Good News für Israel
Spätestens seit Donald Trump David Friedman, einen rechtsextremen, die israelische Siedlungspolitik gutheissenden jüdischen Anwalt zum Botschafter der USA in Israel ernannt hat, weiss man, wo Trump in Sachen Israel-Politik steht: Friedman, Trumps Anwalt in alten Konkursfällen und heute einer seiner persönlichen Freunde, vertritt öffentlich die Meinung, Israel solle Westjordanland definitiv annektieren. Bereits hat er auch angekündigt, als US-Botschafter von Jerusalem aus zu arbeiten. Bis jetzt war die Botschaft der USA, wie alle anderen Botschaften auch, in Tel Aviv, da Jerusalem nicht die international anerkannte Hauptstadt Israels ist, sie ist historisch-kulturell auch für die christlichen Kirchen und für die muslimische Welt von hoher Bedeutung. Eine Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem kann deshalb nur als bewusste Provokation verstanden werden.
Üble Machenschaften vor der Uno-Resolution
Gleichzeitig und nicht zum ersten Mal war im Uno-Sicherheitsrat eine Resolution auf der Tagesordnung, mit der die Siedlungspolitik Israels verurteilt und Israel aufgefordert werden sollte, das besetzte Westjordanland an Palästina zurückzugeben, um eine Zwei-Staaten-Lösung zu ermöglichen. Doch bisher waren solche Vorlagen in der Uno kein Problem, denn Israel wusste: Die USA werden von ihrem Veto-Recht im Uno-Sicherheitsrat Gebrauch machen und jede Israel-kritische Resolution so zu verhindern wissen.
Diesmal aber lief alles anders. Eingebracht worden war die Resolution von Ägypten, die Abstimmung war geplant für Donnerstag, 22. Dezember 2016. Zuständig für die Stimmabgabe der USA war also noch immer Obama und Israels Ministerpräsident Netanyahu zeigte sich deshalb echt nervös. Würde Obama eventuell kein Veto aussprechen?
Mit persönlichen Kontakten und Interventionen wurde deshalb sowohl von israelischer als auch von Donald Trumps Seite Ägypten unter Druck gesetzt, die Eingabe zu widerrufen oder zumindest, mit welcher Begründung auch immer, eine Abstimmung zu verzögern. Ägypten brach unter dem Druck Israels und des künftigen US-Präsidenten Trump auch tatsächlich ein und sorgte für eine Verschiebung. Schon glaubte man in Israel, die Israel-kritische Resolution damit verhindert zu haben. Aber andere nicht-ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, namentlich Neuseeland, Malaysia, Senegal und Venezuela, sorgten dafür, dass die Abstimmung trotzdem durchgeführt werden musste. Und es kam, vielleicht gerade wegen des üblen diplomatischen Spiels von Netanyahu und Trump, so, wie Netanyahu es befürchtete: Alle nicht-ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates, Ägypten, Angola, Japan, Malaysia, Neuseeland, Senegal, Spanien, Ukraine, Uruguay und Venezuela, aber auch vier der fünf ständigen und mit einem Veto-Recht ausgestatteten Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates, England (UK), China, Frankreich und Russland, stimmten der Resolution zu. 14:0. Nur die USA enthielten sich der Stimme, verzichteten aber auf ein Veto. Damit ist die Resolution mit erdrückender Eindeutigkeit zustande gekommen.
Das war am letzten Freitag. Es war, für Interessierte, eine spannende Nacht.
Und die Reaktionen?
Die Reaktionen fielen aus, leider, wie erwartet: Trump twitterte sofort nach der Abstimmung, nach dem 20. Januar 2017, seinem formellen Amtsantritt, werde betr. Uno «alles anders laufen». Und Netanyahu erklärte in aller Öffentlichkeit, Israel werde sich nicht an die Resolution halten.
Wo sitzen die Feinde Israels?
