BernieSanders

«Wir wehren uns strikte gegen Fremdenfeindlichkeit»: Bernie Sanders © gk

Bernie Sanders: Der Jude spricht zu den Juden

Christian Müller /  Der von den Demokraten intern beiseite geschobene Kandidat Bernie Sanders kämpft weiter – für eine bessere, eine friedlichere Welt.

Bernie Sanders, der parteiintern abgewürgte Kandidat der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahlen, ist der Sohn jüdischer, aus Polen in die USA ausgewandeter Eltern. Auch seine Frau stammt aus einer jüdischen Familie. Und als junges Paar haben beide für ein halbes Jahr in Israel auf einem Kibbuz gearbeitet, um Erfahrungen mit gemeinschaftlichem Eigentum und gemeinschaftlichem Arbeiten zu sammeln.

Diese Woche war Bernie Sanders eingeladen, am Jahreskongress der Organisation «J Street» einen Vortrag zu halten. «J Street» ist eine Vereinigung von jüdischen US-Bürgern, die im Gegensatz zu AIPAC und anderen jüdischen Lobby-Organisationen der israelischen Siedlungspolitik und dem gegenwärtigen Kurs von Premierminister Benjamin Netanyahu aber kritisch gegenüberstehen. (Siehe dazu unseren Artikel zur Ernennung David Friedmans durch Donald Trump zum US-Botschafter in Israel).

Bernie Sanders› Rede vor dem «J Street» Kongress ist informativ und eindrücklich. So etwa definiert er darin, was die vielzitierten «gemeinsamen Werte» sind, die verteidigt werden müssen. Sanders äussert sich aber nicht nur zu den USA und zu Donald Trump, er äussert sich in seiner Rede insbesondere auch zum Verhältnis der USA zu Israel – Sanders als Jude vor jüdischem Publikum.

Zwei unterschiedliche Typen

Bernie Sanders und Donald Trump sind zwei grundverschiedene Persönlichkeiten:

Bernie Sanders, selber eher aus ärmlichen Verhältnissen stammend, mit der Lebenserfahrung des Geld-Verdienens mit Gelegenheitsarbeiten (auch sein Studium musste er so selber finanzieren). Sanders politisiert in konkreter Kenntnis der existenziellen Probleme der unteren Bevölkerungsschichten und Minoritäten, für US-amerikanische Verhältnisse relativ weit links. Und, wie erwähnt: Bernie Sanders ist gebürtiger Jude.

Donald Trump, Sohn eines New Yorker Immobilienhändlers, Privatschul-Absolvent, ausgebildet und gewohnt, Geld mit Einsatz von Geld zu verdienen, Mitglied des New Yorker Jet-Sets (erste Ehefrau war ein Model, zweite Ehefrau eine Schauspielerin, dritte Ehefrau wieder ein Model). Nach Einschätzung von Bloomberg ist Trump Multimilliardär. Selber aus christlicher Familie stammend, eng verbandelt aber mit jüdischen Vertretern der Hochfinanz an der Wall Street. Seine Tochter Ivanka hat vor ihrer Heirat mit dem orthodox-jüdischen Immobilien-Tycoon Jared Kushner, ebenfalls ein Milliardär, zum jüdischen Glauben konvertiert.

… wie die Frage nach Coke und Pepsi

Kein Wunder also, dass Bernie Sanders sich in seiner Rede vor dem Kongress der Organisation «J Street» von Donald Trumps Politik deutlich distanziert hat – oft ohne ihn namentlich zu erwähnen und ohne grob zu werden.

Wörtlich:

«Oft wird gesagt, dass die Beziehung USA/Israel auf gemeinsamen Werten beruhe. Ich denke, das ist richtig, aber dann müssen wir auch fragen: Was meinen wir damit? Über welche Werte reden wir?

Die Werte, die wir Fortschrittlichen teilen, sind die: Wir glauben an die Demokratie. Wir glauben an die Gleichberechtigung der Menschen. Wir glauben an den Pluralismus. Wir wehren uns mit allen Kräften gegen die Fremdenfeindlichkeit. Wir respektieren die Rechte der Minderheiten und wir werden sie beschützen. Das sind die Werte, die wir Fortschrittlichen in diesem Land und auch weltweit teilen. Diese Werte basieren auf dem, was wir ganz einfach gemeinsame Menschheit und gemeinsame Menschlichkeit nennen. Unabhängig davon, ob wir Israelis oder Palästinenser oder Amerikaner sind. Unabhängig davon, ob wir Juden, Christen, Muslime oder Anhänger einer anderen Religion sind. Wir alle wollen, dass unsere Kinder gesund aufwachsen, in die Schule gehen können, eine anständige Arbeit finden, sauberes Wasser trinken und saubere Luft atmen können und im Frieden leben dürfen. Das ist es, was das Mensch-Sein ausmacht. Und unsere Aufgabe ist es, uns mit allen Mitteln gegen jene zu wehren – von welcher Seite sie auch immer kommen mögen –, die uns auseinanderreissen wollen.

Vor ein paar Tagen, anlässlich einer Medienkonferenz im Weissen Haus in Anwesenheit von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, wurde Donald Trump gefragt, ob er eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina unterstütze. Seine Antwort war: ‹Ich sehe die Zwei-Staaten-Lösung und ich sehe die Ein-Staat-Lösung, und ich mag jene Lösung, die von beiden Seiten gemocht wird.› Diese Antwort Trumps war etwa so, als ob ihn jemand gefragt hätte, ob er lieber Coke oder lieber Pepsi habe.»

