Regierungssuche in Spanien: Das Problem ist Rajoy
Auch mehr als fünf Wochen nach der zweiten Parlamentswahl innert sechs Monaten lässt die Bildung einer neuen Regierung in Spanien weiter auf sich warten. Zwar hat König Felipe VI nach Konsultationen mit allen Parteiführern dem bisherigen Premier Mariano Rajoy als Chef der stärksten Fraktion soeben ein entsprechendes Mandat erteilt. Aber alle denkbaren Bündnispartner halten sich bedeckt. Trotzdem will Rajoy weiterhin nicht wahrhaben, dass er selbst das Problem ist.
Korruptionsaffären und Schwarzgeldkonten
Für die Einsamkeit Rajoys gibt es gute Gründe. Hat er doch in den letzten Jahren sämtliche Korruptionsaffären seiner Parteifreunde konsequent gedeckt und ausgesessen. Vieles deutet sogar darauf hin, dass Schwarzgeld aus nicht deklarierten Parteispenden und Bestechungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch in seine eigenen Taschen geflossen ist. Solange die Konservativen Staatsapparat und Justiz kontrollieren, können sie die Aufdeckung und Aufarbeitung all dieser Skandale wie bis anhin behindern, vertrödeln oder gar ganz blockieren. Einmal von der Macht verdrängt oder auch nur von Koalitionspartnern kontrolliert wäre es mit der Narrenfreiheit vorbei. Auch Rajoy selbst könnte dann von seinen Machenschaften eingeholt werden und seine Immunität verlieren.
Vor diesem Hintergrund verblassen die ideologischen Gegensätze zwischen Bürgerlichen und Rechten immer mehr. Zumal auch die Sozialisten als zweitstärkste Partei in ihrer Hochburg Andalusien mit ähnlichen Skandalen zu kämpfen haben. Wie die neo-liberale Bürgerpartei Ciudadanos als direkte Rivalin der Konservativen vermochte aber auch die links-alternative Protest-Bewegung Podemos bei der Wahl vom 27.Juni nicht genügend von der Angeschlagenheit der beiden alten Grossparteien zu profitieren. Mit ein Grund, weshalb sich beide nun bei der Suche nach einem tragfähigen Regierungsbündnis derart zieren. Wollen sie doch als Juniorpartner und Mehrheits-Beschaffer nicht den status quo zementieren, dem sie gerade ihre Entstehung verdanken. Ohne den wachsenden Verdruss immer breiterer Wählerschichten über die Misswirtschaft der etablierten Parteien wären die neuen Alternativen zur Rechten wie zur Linken niemals auf so viel Zustimmung gestossen.
Rajoy droht mit dritten Neuwahlen
Beim ersten Gespräch mit dem Sozialistenchef Pedro Sanchez holte sich Rajoy am Dienstag bereits einen Korb und drohte gleich beleidigt mit einer dritten Neuwahl innert Jahresfrist. Wohlwissend, dass er die Verantwortung für ein solches Trauerspiel den Verweigerern in die Schuhe schieben könnte. Dabei signalisieren zumindest Sozialisten und Bürgerpartei durchaus Dialogbereitschaft mit den Konservativen, wenn diese denn eine personelle Alternative zum diskreditierten Rajoy zu bieten hätten. Bloss ist eine solche nicht in Sicht, weil sich der undurchschaubare Galicier noch nie gerne in die Karten schauen liess und sich deshalb nur mit willfährigen Kopfnickern umgibt. Seine einsamen Entscheide hinter dem Qualm dicker Zigarren im Wochenendhaus sind deshalb selbst bei engsten Vertrauten berüchtigt – und gefürchtet!
Rivalität verhindert Regierungsbildung
Trotzdem wären pragmatische Regierungsformeln durchaus denkbar, wenn alle Beteiligten etwas mehr Flexibilität bewiesen. Dies gilt namentlich für den eitlen Podemos-Chef Pablo Iglesias, der in einer Linkskoalition partout nicht unter dem durchaus umgänglichen Sozialisten Sanchez dienen mag. Aber auch für den Bürgerlichen Alberto Rivera, der lieber den Saubermann spielt als die dritte Geige in einer Koalition ohne Konservative.
Denn rein rechnerisch müsste eine mehrheitsfähige Regierung aus mindestens drei der vier stärksten Parteien bestehen oder dann eine blosse Zweierkoalition von mindestens einer weiteren als Minderheitskabinett geduldet werden. Allein deswegen haben weder Rechte noch Linke ohne Schützenhilfe aus dem jeweils anderen ideologischen Lager eine Chance. Zwar einigten sich Konservative, Ciudadanos und regionale Nationalisten immerhin schon mal auf ein rechtes Parlamentspräsidium. Aber eben ausdrücklich ohne Präjudiz für die Regierungsbildung und erst noch zu einem hohen Preis! Liessen sich doch die katalanischen Nationalisten diesen Freundschaftsdienst mit einem neuen Notstandskredit für ihre klamme Regionalverwaltung vergolden. Nur, um im katalanischen Regional-Parlament wenige Tage später wieder eine neue Unabhängigkeitsresolution zu verabschieden. Wogegen Rajoy prompt wieder beim Verfassungsgericht klagte. Womit alle weiterhin ihren alten Ritualen huldigen statt endlich Verantwortung für ihr nach wie vor krisengeschütteltes Land zu übernehmen. Nach vierzig Jahren Diktatur und anschliessend noch einmal vierzig Jahren Zweiparteien-System bekundet die spanische Politik eben nach wie vor Mühe mit einem Pluralismus ohne klare Mehrheiten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Alexander Gschwind war Spanien-Korrespondent bei Schweizer Radio DRS (heute SRF). Er ist Autor des Buches «Diesseits und jenseits von Gibraltar». Wer sich für die Länder Spanien, Portugal, Marokko, Algerien oder Tunesien interessiert, findet in diesem Buch nötiges Hintergrundwissen.
Man kann über Pablo Iglesias vieles schreiben, aber dass er nicht mit Pedro Sanchez eine Regierung bilden wollte ist schlicht falsch. Die PSOE hat versucht mit einem Pakt mit Ciudadanos, Podemos (immerhin weit stärkere Kraft als Cs) vor rechte Tatsachen zu stellen und damit auszuboten.