Münchner Sicherheitskonferenz: Mehr Öl ins Feuer
Der Nahe und Mittlere Osten steht in Flammen. Dennoch zeigten sich fast alle wesentlichen Akteure der Konflikte in dieser Region auf der Münchner Sicherheitskonferenz entschlossen, in nächster Zeit noch mehr Öl ins Feuer zu giessen und dabei das Risiko neuer Kriege zumindest in Kauf zu nehmen.
Ein Ende des Syrienkrieges sowie eine politische Lösung dieses opferreichen Gewaltkonflikts, worüber ab Donnerstag dieser Woche wieder unter UNO-Vermittlung in Genf verhandelt werden soll, sind nicht in Sicht.
»Es gibt drei zentrale Bedrohungen in unserer Region: Iran, Iran, Iran» – mit diesen Worten setzte Israels Verteidigungsminister Avigdor Liberman am Sonntagmorgen den agressiven Ton für eine Debatte, die weitgehend zu einer völlig einseitigen Iran-Schelte verkam. «Teheran betreibt Waffenschmuggel sowie ein verbotenes Raketenprogramm und unterminiert Libanon, Bahrein, Jemen, Syrien, Irak und Saudi-Arabien durch die Unterstützung schiitischer Proxis in diesen Ländern», behauptete Liberman. Zudem verfolge Teheran «weiterhin die Entwicklung einer Atombombe» und werde das Abkommen zur Beschränkung des iranischen Nuklearprogramms auf rein zivile Zwecke «ebenso brechen, wie Nordkorea das getan hat».
Rolle von Saudi-Arabien bleibt unbesprochen
In dasselbe Horn stiess – beinahe wortgleich und aus dem Plenum unterstützt von «Zeit»-Herausgeber Josef Joffe – der saudische Aussenminister Adel bin Ahmed Al-Jubeir. Er und Liberman nannten Iran mehrfach «den grössten staatlichen Sponsor des weltweiten Terrorismus».
Dass diese Rolle, belegt durch zahlreiche Beweise, spätestens seit den Terroranschägen vom 11. September 2001 und bis hin zur zumindest ursprünglich massiven Unterstützung für den «Islamischen Staat» tatsächlich Saudi-Arabien zukommt, dem wichtigsten Verbündeten des Westens in der Region, kam bei der Diskussion in München nicht zur Sprache. Die entsprechende Frage einer jungen Iranerin aus dem Plenum wurde von der Moderatorin, der BBC-Journalistin Lyse Doucet, abgewürgt und nicht beantwortet.
US-Senator kündigt neue Sanktionen gegen den Iran an
Die beiden Minister aus Tel Aviv und Riad forderten «die Eindämmung» Irans durch politischen Druck, wirtschaftliche Sanktionen sowie notfalls auch militärische Massnahmen und zeigten sich «sehr zuversichtlich», dass die neue US-Regierung eine entsprechende Politik betreiben werde. Der republikanische US-Senator Lindsay Graham bestärkte diese Zuversicht und kündigte an, der Senat werde schon bald neue Sanktionen gegen Iran beschliessen.
Zum Auftakt der Debatte hatte Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif zur «Kooperation» in der Region aufgerufen. «Der Iran hat sich verpflichtet, niemals zu versuchen, Atomwaffen zu entwickeln, das gilt», wies Sarif die Vorwürfe aus Tel Aviv, Riad und Washington zurück. «Ich glabe ihm kein Wort», reagierte Senator Graham.
Israelischer Verteidigungsminister will nur noch Juden im Land
Mit Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt bekannte sich Verteidigungsminister Liberman zwar zum Ziel einer Zweistaaten-Lösung. Sie sei allerdings nur möglich unter der Bedingung, dass dann nur noch Juden in Irael leben könnten und die bisherigen palästinensischen und sonstigen arabischstämmigen Staatsbürger Israels in den Staat Palästina umsiedeln müssten. Widerspruch oder kritische Fragen zu dieser Position Libermans gab es in München nicht.
Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu bekundete die Entschlossenheit seiner Regierung, den Krieg in Syrien gegen die von Ankara als «Terroristen» eingestuften Kurdenmilizen PYG fortzusetzen. Er forderte die USA auf, ihre Kooperation mit der PYG bei der Bekämpfung des «Islamischen Staat» umgehend zu beenden.
Syrien-Konfliktparteien bleiben kompromisslos
Bei einer Diskussion zur Lage in Syrien beharrten Vertreter Russlands, der USA und des oppositionellen Syrischen Nationalrates kompromisslos auf ihren bisherigen Positionen. Neue Chancen für die völlige Umsetzung des Waffenstillstandes und für die Aufhebung der anhaltenden Belagerung syrischer Städte waren nicht erkennbar. Das sind schlechte Voraussetzungen für die Einigung auf eine Übergangsregierung in Damaskus, worüber Vertreter der Regierung Assad und der Oppostion ab Donnerstag in Genf verhandeln sollen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Wieder meine immer wiederkehrende Frage: Wieso sind nur (sorry, Infosperber) vergleichsweise unbedeutende Medien in der Lage, die Dinge so differenziert und kritisch zu betrachten? Wieso stossen alle grossen Qualitätsmedien so unkritisch ins «wir sind die Guten(tm) und dürfen darum alles!» Horn?
Ich verstehe das einfach nicht. Da spricht der Aussenminister eines westlichen Landes ganz unverhohlen von Apartheid und niemanden stört das. Da werden begangene Kriegsverbrechen der einen Seite totgeschwiegen aber Verbrechen der anderen Seite schon beklagt, bevor sie passiert sind, und niemand findet das irrational.
Wieso sind die Leitmedien so unglaublich arrogant, selbstgerecht und dabei so einfältig geworden?
Die Leimedien sind eben nicht neutral sondern Interessenvertreter, sie leben von Inseraten, man kann dies auch Inserentenberücksichtigung nennen.
Auch bei den Radio- und Fersehnachrichten werden ständig Brot und Spiele gleichgesetzt.
Nehmen wir doch das Leitmedium «Zeit». Wenn Herausgeber Joffe gegen den Iran agitiert, dann sollten wir daran denken, wie er schon gegen Saddams Irak agitiert hat; dahinter stand Bernard Lewis› berühmtes Buch «What went wrong?» (Die Dekolonialisierung des Nahen Ostens war ein Fehler).
Das macht der aus innerer Überzeugung, gegen und ohne die Leser oder Inserenten. Manchmal muss er dosieren, um die Leser nicht zu verprellen. Und die Inserenten spielen dabei überhaupt keine Rolle.
Man müsste mal nachforschen wie stark Joffe von der internationalen Waffenlobby abhängig ist.