Vollgeld: Die NZZ hat bereits kapituliert
Man durfte echt gespannt sein: Was würde die meist bankenfreundliche NZZ zum Vollgeld sagen, nachdem klar ist, dass nach der erfolgreichen Initiative zur Einführung des Vollgeldes darüber abgestimmt werden muss?
Eine erste grössere Geschichte zum Vollgeld kam aus dem PC von NZZ-Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli. Und man durfte schmunzeln: Der NZZ-Finanzmarkt-Mann referierte ausführlich über das Vollgeld und seine Vorteile, fand aber eigentlich keine gewichtigen Argumente gegen diese Reform der Schweizer Geldordnung. Sein einziges Argument dagegen: Die Initianten sähen so viele Vorteile beim Vollgeld-System, dass es gelte, vorsichtig zu sein. Wo zu viel Positives aufgetischt werde, sei äusserste Vorsicht angebracht (Infosperber berichtete).
Aber wer ist denn schon Hansueli Schöchli? Jetzt durfte man gespannt sein, was Peter A. Fischer schreiben würde, der Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZ. Und nun ist es passiert: Jetzt hat sich auch pfi. – im Artikel sogar mit vollem Namen – zum Vollgeld geäussert, und zwar gleich doppelt: mit einem Artikel und mit einem Kommentar in der Rubrik Reflexe, nachzulesen in der NZZ auf Papier vom 9.8.2017 auf den Seiten 21 und 32 und auch auf NZZ online hier und hier.
Das Überraschende: Auch der Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZ hat sachlich eigentlich nichts gefunden, das wirklich gegen die Einführung des Vollgeldes spricht. Seine Quintessenz in Kurzform: Auch mit der Einführung des Vollgeldes sind nicht alle Probleme des Finanzmarktes gelöst und nicht alle Gefahren des Finanzmarktes ausgeschlossen.
Niemand erwartet ein Wunder
Auch wer die beiden Texte zweimal liest, findet kaum Gegenargumente. Und das in der bankenfreundlichen NZZ! Mit der Einführung des Vollgeld-Systems wären die Banken nämlich die einzigen, aber die klaren Verlierer des Systemwechsels. Kann es da wirklich sein, dass sogar die NZZ-Redaktion keine harten Gegenargumente gefunden hat?
Ja, so ganz einfach ist es nicht, steht da geschrieben, und ja, ein paar Probleme werden bleiben. Wörtlich (im Kommentar):
«Das Finanzsystem birgt systemische Risiken, gegen die Vollgeld wenig ausrichten würde.»
Mit Verlaub: Haben die Initianten der Vollgeld-Initiative versprochen, dass mit dem System-Wechsel alle Probleme des Finanzmarkts gelöst werden?
Und gleich anschliessend, ebenfalls wörtlich:
«Erheblich schaden könnte das Vollgeld-Regime hingegen der Nationalbank, wenn diese nicht mehr bloss jährlich Gewinne an Bund und Kantone ausschütten, sondern immer wieder direkt Geld verschenken müsste. Verpolitisierte Verteilungskämpfe wären unausweichlich. Der Schweizer Finanzplatz schliesslich würde mit zinslosen Vollgeldkonten, einer eingeschränkten Fristentransformation und einer teureren Finanzierung von Bankkrediten weniger effizient. Die Finanzkrise hat erhebliche Risiken und Fehlleistungen offenbart. Leider gibt es dagegen aber kein so simples Mittel, wie es die Vollgeld-Anhänger gerne hätten.»
Wenn das Problem wirklich nur «verpolitisierte Verteilungskämpfe» um den Gewinn der Nationalbank sind, dann nehmen wir doch dieses Problem gerne in Kauf und legen bei der Abstimmung über die Einführung des Vollgeld-Systems, vermutlich im nächsten Jahr, freudig ein Ja in die Urne.
Vorsicht!
Man könnte die fast schon zustimmenden Artikel der zuständigen Redaktoren in der NZZ ja natürlich auch anders begreifen: Die Banken müssen alles tun, um eine Annahme der Initiative durch das Doppelte Ja des Schweizer Volkes zu verhindern. Wenn sie darauf gehofft haben, dass ihnen die Redaktion der NZZ die Argumentation gegen das Vollgeld gratis liefert, dann sehen sie sich jetzt getäuscht. Umso mehr Geld werden sie in eine Kampagne gegen die Einführung des Vollgeld-Systems investieren müssen. Und davon würde dann natürlich – man rate – auch die NZZ wieder profitieren …
Ein cleverer Schachzug, wenn es denn so wäre.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Ein guter und interessanter Artikel. Es ist tatsächlich entweder kurious, dass die NZZ sich so «positiv» über Vollgeld äussert. Möglicherweise tut man der NZZ aber auch Unrecht, wenn man sie als blosses Sprachrohr der Banken hinstellt.
Die Vollgeld-Initiative ist ja eine liberale Initiative – sie schafft Regulierungen ab, da sie unnütz werden, vergibt den Banken und anderen Unternehmen gleichlange Spiesse -da neu kein Unternehmen mehr selber Geld herstellen darf- und liefert eine einfache, und grundlegende Lösung für TooBigToFail.
Insofern sollte sich ja auch eine liberale Zeitschrift positiv über Vollgeld äussern.
Was mir mehr Sorge bereitet, sind die bezahlten Experten, die für die Bankervereinigung Auftrags-"Studien» über Vollgeld herausbringen. Solange transparent ist, WER die Studie zahlt, hält sich der Schaden an der -zu einer Demokratie lebenswichtigen- Wahrheit immerhin in Grenzen.
Teufel und Beelzebub
Manchmal sind ein paar Fakten nicht schlecht. Die Vollgelder wollen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Bei Licht besehen ist das Hauptproblem im heutigen Geldsystem ist nicht die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken, sondern die explosionsartige Geldvermehrung durch die Zentralbanken. Und ausgerechnet diesen Zentralbanken wollen die Vollgeldler die ganze Verantwortung für das Geldwesen übertragen. Im neuen Testament nannte das Matthäus „den Teufel durch den Beelzebub austreiben“.
Das zeigen die Zahlen für die Schweiz seit Ausbruch der Finanzkrise. Ende 2007 betrug das Total Notenbankgeldes 52,9 Mrd. Franken. Bei den Geschäftsbanken entstand dadurch „privates Geld“ von 232 Mrd. Franken. Der Multiplikator betrug 4,4. Ende 2016 betrug das Total des Notenbankgeldes 546.3 Mrd. Franken. Aus diesem machten die Geschäftsbanken nur 512 Mrd. Franken „privates Geld“, also sogar weniger als das Notenbankgeld. Der Multiplikator steht heute unter dem Wert 1.