Interessant in diesem Zusammenhang sind aber die Meinungen in Israel. Natürlich wurde auch diesmal mit der Antisemitismus-Keule hantiert. Aber es gibt eine neue, beachtenswerte Beurteilung der Situation des Staates Israel. Gideon Levy, einer der prominentesten Kommentatoren der israelischen Tageszeitung Haaretz nämlich, kommt zum Schluss: Die wahren Feinde Israels sind nicht die Kritiker der israelischen Siedlungspolitik, sondern jene, die die Siedlungspolitik der jetzigen Regierung unterstützen, denn sie helfen mit, Israel zu isolieren und das Land in einen Apartheid-Staat umzuwandeln.
Schon nach der Ernennung von David Friedman zum künftigen Botschafter der USA in Israel schrieb Gideon Levy: «Der zum Präsidenten gewählte Donald Trump hat beschlossen, einen anti-israelischen und rassistischen Rechtsanwalt zum künftigen Botschafter der USA in Israel zu ernennen. Das ist sein Vorrecht. Mit David Friedmans Ernennung zum künftigen Botschafter haben sich die USA aber nun auch endlich geoutet: Von nun an unterstützen die USA offiziell das Establishment eines israelischen Apartheid-Staates zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan. Friedman ( … ) ist in dieser Position der erste dezidiert erklärte Freund der Siedlungen im Westjordanland. Sein Vorgänger, Dan Shapiro, war auch ein Freund der Siedlungspolitik, aber er rührte keinen Finger, es zu zeigen. Jetzt aber haben wir einen Botschafter, der die Enteignungen (des Landes in Westjordanland) sogar mit eigenem Geld unterstützt hat. ( … ) Das heisst, die USA werden nicht länger behaupten können, sie seien eine ehrliche Vermittlerin. Die USA waren nie eine ehrliche Vermittlerin, aber jetzt ist ihre Maske gefallen. In diesem Sinne ist Friedmans Ernennung richtig und gut. Die Palästinenser, die Europäer und der Rest der Welt dürfen es wissen: Amerika ist für die Okkupation des Westjordanlandes. Es gibt keine Täuschungsmanöver mehr.»
Weiter unten im Text Gideon Levys: «Friedman ist anti-israelisch, wie alle anderen, die Israel drängen, die Okkupation voranzutreiben. Friedman ist ein Rassist, wie alle anderen auch, die die Apartheid-Politik in Israel vorantreiben. Friedman ist auch antidemokratisch und ein McCarthyist, und wir haben genug solche hier im eigenen Land. Friedman wird sie antreiben. Und so ist er eben ein Feind Israels (he is patently an anti-Israeli).»
(Gideon Levy zitiert an dieser Stelle Friedman, der gesagt hat: die Unterstützer der Organisation J_Street seien schlimmer als die Kapos. Die Juden unter unseren Leserinnen und Lesern verstehen das: Die Organisation J_Street ist eine US-amerikanische jüdische Organisation, die sich für einen Frieden im Nahen Osten einsetzt. Und die Kapos waren die – freiwilligen oder gezwungenen – Gefangenen-Aufseher unter den Gefangenen in den Konzentrationslagern der Nazis. Eine härtere Abqualifizierung der Friedensorganisation J_Street ist kaum möglich.)
Und jetzt, nach der Uno-Resolution 2334, wie kommentiert Gideon Levy diesen Entscheid?
Gideon Levy, in Haaretz vom 25. Dezember 2016, unter der Headline «Die Uno-Resolution ist ein Hauch von Hoffnung in einem Meer von Dunkelheit und Verzweiflung»: «Am 29. November 1947 hat die Generalversammlung der Uno die Schaffung eines jüdischen Staates (an der Seite eines arabischen Staates) auf dem Land von Israel beschlossen. 69 Jahre später, am 23. Dezember 2016, beschloss der Sicherheitsrat der Uno einen Versuch, diesen Staat zu retten. Die Resolution 2334, die am Freitag gutgeheissen wurde, ist der Windstoss einer guten Nachricht, ein Hauch von Hoffnung im Meer von Dunkelheit und Verzweiflung der letzten Jahre.» (Siehe dazu das Bild oben, ein Screenshot aus Haaretz online.)
