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Hongrin-Stausee, gefüllt mit dem aus dem Lac Léman hochgepumpten Wasser © Wikimedia Commons

Das Wunder von der Strom «erzeugenden» Batterie

Hanspeter Guggenbühl /  Die Schweiz wird künftig weniger Strom produzieren. Grund: Die neuen Pumpspeicher-Kraftwerke. Eine Klärung.

«Das Kraftwerk in Veytaux am Genfersee kann pro Jahr rund eine Milliarde Kilowattstunden (kWh) Spitzenenergie erzeugen. Dies entspricht dem Stromverbrauch von etwa 300 000 Haushalten.» Mit diesen und ähnlichen Worten – basierend auf der Medienmitteilung des federführenden Stromkonzerns Alpiq – berichten heute einige Schweizer Medien über die Einweihung des erweiterten Pumpspeicher-Kraftwerks Hongrin-Léman; dieses verstromt das vom Genfersee (korrekt: Lac Léman) in den Hongrin-Stausee hinauf gepumpte Wasser.

Diese Berichte sind unvollständig. Und sie erwecken den Eindruck, eine Batterie – und um das handelt es sich bei Pumpspeicher-Kraftwerken – könne Strom «erzeugen». Das wäre ein Wunder. In Wirklichkeit wandelt das Pumpspeicher-Kraftwerk in Veytaux am Lac Léman jährlich 1,2 Milliarden kWh Pumpstrom, der in andern Kraftwerken zuerst erzeugt werden muss, mit einem energetischen Verlust in eine Milliarde kWh Spitzenstrom um (Nachtrag: inklusive Stromanteil aus natürlichen Zuflüssen). Wobei sich diese Erwartungen der Alpiq wohl als übertrieben erweisen dürften.

Doppelte Leistung, mehr Stromverbrauch

Der Reihe nach: Das Pumpspeicherwerk Hongrin-Lémann befindet sich im Besitz des Stromkonzerns Alpiq sowie von mehreren Westschweizer Verteilwerken. Es verfügte schon bisher über eine installierte Leistung von 240 Megawatt. Die Erweiterung verdoppelt diese Leistung – mit je zwei Maschinengruppen à 120 Megawatt – jetzt auf 480 Megawatt. Bei Volllast lassen sich aus technischen Gründen aber nur 420 Megawatt nutzen; 60 Megawatt bleiben also in Reserve, falls mal eine Maschinengruppe ausfällt. Soviel zur Leistung.

  • Wenn nun, wie die Alpiq erwartet und schreibt, in der erweiterten Kraftwerkzentrale künftig pro Jahr «rund eine Milliarde Kilowattstunden» Strom produziert (also turbiniert) werden, dann müssen die Turbinen mit ihrer maximalen Leistung von 420 Megawatt (MW) während rund 2400 Stunden pro Jahr das Wasser aus dem Hongrin-Stausee auf Volllast turbinieren (Die Rechnung: 1 Mrd. kWh = 1 Million MWh, dividiert durch 420 MW, = 2381 Std.)
  • Nachtrag: Die Alpiq teilte nach Redaktionsschluss mit, bei der Produktionserwartung von einer Milliarde kWh sei die Produktion aus natürlichen Zuflüssen im Umfang von 0,15 Milliarden kWh inbegriffen. Aus dem Pumpbetrieb allein erwartet die Alpiq also nur 0,85 Milliarden kWh.

