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Das AKW Mühleberg gibt rund 70 Prozent der Reaktorwärme in die Aare ab © ensi

Wie das AKW Mühleberg das Klima heizt und kühlt

Hanspeter Guggenbühl /  Wenn die Berner BKW 2019 ihr Atomkraftwerk in Mühleberg abschaltet, wird der Bielersee kühler – leider nur zehn Jahre lang.

Kernkraftwerke schützten das Klima, weil sie – im Unterschied zu Kohle- Öl- und Gaskraftwerken – kein CO2 und damit keinen Treibhauseffekt erzeugen. Mit diesem Argument kämpft die Atomlobby für die Nutzung der «sauberen» Atomenergie. Die Umweltlobby kontert, mit Energiesparen liesse sich der CO2-Ausstoss und die Klimaerwärmung weit stärker vermindern als mit Atomkraft.
Die alte Kontroverse, die stets in einem Patt endet, verdeckt einen andern Befund: Auch Atomkraftwerke heizen das Klima, und zwar direkt. Denn sie wandeln ihre Primärenergie, das Uran, nur zu einem Drittel in nutzbare Elektrizität um. Zwei Drittel verpuffen als Wärme, entweder über einen Kühlturm in die Luft oder direkt in den kühlenden Fluss. Diesen Befund rückt jetzt eine Studie der ETH-Lausanne in ein neues Licht.
Badende merken kaum etwas
Die Autoren der Studie zäumen den Esel am Schwanz auf. Sie untersuchten nämlich mit einem an Seen international erprobten Modell, was lokal passiert, wenn die BKW Energie AG ihr KKW-Mühleberg westlich von Bern 2019 stillgelegt und damit die Aare sowie die nachfolgenden Gewässer nicht mehr aufheizt. Das Resultat: Der Bielersee, in den die Aare ein- und ausfliesst, wird im Jahres-Durchschnitt um 0,3 Grad Celsius kühler. Im Winter kann die Abkühlung an gewissen Stellen mehr als drei Grad erreichen. Auch im weiteren Verlauf der Aare bleibt eine messbare Abkühlung.
In den Medien und bei der betroffenen Bevölkerung stiess die schon im Mai veröffentlichte Studie auf wenig Resonanz, denn die meisten Badenden haben 1972, als «Mühleberg» den Betrieb aufnahm, nicht gemerkt, dass der Bielersee wärmer wurde. Vordergründig ist dieses Desinteresse verständlich. Denn eine starke Bise wirkt sich auf das sommerliche Bad im Bielersee weit stärker aus als der in zwei Jahren wegfallende Reaktor in Mühleberg. Und im Winter wechseln die meisten Schwimmerinnen und Schwimmer ohnehin ins – nuklear oder fossil – geheizte Hallenbad.
Klimaerwärmung kompensiert Kühleffekt
Aber auch klimapolitisch ist das Resultat der Studie nur begrenzt von Belang. Denn die Autoren rechneten aus, dass die Bielersee-kühlende Wirkung, welche die Stilllegung des KKW Mühleberg bewirkt, durch die langfristige Klimaerwärmung schon innerhalb von zehn Jahren wieder kompensiert wird. Daran wird auch der Weiterbetrieb der Atommeiler in Gösgen, Beznau und Leibstadt nichts ändern. Denn unabhängig davon, ob sie laufen oder abgestellt werden: Der Einfluss der Atomenergie auf das globale Klima ist und bleibt wenig relevant. Wer das Klima wirklich schützen will, muss vom Auto auf das Velo umsteigen und sich den winterlichen Flug auf die Bahamas ersparen.


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5 Meinungen

  • am 9.08.2017 um 12:40 Uhr
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    Klimatechnisch mag die Abschaltung der AKWs kaum von Belang sein. Ökologisch betrachtet hat dies aber durchaus einen Effekt: Denn die AKWs wärmen die (Fliess-) Gewässer auf ein paar Kilometern um mehrere Grad auf, was sich direkt auf die lokale Fauna auswirkt. Vor allem Forellen, welche ziemlich empfindlich auf wärmeres (und dadurch Sauerstoff-ärmeres) Wasser reagieren, dürften sich über die bevorstehende Abkühlung freuen – und sich in den Gewässerabschnitten hinter den abgeschalteten AKWs hoffentlich wieder etwas erholen…

  • am 9.08.2017 um 13:05 Uhr
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    Ein AKW ist mitnichten Klima-neutral wie häufig geprahlt wird. Der Uranabbau, der Bau des Atomkraftwerks, die Entsorgung der radioaktiven Abfälle für die nächsten 100’000 Jahre, alle diese Schritte produzieren und werden CO2 produzieren.
    Der Schlusssatz ist jedoch Quatsch resp. polemisch. Eine angemessene Ressourcenbesteuerung würde das Problem Klimawandel lösen: Ein Flug in die Bahamas wäre etwas teurer (ca. 15%) und das Auto würde wegen der Benzinkosten sparsamer und schlussendlich elektrisch werden.
    Es wird ausserdem immer wieder vergessen, das Erdöl jährlich mit Milliarden subventioniert wird.

  • am 9.08.2017 um 18:02 Uhr
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    Ich habe dazu zwei Bemerkungen:

    – Das Uran zerfällt so oder so, in der Natur aber viel langsamer als im Reaktor. Trotzdem wird dieselbe Menge Wärme frei, einfach woanders. Lokal und innerhalb unserer Lebenszeit spielt es also eine Rolle, global und langfristig aber nicht.

    Wenn die Klimaerwärmung die Abschaltung innerhalb von zehn Jahren kompensiert, macht es erst Recht Sinn, Mühleberg abzustellen, da es sonst einfach noch mehr wäre.

  • am 10.08.2017 um 09:38 Uhr
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    Ich finde die Argumente als nicht relevant und erwähnenswert. Hingegen erinnere ich als «alter Ing». noch bestens, als die BKW aus falschen Rentablitätsgründen (ohne Berücksichtigung der externen Umweltgewinnungskosten) die Abwärmenutzung nicht in die Planung einbezog. Damit versäumte man, dass der Westteil der 10 km entfernten Stadt Bern mit Heizwärme versorgt wurde. Als skandalträchtig finde ich jedoch die Tatsache, dass diese noch heute, mehrheitlich dem sehr umweltbewussten Kanton Bern gehörende Firma, die PV-Betreiber mit 4 Rp./kWh Stromlieferkosten abstraft.

  • am 25.08.2017 um 09:32 Uhr
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    Sehr geehrter Herr Guggenbühl

    Bitte bleiben Sie in Ihrer Argumentation sauber – wie die Kernenergie.
    Der Mechanismus mit der Abwärme stimmt natürlich; er funktioniert aber genauso bei allen fossilen Kraftwerken: Kohle, Öl, Gas, Gas-Kombi. Auch diese Anlagen haben Kühltürme (sofern nicht mit Flusswasser gekühlt)… Somit wird die Sauberkeit der Kernkraft durch Ihre Aussage in keiner Weise relativiert.

    Noch etwas zu den Abfällen: Atomabfall zerfällt, je nach Art u.U. sehr langsam; aber er zerfällt. Filterstäube aus Rauchgasreinigern (fossile KW, speziell Kohle) sind hoch toxisch, zerfallen NICHT, sind wasserlöslich (im Gegensatz zu stark radioaktivem, verglastem Atomabfall) und fallen in gigantischen Mengen an. Warum wird das nicht in den Medien diskutiert?

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