(It’s often said that the U.S.-Israel relationship is based on ‹shared values›. I think this is correct, but then we also have to ask: What do we mean by this? What values are we talking about? As progressives, here are the values we share: We believe in democracy. We believe in equality. We believe in pluralism. We are strongly opposed t0 xenophobia. We respect and we will protect the rights of minorities. These are values that are shared by progressives in this country and across the globe. These values are based upon the very simple notion that we share a common humanity. Whether we are Israelis or Palestinians or Americans, whether we are Jews, Christians, Muslims, or of another religion, we all want our children to grow up healthy, to have a good education, have decent jobs, drink clean water and breathe clean air, and to live in peace. That’s what being human is about. And our job is to do everything that we can to oppose all of the political forces, no matter what side they may be on, who try to tear us apart.

Earlier this month, at a White House press conference with Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu, President Trump was asked whether he supported a two-state solution. His answer was, ‹I’m looking at two-state and one-state, and I like the one that both parties like.› As if someone asked him whether he preferred Coke to Pepsi.)

Und später in Sanders Rede:

«Lassen Sie mich ganz klar sagen: Sich gegen die Politik einer Rechtsaussen-Regierung (in Israel) zu wehren, macht einen nicht zum Anti-Israeliten oder zum Anti-Semiten. Wir können uns gegen die Politik von Präsident Trump wehren, ohne deshalb Anti-Amerikaner zu sein. Wir können uns gegen die Politik von Netanyahu wehren, ohne deshalb gegen Israel zu sein. Wir können uns gegen die Politik des islamischen Extremismus wehren, ohne Anti-Muslim zu sein.»

(So let me be very clear: to oppose the policies of a right-wing government in Israel does not make one anti-Israel or an anti-Semite. We can oppose the policies of President Trump without being anti-American. We can oppose the policies of Netanyahu without being anti-Israel. We can oppose the policies of Islamic extremism without being anti-Muslim.)

«Die Vereinigten Staaten von Amerika werden ihr standhaftes Engagement für die Sicherheit des Staates Israel fortsetzen. Aber es muss auch klar sein, dass die friedliche Beilegung des Konflikts der beste Weg zur langfristigen Sicherheit dieser beiden Völker ist – und auch Amerika sicherer werden lässt.»

(The United States will continue its unwavering commitment to the safety of the State of Israel, but we must also be clear that peacefully resolving this conflict is the best way to ensure the long-term safety of both peoples, and for making America more secure.)

Seine Rede vor dem «J Street» Kongress abschliessend sagte Bernie Sanders:

«Zu meinen Israel-Freunden heute hier unter uns: Wir teilen viele der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Wir beobachten in beiden Ländern wachsende Frömmelei und Intoleranz und zunehmende Ressentiments. Wir müssen diese Herausforderung gemeinsam angehen. So wie Sie für eine bessere Gesellschaft, mehr Gerechtigkeit und mehr Gleichberechtigung kämpfen. Ich sage Ihnen: Ihr Kampf ist unser Kampf.»

(To my Israeli friends here with us today: we share many of the same challenges. In both our countries we see the rise of a politics of bigotry and intolerance and resentment. We must meet these challenges together. As you struggle to make your society better, more just, more egalitarian, I want to say to you: Your fight is our fight.)

* * * * *

Eine Kopie der Rede kann hier eingesehen oder unten als PDF downgeloadet werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Atommacht Israel und ihre Feinde

Teufelskreis: Aggressive Politik auf allen Seiten festigt die Macht der Hardliner bei den jeweiligen Gegnern.

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5 Meinungen

  • am 1.03.2017 um 12:52 Uhr
    Permalink

    "Selber aus christlicher Familie stammend, eng verbandelt aber mit der jüdischen Hochfinanz an der Wall Street."

    Seid wann hat das Finanzkapital eine Konfession?
    Die Bezeichnung «jüdische Hochfinanz» ist mehr als unbedacht und gehört
    sofort aus diesem Beitrag verbannt !!

  • am 2.03.2017 um 08:22 Uhr
    Permalink

    Sehr guter Stopp-Ruf gegen diesen unentschuldbaren ärgerlichen antisemitschen ‹Ausrutscher› im sonst sehr informativen Text.

    @Plass und Zimmermann: Wir haben den Begriff durch eine andere Formulierung ersetzt. Danke für den Hinweis. cm

  • am 2.03.2017 um 12:06 Uhr
    Permalink

    Christian Müller übersetzt «anti-Israel» mit «Anti-Israeliten».
    Dies beweist sein zwar immer strammes, aber nicht sehr fundiertes Verhältnis bei diesem Thema.
    Roger Schawinski

  • Portrait_Felix_Schneider
    am 3.03.2017 um 14:38 Uhr
    Permalink

    Ach, lieber Roger Schawinski, ach, ach, ach. Das ist alles so traurig. Israel geht unter und Sie… na, um etwas Aufheiterung zu leisten, will ich es so formulieren: Fritz Kortner, Schauspieler und Regisseur, hätte Ihnen gesagt: «Ja, Sie haben ein Adlerauge für das Unwesentliche."

  • am 3.03.2017 um 17:40 Uhr
    Permalink

    Ach, Herr Schneider…wishful thinking…äusserst schlecht kaschiert hinter bildungsbürgerlichem Gelaber
    Roger Schawinski

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