  • Bei einem Wirkungsgrad von 80 Prozent (ein Mittelwert, bei Hongrin-Léman liegt er etwas tiefer), also einem Pumpverlust von mindestens 20 Prozent, müssten die Pumpen damit während rund 3000 Stunden laufen, um das Wasser vom Lac Léman in den 875 Meter höher gelegenen Hongrin-Stausee hinauf zu befördern. Nachtrag: Die Alpiq rechnet unter Berücksichtigung der natürlichen Zuflüsse und des etwas tieferen Wirkungsgrad mit 2800 Pumpstunden. Dabei verbrauchen diese Pumpen rund 1,2 Milliarden kWh Strom, den andere Kraftwerke im In- oder Ausland zuerst erzeugen müssen. Unter dem Strich ergibt das im Pumpspeicher-Kraftwerk Hongrin-Léman allein – und damit in der Schweizer Strombilanz – trotz natürlichen Zuflüssen eine Einbusse von 0,2 Milliarden kWh Strom. Das entspricht einem Anteil von 0,3 Prozent an der gesamten jährlichen Netto-Stromerzeugung in der Schweiz.
  • Die Annahme von 2800 Pump-Volllaststunden ist allerdings sehr optimistisch. Das zeigt folgender Vergleich: Alle bestehenden Schweizer Pumpspeicher-Kraftwerke verfügten 2016 über eine Pumpleistung von 1760 Megawatt. Im Jahr 2016 verbrauchten diese Pumpen gemäss Elektrizitätsstatistik 2,9 Milliarden kWh Strom. Das ergibt 1650 Pumpstunden bei Volllast. Dieser Mittelwert ist also viel kleiner als die Hongrin-Prognose der Alpiq.

Für Haushalte und Versorgung?

Etwas schräg ist der eingangs zitierte Vergleich mit dem «Stromverbrauch von 300 000 Haushalten». Denn Pumpspeicher-Kraftwerke pumpen und produzieren den Strom nicht primär zu Gunsten der Haushalte. Sondern sie pumpen mit Bandstrom und produzieren Spitzenstrom, um mit der Preisdifferenz trotz energetischem Verlust Geld zu verdienen.
Auch die Aussage, «das neue Kraftwerk trägt einen wichtigen Teil zur Bewältigung der Herausforderungen der zukünftigen Stromversorgung unseres Landes bei», die der Präsident der Betreibergesellschaft, Pierre Alain Urech, bei der Einweihung machte, trifft nur bedingt zu. Die Erweiterung dieses Pumpspeicher-Kraftwerks kann zwar – wie andere auch – die Schwankungen zwischen Produktion und Verbrauch von Strom ausgleichen, aber nur kurzfristig. Dazu hat es in der Schweiz aber schon heute mehr als genügend Leistungskapazität.
Die «Herausforderung» für die künftige Stromversorgung ergibt sich aus dem Verbrauchs- respektive Importüberschuss im Winterhalbjahr; mit der Abschaltung der alten AKWe wird dieser Importüberschuss zunehmen. Dazu trägt der Leistungsausbau aber wenig bei. Denn der Hongrin-Stausee, der vollgepumpt 52 Millionen Kubikmeter Wasser speichern kann, ist schon nach 25 Tagen vollständig geleert, wenn alle Turbinen mit Volllast produzieren. Es handelt sich also um einen Wochen- bis Monats-, nicht – wie bei grösseren Stauseen – um einen Saisonspeicher.

Viel billiger als Linthal 2015

Ein Wort noch zum Geld: Der Ausbau der Kraftwerkzentrale um 240 Megawatt installierte und 180 Megawatt nutzbare Leistung kostete 311 Millionen Franken. Ergibt 1,3 Millionen Franken Investition pro Megawatt Leistung. Zum Vergleich: Der Bau des Pumpspeicher-Kraftwerks Linthal 2015 mit 1000 Megawatt Leistung, das diesen Sommer endlich den Betrieb aufnehmen sollte, kostete 2,1 Milliarden oder 2,1 Millionen Franken pro Megawatt. Ähnlich hoch dürften die Investitionskosten beim Alpiq-Projekt Nante de Drance ausfallen. Was zeigt: Der Ausbau der Pumpspeicher-Anlage Hongrin-Léman ist rentabler (oder weniger unrentabel) als der Neubau von Linthal 2015 im Kanton Glarus und Nant de Drance im Wallis.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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7 Meinungen

  • am 12.05.2017 um 12:28 Uhr
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    Hanspeter Guggenbühl ist einer der wenigen Journalisten, der nicht auf die Halbwahrheit solcher Meldungen hereinfällt, der Mär von «Stromproduktion» durch Pumpspeicherwerken. Gestern brachte sogar das «Echo der Zeit» von Radio SRF diese Falschmeldung. In Wirklichkeit gibt es, wie der Artikel schön zeigt, Verluste.

