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Warren Buffett: allein im Jahr 2016 volle 11,8 Milliarden US-Dollar mehr auf dem Konto © BusinessInsider

Reiche werden reicher werden reicher werden reic …

Christian Müller /  Die Trickle-down-Theorie, wonach vom zunehmenden Reichtum der Reichen auch die Armen profitieren, ist widerlegt. Es ist Unsinn.

«Die Vereinigten Staaten sehen sich selbst gern als Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und andere sehen sie in einem ganz ähnlichen Licht. Doch obwohl wir uns alle an Beispiele erinnern können, in denen es Amerikaner allein ganz nach oben geschafft haben – was wirklich zählt, ist die Statistik: In welchem Umfang sind die Lebenschancen eines Menschen vom Einkommen und der Bildung seiner Eltern abhängig?
Heutzutage entlarven diese Zahlen den amerikanischen Traum als Mythos. In den USA herrscht heute weniger Chancengleichheit als in Europa – oder sogar in jedem anderen hochentwickelten Industrieland, für das entsprechende Zahlen vorliegen.
Dies ist einer der Gründe, warum Amerika unter allen hochentwickelten Ländern das höchste Maß an Ungleichheit aufweist – und die Kluft zu den Übrigen wird immer größer. Während der «Erholung» der Jahre 2009 bis 2010 entfielen auf das eine Prozent der US-Amerikaner mit dem höchsten Einkommen 93 Prozent der Einkommenszuwächse. Andere Indikatoren für Ungleichheit – wie Vermögen, Gesundheit und Lebenserwartung – sind genauso schlecht oder sogar noch schlechter. Kurzum: Der Trend geht klar zur Konzentration von Einkommen und Vermögen an der Spitze der Gesellschaft bei gleichzeitiger Aushöhlung der Mitte und zunehmender Armut im unteren Teil.»

Der dies geschrieben hat, ist kein geringerer als der US-amerikanische Ökonom Joseph E. Stiglitz, von 1997 bis 2000 Chefökonom der Weltbank und 2001 Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften. Der ganze Artikel, erschienen in den Blättern für deutsche und internationale Politik, kann hier nachgelesen werden.

Noch immer plappern viele das Trickle-down-Märchen nach

Über viele Jahre argumentierten die Reichen und Superreichen – bzw. deren neoliberale Wirtschaftswissenschafter – mit der Behauptung, die Vermehrung des Reichtums «oben» sei auch für den Mittelstand und die Armen gut, weil das Geld dank unserem Wirtschaftssystem automatisch nach unten «durchsickere» (trickle-down, deshalb die sogenannte Trickle-down-Theorie). Mittlerweile ist es schon ziemlich ruhig geworden mit dieser Behauptung, nicht zuletzt, weil selbst der Internationale Währungsfonds nach intensiven Untersuchungen zum Befund gekommen ist, dass die Trickle-down-Theorie zu den Ammenmärchen gehört.

Zum Jahresende 2016 hat nun sogar die NZZ, dessen Chefredaktor Eric Gujer bei seiner Amtsübernahme öffentlich bestätigte, dass seine Zeitung die Ideen des Neoliberalismus vertritt, einen Artikel zum Thema «Reiche werden immer reicher» publiziert – wenn auch natürlich nicht unter diesem Titel. Da ist dann nachzulesen, dass die Vermögen der 500 reichsten Leute auf diesem Globus im Jahr 2016 zusammengezählt um 5,7 Prozent angestiegen sind. Zu den Gewinnern gehört zum Beispiel Warren Buffett, der, soweit man das recherchieren kann, zweitreichste Mensch weltweit, dessen Vermögen 2016 um 11,8 Milliarden US-Dollar oder um 19 Prozent angewachsen ist. Um sich das vorstellen zu können: Ein Arbeiter, der im Monat 5000 Franken verdient und einen 13. Monatslohn erhält, müsste dafür 180’000 Jahre arbeiten, oder andersherum: 11,8 Milliarden Vermögenszunahme in einem Jahr entspricht dem, was 180’000 Arbeiter zusammen in einem Jahr mit Arbeiten verdienen, oder 4500 Arbeiter in ihrem ganzen Arbeitsleben.

Ein Vermögenszuwachs um 11,8 Milliarden Dollar bzw. um 19 Prozent, weil Warren Buffet im Jahr 2016 besonders fleissig war und Überstunden gemacht hat? Oder weil er überdurchschnittlich gut ausgebildet ist? Und: Ist sein Vermögenszuwachs Trickle-down-Theorie-gemäss auch gut für den Mittelstand? Oder vielleicht gut für die Armen dieser Welt?

Das Geld fliesst aufwärts! Das scheint nicht besonders logisch, denn was auf dieser Welt fliesst schon aufwärts?

