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Gute Stimmung vor dem Republik-Hauptquartier in Zürich. © Republik-Emailversand

Gesucht – und gefunden: Geld für Geist!

Robert Ruoff /  Am 26. April 2017, 07.00 Uhr, hat das Abenteuer «Crowdfunding» für die «Republik» begonnen. Ein enormer, auch symbolischer Erfolg.

Es sieht gut aus, sehr gut, für die «Republik». Das «schlanke, schlagkräftige Magazin» – die Selbstbeschreibung –, also das Online-Magazin von Constantin Seibt und Christof Moser als Journalisten mit ihrer Aufbau-Crew von insgesamt 10 Personen, soll von Investorinnen und Spendern 3, 5 Millionen Franken erhalten.
Die Zusage gilt unter der Bedingung, dass das die Genossenschaft für das Projekt 3000 Mitglieder hat, die weitere CHF 750’000 beisteuern.
Am 26. April um 07 Uhr 00 hat das Crowdfunding begonnen. Am 26. April um 09:43 Uhr hatten 1101 Unterzeichner CHF 300’214 zugesagt. Und der Erfolg hält an – er wird am Schluss dieses Beitrages aufdatiert.

Zeit für neuen Journalismus

«Es ist Zeit, dem Journalismus ein neues Fundament zu bauen», sagen Constantin Seibt und Christof Moser, sagt die ganze Aufbau-Crew mit IT und Verlag, die vor allem und zuerst eine Infrastruktur baut, die diesen Journalismus tragen soll. Konzentration auf das Wichtige ist das Leitprinzip – also nicht die «kleinen Empörungsgeschichten» und die «politische Doppelzange», mit denen Profit und Politik verbunden wird. Politik, die einerseits mit strikter Parteidisziplin arbeitet – das wissen wir ja mittlerweile, dass Abweichler in der SVP sehr schnell an die Kandare genommen werden und, wenn es den erfolgversprechend oder notwendig erscheint, auch öffentlich in der «Basler Zeitung» oder der «Weltwoche» an den Pranger gestellt werden.
Seibt nennt das die Renaissance der Parteipresse oder – und das ist wohl präziser – die Medienwelt der Oligarchen, also der Milliardäre, die sich aus der Medieninvestition politischen Profit versprechen. Darum die «BaZ» und die «Weltwoche», darum die Investitionen in die NZZ, darum die Verhandlungen mit Tamedia und darum die Gerüchte um das – durchaus reale – Projekt von Christoph Blochers Gratiszeitung. Und selbstverständlich auch darum die Angriffe auf die SRG.

Gegen die Medien-Oligarchie

Blocher und sein Kreis – Walter Frey, Tito Tettamanti, Thomas Matter und wie sie alle heissen – betreiben im Kleinstaat Schweiz das gleiche Geschäft wie – ja: Berlusconi – aber auch und ganz besonders wirkungsvoll Rupert Murdoch mit seinem globalen Multimedia-System. Mit Hunderten von Zeitungen, auf dem Boulevard und im Finanzgeschäft, vom Wall Street Journal bis zur britischen «The Sun» und vom Satelliten System von «Sky» bis zu «Fox News», mit denen er das Seine zum Brexit und zu Donald Trump beigetragen hat.
Die «Republik», die dem entgegensteht, ist ein kleines Element in diesem globalen Mediensystem, und doch ist es von entscheidender Bedeutung. Sie hat die Eigenschaften der republikanischen Gemeinschaft, in der die Bürger sich ihr gemeinsames Gut finanzieren und organisieren und es gemeinsam nutzen. Diese Gemeinschaft der Citoyens ist der Kern des Erfolgsmodells der Schweiz. «Republik» kann, so gesehen, Ausdruck eines gemeinsamen politischen Willens gegen die autoritär kapitalistische Herrschaft der Oligarchen werden, wie die Gegenbewegung gegen Trumps libertäre Despotie in den USA.

Dialektik der Geschichte

Dann ist auch eine Figur wie Barack Obama nicht nur eine Episode der Geschichte, wie es gestern Abend Raoul Peck auf arte sagte, der Regisseur des Films «I Am Not Your Negro». Dann ist Obama ein wichtiges Element in der Geschichte des Kampfes zwischen autoritärer Herrschaft – einer Rasse in diesem Fall – und der demokratischen Bewegung für die allgemeinen Bürgerrechte. Ein paradoxes Element selbstverständlich, weil er den Aufstand der Weissen provoziert hat aus dem ganz einfachen Grund, dass er ein Schwarzer ist und als Schwarzer Präsident wurde im Weissen Haus.

Obama war der Katalysator für die reaktionäre Versammlung der weissen Suprematisten, die sich die «weisse Überlegenheit» nicht nehmen lassen wollten. So wie jetzt Donald Trump der Katalysator wird der aufgeklärten, freiheitlichen Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich diese Rassismus nicht länger aufzwingen lassen wollen, denn es ist selbstverständlich auch ein Rassismus gegen die Frauen, die Latinos, die Schwulen, Lesben, Muslims, die Jugos und die Türken und all die anderen und Fremden.