    Das heisst natürlich nicht, dass die Pumpspeicher nicht sinnvoll sein können, nämlich dann, wenn es wirklich darum gehen wird, z.B. überschüssigen Solarstrom vom Tag oder schönen Sonntag in den Abend hinein, oder zu einem Werktag oder Tag mit starker Bewölkung zu verschieben.

    Diese Notwendigkeit ist aber in der Schweiz noch sehr selten oder noch lange nicht gegeben. Ich vermute auch, dass so grosse Speicher nie nötig sein werden, da vermehrt dezentrale Batteriespeicher eingesetzt werden werden.

    Batteriespeicher sind zwar teurer und vermutlich weniger umweltfreundlich und effizient, aber sie sind am richtigen Ort und verkleinern die Übertragungsverluste statt sie zu vergrössern wie die Pumpspeicherwerke, die zudem auf Hochspannungsleitungen angewiesen sind. Zudem vegrösseren sie die Resilienz der Schweiz in Krisenzeiten, während der Unterhalt von Staumauern nur in einer reichen und zuverlässigen Gesellschaft funktioniert.

  • am 12.05.2017 um 19:18 Uhr
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    Was die Presse-Stelle der Alpiq von sich gibt, könnten wir als “Euphemismus auf Starkstrom” zusammenfassen.

  • am 13.05.2017 um 07:21 Uhr
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    Mit den neuen Pumpspeicher-Kraftwerken baut die Schweiz ihre vorzügliche Stellung im europaischen Strommarkt weiter aus. Diese sind nun auch die Grundlage für die Kompensation der dringend notwendigen Ersetzung der Oel-und Gasfeuerungen für die Wärmeerzeugung. So könnte z.B. bei System ZE-2SOL der überschüssige Strom im Sommer, im Winter für den Wärmepumpenbetrieb eingesetzt werden. Jammern wegen momentanen Verlusten sind also fehl am Platze, denn die Energieunabhängig würde sich entscheidend verbessern. Die heutige, auf reine Gewinne beruhende Kostenberechnungen ohne Berücksichtigung der externen Kostengewinne sind verantwortungslos. Mehr unter http://www.energieconsult.ch

  • am 14.05.2017 um 16:12 Uhr
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    Hanspeter Guggenbühl hat grundsätzlich recht, im Sinne dass ein Pumpspeicherwerk eher ein Akku ist. Sein Bericht ist aber unvollständig: Leistung ist nur ein Parameter unter anderen, Pump- und Turbinenkapazität sind auch entscheidend. Soweit ich weiss hat der Ausbau Hongrin-Léman im Gegenteil zu Linthal 2015 und Nant de Drance gar nichts zur Speicherkapazität beigetragen – ein auf reiner Leistung basierender Vergleich ist nicht zutreffend.
    Zur Rentabilität: Es gibt ökologische Wege, die Schwankungen von Sonne und Wind auszugleichen, u.a. mittels PSW, und «rentable», z.B. mittels alten Kohlekraftwerken, wie im grossen Kanton üblich…

  • am 14.05.2017 um 21:44 Uhr
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    NEUE MÖGLICHKEIT: AUFWINDKRAFTWERKE IN DEN BERGEN AM BERGHANG