Und weiter unten schreibt Gideon Levy, wörtlich: «Diese Entscheidung (die Resolution 2334) hat Israel auf den festen Grund der Realität zurückgebracht. Alle Siedlungen, inklusive jene auf annektiertem Boden, und natürlich inklusive Ost-Jerusalem, sind eine Verletzung internationalen Rechts. In anderen Worten: Sie sind ein Verbrechen (a crime). Kein Land auf dieser Welt denkt anders. Die ganze Welt denkt so – alle sogenannten Freunde Israels und alle ihre sogenannten Feinde – unisono.»
«Sehr wahrscheinlich werden alle Instrumente der Gehirnwäsche in Israel, mit all den Mechanismen der Repression und der Verleugnung, versuchen, diese Entscheidung zu unterminieren. Aber wenn die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Frankreich, China und Russland in diesem Punkt einer Meinung sind, wird dies schwierig werden. Du kannst sagen ‚die ganze Welt ist gegen uns’. Du kannst ‚Antisemitismus’ schreien. Du kannst fragen ‚und was ist mit Syrien?’. Am Ende wird die kristallklare Wahrheit stehen bleiben: Die Welt ist der Ansicht, dass die Siedlungen ein Verbrechen sind. Alle Siedlungen! Und die ganze Welt denkt so!»
Ende des Zitats von Gideon Levy.
Bereits haben etliche Staaten, darunter auch Deutschland, die Resolution begrüsst.
Es ist wohl an der Zeit, dass auch hier die Kritiker der israelischen Siedlungspolitik keine Angst mehr haben müssen, Antisemiten genannt zu werden. Langfristig sind sie, in diesem Punkt hat Gideon Levy zweifellos recht, eher die Freunde Israels.
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Leider könen die Kommentare von Gideon Levy nicht in voller Länge verlinkt werden, sie erschienen nur auf der bezahlten Online-Ausgabe von Haaretz. Der Autor hat die israelische Tageszeitung Haaretz aber abonniert und hat deshalb Zugang zu allen dortigen Artikeln. – Ausnahmesweise haben wir uns erlaubt, den dortigen englischen Text zu kopieren und ihn unten einsehbar zu machen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Huffing and puffing of this sort is yet another sad reminder that, if, after so many decades, yet another toothless statement of concern is cause for such self-congratulation, Israeli settlers have nothing to fear.
http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/2016/12/settlement-resolution-late-161225090002654.html
Bei aller Sympathie für Gideon Leyy halte ich die Resolution leider eher einen zahnlosen Papiertiger, der die ‹facts on the ground› nicht ändern wird. Etwas Nettigkeit von Obama fürs Weihnachtsfest fern des Geschehens, aber keinesfalls Anzeichen eines Wendepunkts.
Wie ich Menschen wie Gideon Levy bewundere. Ja, noch ist Israel nicht verloren. Die Hoffnung besteht immer noch, dass die Israeli ihr derzeitiges Regime, das von Rassismus und faschistoidem Gedankengut durchsetzt ist, irgendeinmal, hoffentlich bald,, abschütteln. Trotz vielen Rückschlägen ist Israel immer noch meilenweit demokratischer als die umliegenden arabischen Staaten. Der Beweis: ein Levy kann immer noch seine Stimme erheben.
@Peter Beutler, bezüglich «demokratischer als die umliegenden arabischen Staaten» sollten Sie aber auch noch erwähnen, dass Levy zum jüdischen Teil der Bevölkerung gehört. Für die 20% israelisch-arabische Bevölkerung und die Palästinenser_innen in den besetzten Gebieten ist «demokratischer» dann doch ein Euphemismus.
