesetzliche Anpassungen, um bauliche Verdichtungen zu erleichtern, fordern die Autoren. Ebenso wichtig sei es, die Motivation der alternden Bevölkerung zu erhöhen, etwa durch Appelle an die soziale Verantwortung gegenüber dem Umwelt- und Klimaschutz oder durch spezifische Informations- und Beratungsangebote.
Wirkungsvoller und bürokratisch weniger aufwändig wäre eine Lenkungsabgabe auf Wohnraum. Mit diesem marktwirtschaftlichen Anreizmittel könnte der Staat die Leute, die überdurchschnittlich viel Wohnraum und Wohnenergie für sich beanspruchen, zur Kasse bitten und mit dem Ertrag jene Leute belohnen, die sich mit weniger Wohnraum und Energie als der Durchschnitt begnügen. Damit liessen sich auch die Differenzen zwischen tiefen Wohnkosten von alten, umweltbelastenden Einfamilienhäusern und neuen, energieeffizienten und verdichteten Wohnungen vermindern. Doch dieses einfache und wirkungsvolle Mittel stösst auf politischen Widerstand der wachstumsorientierten Wohnbau- und Energiewirtschaft. Darum wird es in der vorliegenden Studie nicht einmal erwähnt, geschweige denn vorgeschlagen.
* Weitere Informationen zur Nationalfonds-Studie «Energiesparpotenziale in Haushalten von älteren Menschen» auf der Homepage des Nationalfonds.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
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Das würde der Baulobby und den Einfamillienhausbesitzern der Quartiere mit gewachsenen Bodenpreisen gerade so passen. Ganze Einfamilienhauszonen mit quartierbelebenden Grünflächen sind in Zug, am Zürichberg oder an anderen attraktiven Lagen bedroht, von geldgierigen Erben zu Appartementblocks mit sechs Wohnungen, aufoptimiert zu werden. Spaziergänger_innen bekommen nur noch riesige Garagentorflächen zu sehen, die Gärten sind zu Abstandsgrün verkommen.Verdichtung ohne jede Lebensqualität ist das. Dieser Prozess der Anonymisierung ganzer Quartiere soll auch noch mittels Strafsteuern angekurbelt werden? Warnungen vor einem grünen Überwachungsstaat kommen mit da in den Sinn. In Zug dient die Modernisierung durch Verdichtung vor allem dem Ansiedeln von gutverdienenden Expats, deren globale Firmen keine Steuern bezahlen. Diese Immoinvestitionen stehen oft 11 Monate lang leer. Siedlungen mit Luxusblöcken dämmern zur Hälfte unverkauft und unbewohnt vor sich hin. Wahrhaft energiesparsam! Grössere Wohnungen verbrauchen mehr Energie? Meine nicht, denn ich drehe die Heizungen der Zimmer ab, die ich nicht ständig brauche.
Adrian Hürlimann, Zug
Wenn die europhilen Jungen sich nicht gegen eine Eindämmung der Zuwanderung stemmen würden, hätten sie es nicht nötig, auf die Alten in ihren zu grossen Wohnungen einzuschlagen.
Sollen wir jetzt aus der 4,5-Zimmer-Eigentumswohnung ausziehen und für eine kleinere Wohnung mehr als das Dreifache der aktuellen Wohnkosten als Mietzins bezahlen? Aktuelle Wohnkosten 615 Fr. pro Monat, NK inbegriffen, vergleichbare Wohnungen kosten 2000 Fr. aufwärts pro Monat. Mit meiner AHV-Rente kann ich mir das schon gar nicht leisten. Wäre ich nicht Wohnungseigentümer, müsste ich schon längst Ergänzungsleistungen in Anspruch nehmen. Der Staat ist schuld an dieser Situation durch die tiefen Renten, viele können sich einen Umzug gar nicht leisten, weil die Renten überhaupt nicht zum Leben reichen.
Guten Tag, besten Dank für den Artikel, trifft genau. Ich bin selbst AHV Grundeinkommensbezüger und stelle fest, dass sich wohl viele meiner Artgenossen des Problems bewusst sind, aber sich für die Erhaltung des Status Quo, alle nur erdenklichen Ausreden einfallen lassen, um ja nicht bei sich selbst ansetzen zu müssen. Da wird weiterhin rumgejettet, kreuz gefahren …..und so auch Wohnraum verschwendet, schlussendlich hat man sich das alles ja redlich verdient (in der Hochkonjunktur). Schuld sind immer die andern , die Flüchtlinge, der Staat …….Bezüglich des Wohnraumes gibt es durchaus Ansätze, für einen weniger verschwenderischen Umgang mit Grund und Boden (siehe dazu etwa “Die andere Stadt“ ISBN 978-3-907522-28-8)
Ich zweifle, ob die Babyboomer tatsächlich die Umwelt mehr belasten als die heutigen, jungen Generationen. Früher gab es pro Familie 1 Auto. Heute hat Tochter & Sohn ja bereits je 1 Auto. Und in den Ferien wird mit dem Flieger in der ganzen Welt herumgejettet. Ich glaube nicht, dass Empfänger von Ergänzungsleistungen dazu auch finanziell in der Lage sind? Da wird ein einseitiges Bild über die Babyboomer gezeichnet. Dann die zahlreichen Elektrogeräte vom Handy, welches nach kurzer Gebrauchszeit wieder gegen das neuste Modell ersetzt wird, bis zur elektrisch betriebenen Pfeffermühle. Auch das Littering geht mehr auf das Konto der Jüngeren, welche teilweise ihre Red Bull Dosen und McDonalds Geschirre überall liegen lassen. Zudem wird die Heizung ja nicht das ganze Jahr über verwendet, wie es der Artikel suggeriert. Wenn man die Unterschiede der Nebenkosten grosser und kleiner Wohnungen vergleicht sieht man, dass kein so grosser Unterschied besteht. Richtig ist, das kleine Wohnungen von Neubauten nicht selten teurer sind als grosse in Altbauten, aber dies ist wohl mehr auf die Bodenspekulation zurückzuführen, wobei auch hinzukommt, dass Neubauten meist als Renditeobjekte erstellt werden.