Mein Name ist Hase: Medientraining mit Freysinger
Ende November gab der Walliser SVP-Staatsrat Oskar Freysinger die Gründung einer Arbeitsgruppe bekannt, die im Rahmen des kantonalen Richtplans «über die neuen, atypischen Krisen beraten und Lösungen ausarbeiten» sollte. Dabei wagte Freysinger zu behaupten, im Gebirgskanton Wallis sei man auf die Naturgefahren (Lawinen, Murgänge, Hochwasser und Erdbeben) «optimal vorbereitet». Hingegen sei man «eher spärlich» gegen den «Migrationsdruck» und die «Finanzkrisen» gewappnet.
Als Krisenmanager wider den Migrationsdruck und die Finanzkrisen präsentierte Freysinger den «unabhängigen Experten» und Überlebens-Spezialisten Piero Falloti, der sich auch Piero San Giorgio nennt (deutsch: heiliger Georg; u. a. Schutzpatron der Kreuzritter wider den Islam). Ein Wirrkopf mit rechtsextremer Gesinnung, der schwer bewaffnet auf den nächsten Bürgerkrieg wartet, wie dieses Video zeigt.
Wirrkopf Piero San Giorgio träumt vom Bürgerkrieg (Quelle: Youtube/San Giorgio)
Zudem propagierte San Giorgio in einem Interview mit dem Faschisten Daniel Conversano das Recht des Stärkeren und zog menschenverachtend über Kranke und Behinderte her, wie die folgenden drei untertitelten Screenshots zeigen:
Piero San Girogio (links) im Gespräch mit dem Faschisten Daniel Conversano (Quelle: Vive l’Europe (1:05:20 ff) / Untertitel: Kanal 9)
Conversano ist für die Walliser Polizei kein Unbekannter. Während der Walliser Polizeidirektor Freysinger im November vor Rechts-Populisten in Berlin referierte, trat Conversano im Unterwallis vor Rechtsextremen auf, welche die Walliser Polizei ein Wochenende auf Trab hielten. Mit einem Grosseinsatz löste die Walliser Kantonspolizei die rechtsextreme Versammlung in Saxon auf, worauf sich die Rechtsextremen nach Fully verschoben und sich dort trotz Versammlungsverbot erneut versammelten.
Freysinger und San Giorgio kennen sich bestens. Freysinger hat seinen Gesinnungsgenossen im September 2014 getroffen und mit grosser Bewunderung interviewt (Youtube/San Giorgio).
Gesinnungsgenossen Oskar Freysinger und Piero San Giorgio (Quelle: Youtube/San Giorgio)
Das alles wäre für jeden anderen Politiker der mediale Super-Gau. Nicht so für Freysinger. Er hält wacker dagegen und versucht sich mit allen kommunikativen Tricks herauszuwinden. Freysingers Medientraining in acht Lektionen:
1. Lektion: Verteidigen
(Quelle: Kanal 9)
Zunächst stellte sich Freysinger vor seinen Überlebens-Experten. Auf Anfrage des «Walliser Boten» (WB) reagierte Freysinger genervt und zog sogar haarsträubende Vergleiche mit der Walliser SP-Staatsratspräsidentin Esther Waeber-Kalbermatten: Es sei ihm egal, mit wem San Giorgio spreche. Er spreche ja auch jede Woche mit der SP-Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten und sei deshalb kein Sozialist. (Quelle: WB, 2. Dezember 2016)
2. Lektion: Zurückkrebsen
«Gut, jetzt ist da irgendwie so ein Video herausgekommen, das da auf Facebook herumgeistert und da hat er schon Sachen gesagt, die wir natürlich schon verurteilen.» (Quelle: Kanal 9)
3. Lektion: Nicht wissen
Wir haben keine Kenntnis gehabt von diesem Video. Wir haben den Typ einfach gebraucht wegen seinen Publikationen und seinen langjährigen Studien.» Frage von SRF/Schweiz aktuell: «Sie wussten also nicht, was das für ein Typ ist und wofür er steht?» Antwort Freysinger: «Absolut nicht, nein!» (Quelle: SRF/Schweiz aktuell)
4. Lektion: Verharmlosen
«Es ist ja kein Angestellter. Es ist einfach ein Experte, den sie beigezogen haben.» (Quelle: Kanal 9)
Gegenüber dem «Walliser Boten» bezeichnet Freysinger die Fehlbesetzung «als geringen Fehler». Das könne passieren.