Bitte, nicht vergessen: Im Wasser steigen die Luftblasen, die Bubbles, ziemlich steil nach oben. Auch die Bubbles des Finanzkapitalismus steigen zurzeit ziemlich steil und schnell. Und auch sie – jeder, der es wissen will, weiss es – werden platzen.

Infosperber hat darüber berichtet.

PS: Und ja, auch wenn Donald Trump von der eher armen, enttäuschten Bevölkerung gewählt worden ist: Er ist Milliardär und hat bisher nur steinreiche Leute zu seinen Beratern und künftigen Ministern ernannt. Warum soll er ein Interesse daran haben, die Ungerechtigkeiten dieser Welt etwas auszugleichen?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Reich, arm, ungleich

Grösser werdende soziale Kluften gefährden demokratische Rechtsstaaten.

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6 Meinungen

  • am 31.12.2016 um 14:11 Uhr
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    Gemäss der heutigen NZZ (31.12.16, S. 28) liegt das Wohlfühllimit bei USD 75’000, alles andere ist Zugabe! So viel Caviar kann doch selbst Tidjane Thiam gar nicht essen…… (während viele seiner Landsleute Hunger leiden…)

  • am 31.12.2016 um 20:58 Uhr
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    Vermögenzuwächse bei den obersten ein Prozent haben nicht viel mit der generellen «Chancengleichheit» zu tun. Schon aus logischen Gründen kann nicht jeder von 100 Prozent der Bevölkerung zu den reichsten ein Prozent gehören, nicht einmal der Chance nach. Abgesehen davon, dass die Chancen am gleichesten sind, wenn niemand eine hat.
    Man fragt sich also: Was genau schwebt den Kritikern eigentlich vor?
    Und stellt immer wieder fest: Die Zielvorstellungen sind wirr und undurchdacht.

    Was man vernünftigerweise anstreben könnte, wäre eine Einkommensverteilung mit einem «Mittelstandsbauch» und relativ kleinen Spitzen nach oben und unten. Wie wir sie in den guten alten sechziger Jahren hatten (die es ja nach dem Willen aller Progressiven nie wieder geben darf). Wenn es wirklich so gemeint ist, dann sollte man das auch so sagen.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 1.01.2017 um 14:28 Uhr
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    Tatsache ist, dass der Gini-Koeffizient der Vermögensverteilung auch in der CH kontinuierlich steigt. Die eben veröffentlichten Zahlen der Steuerverwaltung für 2013 lassen kaum Zweifel an der steigenden Vermögenskonzentration auch in der Schweiz.

  • am 2.01.2017 um 14:45 Uhr
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    ……….und was Stiglitz auch noch sagte/schrieb in «Rewriting the Rules of the American Economy», 2016, S. 16: 20% aller US-amerikanischen Kinder leben in Armut. Darin inbegriffen sind 38% afro-amerikanische und 30% latein-amerikanische Kinder – was nicht nur ein moralisches, sondern auch ein ökonomisches Thema ist. Die (fehlenden) Investitionen in die Bildung lassen grüssen……
    Richard Bisig

  • am 2.01.2017 um 15:51 Uhr
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    Eine Petition:
    Folgenden , vor annähernd 500 Jahren verfassten Text als wöchentliche Kolumne in den Massenmedien veröffentlichen :

    (Zitat)
    »Wenn ich daher alle unsere Staaten, die heute nirgendwo in Blüte stehen, im Geiste betrachte, und darüber nachsinne, so stoße ich auf nichts anderes – so wahr mir Gott helfe – als auf eine Art Verschwörung der Reichen, die den Namen und Rechtstitel des Staates missbrauchen, um für ihren eigenen Vorteil zu sorgen. – Sie sinnen und hecken sich alle möglichen Methoden und Kunstgriffe aus, zunächst um ihren Besitz – den sie mit verwerflichen Mitteln zusammengerafft haben – ohne Verlustgefahr festzuhalten, sodann um die Mühe und Arbeit der Armen so billig als möglich sich zu erkaufen und zu missbrauchen. – Haben die Reichen erst einmal im Namen des Staates, das heißt also auch der Armen, den Beschluss gefasst, ihre Machenschaften durchzuführen, so erhalten diese sogleich Gesetzeskraft.«

    Thomas Morus (1478-1535), Utopia

  • am 2.01.2017 um 19:16 Uhr
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    Danke für den Artikel! Man kann nicht oft genug über diese Problematik sprechen. Bezeichnend auch das Zahlenbesipiel, in dem 180000 Arbeiter ein Jahr lang für den Zugewinn von Herrn Buffet gearbeitet haben. Diesen bleibt der (Existenz-)Lohn und jenem der Mehrwert in Form von Dividenden. So ist das im System mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln. Ceterum censeo Capitalismum esse delendum.

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