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Von aussen gesehen: der Eingang zum Saatgut-Tresor auf Spitzbergen © NT

Geplant und gebaut fürs Überleben der Menschheit

Christian Müller /  Der Saatgut-Tresor auf Spitzbergen, installiert für die Ewigkeit, ist bereits durch zu hohe Lufttemperaturen bedroht.

Fragt man mich, wie viele Reis-Sorten ich kenne, beginne ich mit den Fingern zu zählen – schon eine Hand genügt. Begnadetere Köchinnen und Köche mögen zehn oder zwanzig Sorten kennen. Aber es gibt, so schätzen die Biologen, weltweit etwa 100’000 Sorten.

Nur, es sind alle Jahre weniger. Für eine profitable Verwertung auf dem Markt – einem profitablen, von Grosskonzernen beherrschten Weltmarkt – ist die Vielfalt eher ein Hindernis als ein Vorteil. Wo die Kleinbauern vertrieben und enteignet sind und wo diese globalen Konzerne ihre riesigen, vollmechanisierten und mehr und mehr auch computerisierten Farmen betreiben, hat Diversität – die natürliche Vielfalt der Pflanzen – keinen Platz mehr.

Reis ist nur ein Beispiel. Die Artenvielfalt, sowohl in der Tierwelt wie auch in der Pflanzenwelt, nimmt ab, ist mehr und mehr bedroht. Und bei den Pflanzenarten, die wir zu unserer Ernährung brauchen können, kommen, vielleicht mit Europa als vorläufige Ausnahme, mehr und mehr genetisch manipulierte Sorten zum Einsatz. Mit Vorteil, wie die gigantischen Konzerne, etwa Monsanto, behaupten, weil der Ertrag gesteigert werden könne, mit Nachteilen und unbekannten Gefahren, wie viele Biologen wissen, weil viel mehr Kunstdünger und auch hochgiftige Insektizide eingesetzt werden müssen. Und die Auswirkungen auf andere Lebewesen sind noch kaum erforscht.

Die Vielfalt muss erhalten bleiben

Besorgte Wissenschaftler haben deshalb schon vor Jahren angefangen, Pflanzensamen zu sammeln und an sicheren Orten für die Zukunft zu lagern – zur Sicherstellung der Biodiversität, vor allem aber auch fürs Überleben der Menschheit, sollte sie durch irgendwelche Katastrophen bedroht sein oder sich mit ihren riskanten Eingriffen in die Natur selber in Gefahr bringen.

Das wohl grösste und im Moment wichtigste «Lagerhaus» zur geplanten mehrtausendjährigen Lagerung von Saatgut ist das Svalbard Global Seed Vault (SGSV), ein unterirdisches Lager im Permafrost auf der im hohen Norden gelegenen Insel-Gruppe Svalbard, hierzulande besser bekannt unter dem Namen Spitzbergen, zwischen Norwegen und dem Nordpol.

Die Inselgruppe Svalbard (Spitzbergen) auf 78° nördlicher Breite wurde als Standort für ein grosses und sicheres Lager ausgewählt, weil
– Svalbard der nördlichste Punkt der Erde ist, der mit einem fahrplanmässigen Flug erreichbar ist,
– das Gebiet geologisch stabil ist, die Feuchtigkeit tief und die unterirdischen Räume über dem Meeresspiegel liegen, sodass keine Überschwemmungsgefahr besteht,
– und weil der Permafrost eine dauerhafte Temperatur unter Null bietet, die auch bei Ausfall künstlicher Kühlung aufrechterhalten bleibt.

Der 120m lange Zugangstunnel zum unterirdischen Lager

Das unterirdische Lagerhaus, das 120m in den Fels hineingebaut ist, umfasst drei Hallen, 6 x 27m in der Fläche und 6m in der Höhe, mit viel Beton gesichert. Die Anlage wurde im Jahr 2008 in Betrieb genommen. Hier, in diesem unterirdischen Saatgut-Tresor, wie die Anlage auf deutsch genannt wird, lagern bei einer permanenten Temperatur von minus 18 Grad Celsius bereits rund 850’000 Samen-Pakete mit, als Beispiel, bereits über 5000 Getreide-Sorten.

Saatgut im Tresor auf Spitzbergen: sicher gelagert für den Notfall – und für Jahrtausende

Erste Rückführung von Saatgut nach Syrien

Der erste Saatgut-Ernstfall ist bereits eingetreten. Zum ersten Mal seit Inbetriebnahme des Saatgut-Tresors und früher als erwartet kam aus dem kriegsverwüsteten Syrien ein Hilferuf. Zum ersten Mal werden zurzeit Saatgut-Pakete zurück in eine Region gebracht, aus der sie angeliefert worden waren. Mehr dazu hier, in englischer Sprache.

Aber schon gibt es auch Probleme …

Doch so optimistisch man war, auf Svalbard einen für Jahrtausende sicheren Ort für die Lagerung von Saatgut gefunden und gesichert zu haben: auch hier ist der Klimawandel bereits spürbar. Nur acht Jahre nach Betriebsaufnahme, im Herbst 2016, lief von auftauendem Permafrost Wasser in den Eingangstunnel, und bereits mussten auch bauliche Massnahmen ergriffen werden, um dem Eingangsgebäude wieder Stabilität zu geben.

BBC London hat darüber berichtet, ein 3-Minuten-Video.


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Keine

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Eine Meinung zu

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 4.06.2017 um 12:48 Uhr
    Permalink

    Solche Nachrichten sollte man mehr zu lesen bekommen.

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