5. Lektion: Attackieren
«…in Unkenntnis von gewissen Sachen, die da natürlich die Journalisten immer wieder mit sehr viel Wohlwollen holen gehen, wenn es darum geht, mir zu schaden. Hier ist ganz klar wieder eine politische Abrechnung im Gange. Ein Sturm im Wasserglas, der hochgespielt wird. Aber das bin ich ja gewohnt. Das machen sie ja seit vier Jahren systematisch.» (Quelle: Kanal 9)
6. Lektion: Verwirren
«Die Kommission hat diesen Experten beigezogen.» «Es ist einfach ein Experte, den sie beigezogen haben,…» (Quelle: Kanal 9)
Damit möchte Freysinger die Verantwortung auf die Arbeitsgruppe abschieben. Im Widerspruch zu den Aussagen von Piero San Giorgio in einem Interview mit «Le Matin Dimanche»: «Er (Freysinger; Anm. d. Red.) war es, der mich geholt hat. Ihm gefielen meine Bücher.»
7. Lektion: Ablenken
(Quelle: Kanal 9)
Im Lokalradio «Rhône FM» behauptete Freysinger, das Wallis habe grössere Probleme und zeigte mit dem Finger auf einen Spital-Arzt, dessen falsche Diagnose zu einer Fehlgeburt geführt habe. Die zuständige SP-Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten brauche sich aber keine Sorgen zu machen, sie sei ja «nicht in der SVP». Ihn hätte man in der Luft zerrissen.
8. Lektion: SVP-Joker spielen
Nächsten März finden im Wallis die Staatsratswahlen statt. Deshalb wird Freysinger die bekannte SVP-Joker-Karte «Ausländer» ziehen, um seine Fehlbesetzungen und seine rechtsextremen Seilschaften vergessen zu machen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Bravo Kurt wahrlich ein Artikel.Ich schmeiss den Fernseher raus.
Viele Staats/Regierungsräte wären froh, wenn sie so viel Aufmerksamkeit bekämen, wenn sie auch nicht mit Erfolgsausweisen prahlen können. Immerhin, Freysinger bewegt und bringt etwas Stimmung in den fahlen Politikeralltag.
Danke Infosperber, danke Kurt Marti fuer diesen beitrag! @Düggelin: ich meine dass intelligente politiker wohl weder zeit noch lust haben, auf solche „bewegte stimmungsmacherei“ einzugehen
@Broggi: «Intelligente Politiker» führen den Bürger dafür mit ihren Entscheiden zur Stimmabstinenz: «die machen ja sowieso was sie wollen», lautet der Tenor….!
Ich hätte mich auf die Frage, «was das für ein Typ ist» und «wofür er steht», überhaupt nicht eingelassen. Er ist kein «Typ», sondern ein Individuum, und als Individuum «steht» er nicht «für» irgend etwas, sondern hat zu diversen Themen diverse Meinungen, von denen ich sicher einige teile, und das mit völlig gutem Gewissen.
Hinter den Formulierungen dieses Reporters steckt ein bisschen Menschenverachtung und Depersonalisierung: Reduktion von individuellen Menschen auf ihren politischen Symbolwert.
Herr Möller, Sie haben übersehen, dass Herr Freysinger selbst den in ihren Augen menschenverachtenden Ausdruck Typ verwendet: «Wir haben den Typ einfach gebraucht wegen seinen Publikationen und seinen langjährigen Studien."