Und die sich die Frage stellen müssen, die James Baldwin gestern Abend wieder gestellt hat, in «I Am Not your Negro», die Frage nämlich: «Warum brauchen wir diesen Rassismus» – also die Frage nach dem Wunsch der Verachtung und Vernichtung der anderen, die wir uns alle stellen müssen.

Medien und Politik

Solche Fragen, die tief in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit hineinreichen, solche Fragen wird sich die «Republik» stellen müssen und mehr noch: Sie wird begründete Antworten finden müssen für eine politische Bewegung, die die Freiheit und die Gleichheit und die soziale Gerechtigkeit und die Geschwisterlichkeit der Menschen suchen und verwirklichen will.

Dieser Wunsch, dieses tiefe Bedürfnis ist fühlbar und sichtbar da und der Wunsch nach der freien Rede und Klärung dieser Fragen. Das zeigt sich gerade auch im Erfolg des Crowdfunding für die «Republik», das in einem halben Tag fast eine halbe Million Franken zusammengebracht hat und – so vermute ich mal, am 26. April 2017, um 11 Uhr 30, – er wird in den ersten 24 Stunden tendenziell schon die neue vorgegebene Zahl von 5000 Mitgliedern der Genossenschaft der «Republik» erreichen, und die vorgegebene Summe von 750’000 ist bereits nachgerade mal 7,5 Stunden übertroffen worden.
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Den aktuellen Stand der Einzahlungen findet man jederzeit hier.
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Medien waren immer auch Ausdruck einer gesellschaftlichen Bewegung, mehr noch als das Organ einer politischen Partei oder einer beruflichen, ständischen oder sozialen Organisation. Sie waren der Ausdruck einer bürgerlichen Befreiungsbewegung gegen die feudale Herrschaft, ein Mittel der politischen Bündelung der Landbevölkerung für ihre Interessen im Industriestaat und eine Stimme der Emanzipation der Arbeiterklasse und (noch nicht wirklich) anderer Emanzipationsbewegungen.

Medien für eine neue Republik

All das ist weitgehend verloren gegangen in der offenen und verdeckten Konzentration und Kommerzialisierung der Medien in der Schweiz (leicht nachzulesen auf der Website www.republik.ch).

«Republik» knüpft an diese Geschichte an, und so steht die Initiative als Symbol und vielleicht auch als Kristallisationspunkt für eine politische Bewegung, die sich noch nicht wirklich gefunden hat und sich doch langsam herausbildet. Als Echo der Vergangenheit eher in den traditionellen Parteien wie der SP, auf die auch die etablierten Journalisten noch ihren Blick fixieren, mehr wohl in Bewegungen wie die Grünen, die eben diese Werte von Freiheit, Gleichheit und Solidarität miteinander verbinden, oder wie die «Operation Libero» die dem Mythen-Patriotismus den weltoffenen Verfassungspatriotismus entgegensetzen, oder wie die Frauen und die Wissenschafter gegen Trump, die sich aus dem Elfenbeinturm hinausbewegen in die Gesellschaft hinein.

«Republik» müsste genau das sein: Journalismus in der Wirklichkeit der Gesellschaft, orientiert an den Bedürfnissen der Gesellschaft, Stimme und Versammlungsort, Gemeingut der Bürgerinnen und Bürger einer neu zu belebenden Helvetischen Republik. Wenn das gelingt, steht «Republik» tatsächlich am Anfang einer neuen Medienzeit.

Good luck!

NACHTRAG DER REDAKTION
Aktualisierte Zahlen des Crowdfunding:
Am 26. April um 14.49 Uhr sind beide Ziele erreicht worden: 3002 Mitglieder der Genossenschaft hatten 781’571 Franken. zugesagt. Nach 10 Stunden 34 Minuten, um 17 Uhr 34, wurde 1 Million Franken überschritten. Am Abend hatten über 5000 Mitglieder einbezahlt, was erlaubte, die Zahl der Auszubildenden von 2 auf 4 zu verdoppeln. Tags darauf erklärten die Verantwortlichen, dass die Redaktion von 10 auf 11 Stellen aufgestockt werde, falls die Zahl der SpenderInnen 7000 überschreite. Dieses Ziel wurde nach wenigen Stunden erreicht. Um 14.40 Uhr hatten 7037 Mitglieder 1 797 957 Franken einbezahlt.

Die Redaktionsleitung des Infosperbers gratuliert dem neuen Projekt und wünscht weiter viel Erfolg. Wir begrüssen alle Anstrengungen, einen unabhängigen Journalismus zu erlauben und zu fördern.
Dazu ein Hinweis in eigener Sache: Infosperber muss nicht abonniert werden, sondern wird durch Spenden finanziert. Finanzstarke Leserinnen und Leser können mehr beitragen und Infosperber bleibt für alle frei zugänglich.
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Eine Meinung zu

  • am 28.04.2017 um 11:13 Uhr
    Permalink

    Es gibt im deutschen Sprachraum seit Jahren eine ganze Reihe von ernst zu nehmenden Online-Magazinen mit top Hintergrund-Infos etc. Dazu gehört hier auch der InfoSperber.

    Warum braucht es jetzt etwas Neues? Was hinderte die Menschen bisher, sich hier und dort mit Spenden zu engagieren? Was ist bei der «Republik» anders?

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