    In den Bergen muss man keine Stauseen bauen, sondern eine Röhre am Berghang oder ein steiler Tunnel genügt: Man baut eine Röhre am Berghang, oder an der Steilwand, oder man baut einen steilen Tunnel mit 300 bis 1km Höhenunterschied. Warme Luft steigt auf und so ist dauernd ein Wind in der Röhre. Am unteren Ende installiert man eine oder mehrere Turbinen und eine Trafostation. So hat man ein Aufwindkraftwerk. Man kann den Effekt mit einem Wärmepuffer am Boden steigern, indem Luft im Umkreis durch schwarze Planen erwärmt und mit Wasserschläuchen für die Nacht gespeichert wird. Die Technik ist durch das Aufwindkraftwerk von Manzanares in Spanien bekannt, wurde aber noch nie an einem Berg angewandt, wie es ursprünglich gedacht war. Die Energie durch Aufwind produziert kaum Schäden oder Abfall, einfach ein bisschen Verschleiss.
    1. Die Daten von Manzanares 1982-1989: http://www.med-etc.com/energien-erneuerbar/windenergie/aufwindkraftwerk01-meldungen.html
    2. Meine Studie über Aufwindkraftwerke am Berghang: http://www.med-etc.com/energien-erneuerbar/windenergie/aufwindkraftwerk02-am-berghang-Palomino.html

    Die ETH hat das alles noch nicht erforscht. Was ETH nicht macht, wissen die CH-Medien von Tettamanti nicht…

  • am 17.05.2017 um 19:01 Uhr
    Permalink

    Endlich ein Artikel der das Problem mit Zahlen belegt. Bravo.

    480 Megawatt Leistung nehmen die Pumpen auf. Man würde meinen, dass man damit Schweizer Solarstrom speichern könnte. So wurde das oft bei Pumpspeicherwerken in den Medien geschrieben. Doch…

    Wasser-Speicherkraftwerke haben Gesamtschweizerisch heute die Leistung von 8’000 Megawatt. PV Anlagen nur 1’600 Megawatt. Will heissen: Erst wenn wir 5 mal mehr Phototovoltaik-Anlagen haben als heute, werden die Pumpspeicherwerke für den Zweck Solarspeicher benötigt. Bis dann kann mit herkömmlichen Wasserkraftwerken die Leistung geregelt werden.
    Man rechne selber: Auf der Warteliste KEV befinden sich 2’000 Megawatt gemeldete Anlagen.
    2’000 MW+ 1’600 MW = 3’600 MW. Also: Auch wenn die KEV Warteliste abgebaut sein wird, braucht es KEINE Pumpspeicherung. Die herkömmlichen Speicherseen reichen zur Lastregelung immer noch aus.

    Man muss schliessen, dass die Pumpspeicherwerke einfach ein Geschäftsmodell der EW sind. Sinnvoll sind sie (heute und noch lange) nicht. Aber, bei noch mehr Photovoltaik könnten sie es werden.

  • am 1.06.2017 um 15:19 Uhr
    Permalink

    Intéressantes considérations, merci ! Je m’étais déjà exprimé dans le même sens lors du début des travaux de Hongrin+:

    Hors de moi l’idée de dénigrer l’extension du complexe de pompage turbinage de l’Hongrin. Celui-ci permettra de stocker dans le barrage de l’eau pompée du lac pour la restituer aux heures de pointes sous forme d’énergie hydraulique électrique. L’eau ainsi pompée l’est aux heures de faible consommation (surtout la nuit) par de l’électricité « en ruban », et en surplus, issue de centrales nucléaires ou à charbon.
    Ceci étant, je suis surpris de l’affirmation, répétée à chaque article sur ce projet de complexe hydro-électrique (24Heures des 8.4.2011 et 15 octobre dernier), selon laquelle celui-ci <<pourra alimenter 250’000 ménages, soit le tiers du canton>>.
    Cette information n’est pas complète. En effet, l’installation travaillera sur des cycles courts de pompage et de turbinage pour produire de l’électricité uniquement aux moments de forte demande et en grande partie pour l’exportation. Or nous avons constamment besoin d’électricité, non seulement aux heures de pointe !
    Le pompage turbinage est certes lucratif, il n’apporte toutefois aucun kwh supplémentaire aux ménages de notre canton puisque l’énergie ainsi produite est «mangée » par celle consommée lors des phases de pompage avec des pertes de rendement de l’ordre de 20%. En d’autres termes, il faut plus d’énergie pour le pompage que celle produite lors du turbinage !
    Serge Ansermet, Vevey
    Oct. 2012

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