Ausserdem braucht Levy Polizeischutz beim Ausgehen …
Gideon Levy vertritt einfach einen Teil der israelischen Bevölkerung. Wir müssen uns klar sein, dass Israel ein tief gespaltenes Land ist. Die Siedlerbewegung wird höchstens von einer Minderheit unterstützt. Aber ich denke nicht, dass eine Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, Ostjerusalem abzugeben.
Im Gegensatz zu den umliegenden Staaten haben aber in Israel auch die arabischstämmigen festen Einwohner ein Wahlrecht und ihre Vertreter sitzen im Parlament. Und es kann jeder seine Meinung öffentlich äussern.
Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es ist, lauter Nachbarstaaten zu haben, die das eigene Land von der Landkarte tilgen und seine Bevölkerung ins Meer werfen wollen. Bei uns im friedlichen Westen, v.a. aber in der UNO, wird zu oft mit zweierlei Ellen gemessen.
@Daniel Nägeli: Ich glaube, Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, Bürger zweiter Klasse zu sein und wie wenig die Arabischen Parlamentarier respektiert werden. Informieren Sie sich ausserdem über «settler violence» und das Nichtstun des Militärs, Hebron, und nicht zuletzt Gaza, das könnte Ihr Bild der «villa in the jungle» etwas relativieren.
Den propagandistischen Satz «Bevölkerung ins Meer werfen» überspringe ich.
@Thierry Blanc: Die Siedler sind illegale Landbesetzer, das ist klar. Es gibt dazu u.a. eine zweiteilige Doku auf Arte u.a., und ich habe ja betont, dass sie nur von einer radikalen, aber einflussreichen Minderheit unterstützt werden. Aus der Doku geht hervor, dass das Militär primär als Puffer zwischen den Siedlern und der ansässigen Bevölkerung dienen muss, um gewaltsame Zusammenstösse zu verhindern.
Über Hebron und Gaza gibt es genügend Informationen. Bekanntlich hat die israelische Regierung die Siedlungen im Gazastreifen räumen lassen.
Eine andere Frage ist die, ob eine Mehrheit der Bevölkerung Israels bereit wäre, die im Verteidigungskrieg eroberten Gebiete zurückzugeben. Vermutlich kaum.
Hier finde ich es einfach seltsam, dass die UNO bei Marokkos Annektierung der Westsahara oder der russischen Annektierung der Krim, den saudischen Angriffen auf Jemen und diversen ähnlichen Vorfällen sehr passiv bleibt.
Herr Nägeli, die russische Anexion der Krim ist nicht mit den saudischen Angriffen auf Jemen oder der Anektierung der Westsahara durch Marokko zu vergleichen. Würde man in der Westsahara eine demokratische Abstimmung veranstalten, würde sich die Bevölkerung dort klar gegen Marokko entscheiden. Auch die Menschen in Jemen würden gegen die Saudische votieren. Anders auf der Krim: die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung würde aber einer Angliederung an Russland klar zustimmen. So ist es natürlich nicht auf der Westbank, zu der ebenfalls Ostjerusalem zu zählen ist. Die mehrheitlich arabische Bevölkerung würde einem Anschluss an Israel niemals zustimmen.
@Daniel Nägeli: 1967 war kein Verteidigungskrieg und auch wenn, jegliche territoriale Vergrösserung durch Krieg ist durch internationales Recht untersagt, ob die Israelis dem zustimmen oder nicht.
Israel wurde von der UNO in den Grenzen von 1948 aufgenommen, die Akzeptanz der Erweiterung auf die 1967 Grenzen zeigt die Grosszügigkeit der Palästinensischen Seite.
Israel belagert Gaza seit 2007 und bombardiert es ca. alle 2 Jahre massiv. Die Sieder, die in Gaza geräumt wurden, wurden ausserdem in der Westbank angesiedelt.
Es gibt bei Bt’selem und anderen haufenweise Berichte, wie das Militär eben nicht als Puffer auftritt, sondern tatenlos zuschaut. Eine einzelne Arte Doku als Massstab ist schon etwas dünn …