Wo sind die Wasserkraft-Milliarden geblieben?
Der National- und der Ständerat wollen die grossen Stromkonzerne für ihre Fehlentscheidungen nachträglich mit Subventionen belohnen und scheuen sich nicht, diese als Unterstützung für die Wasserkraft zu bezeichnen. Tatsächlich profitieren davon aber die Stromkonzerne, denen die Wasserkraftwerke gehören, und indirekt die industriellen Grossverbraucher, die sich über die Quersubventionierung ihrer Strompreise durch die kleinen KonsumentInnen freuen dürfen.
Bundesrat und Parlament verteilen die Geschenke an die Stromkonzerne und die Industrie, ohne eine Untersuchung zur Expansionsstrategie im Ausland und zu den Fehlinvestitionen im Inland zu verlangen. Die Frage steht im Raum: Wo sind die Wasserkraft-Milliarden geblieben? Infosperber ist dieser Frage nachgegangen und ist fündig geworden:
Aussenhandelssaldo 2000 – 2014: 15,5 Milliarden Franken
Die Schweizer Stromfirmen verkauften jahrelang wertvollen Wasserkraftstrom ins Ausland und kauften ausländischen Kohle- und Atomstrom ein. Daraus ergab sich ein jährlicher Einnahmenüberschuss, der in den Jahren 2001 bis 2011 regelmässig die Milliardengrenze überschritt.
Beispielsweise im Spitzenjahr 2008 erzielte die Strombranche aufgrund der Preisdifferenz einen Überschuss von 2,115 Milliarden Franken: Der exportierte Spitzenstrom aus Wasserkraft kostete durchschnittlich 10,66 Rp./kWh und der importierte Strom 6,7 Rp./kWh, was einer Marge von rund 4 Rp./kWh entsprach. Der kumulierte Einnahmenüberschuss betrug von 2000 bis 2014 rund 15,5 Milliarden Franken.
Reingewinn der Strombranche 2000 – 2013: 26 Milliarden Franken
Der Reingewinn der Strombranche betrug im Jahr 2000 noch relativ bescheidene 652 Millionen Franken. Bereits im Jahr darauf überschritt der Reingewinn die Milliarden-Grenze, im Jahr 2006 die Zwei-Milliarden-Grenze und im Rekordjahr ritzte der Gewinn fast die Vier-Milliarden-Grenze. In den Krisenjahren ab 2010 ging der gesamte Reingewinn der Strombranche zwar zurück, aber überschritt noch locker die Milliarden-Grenze.
Im Jahr 2013, als die Stromlobbyisten laut nach Subventionen schrien, erreichte der Gesamtgewinn immer noch stolze 2,5 Milliarden Franken. Der kumulierte Reingewinn der Strombranche betrug von 2000 bis 2013 rund 26 Milliarden Franken.
Stromkonzerne setzten über 10 Milliarden Franken in den Sand
Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq, BKW und Repower investierten Milliarden in ausländische Gas-Kombi- und Kohlekraftwerke. Alpiq und Axpo verlochten auch im Inland über vier Milliarden Franken in die unrentablen Pumpspeicherwerke Nant de Drance im Unterwallis und Linth-Limmern im Glarnerland.
In den Alpiq-Bilanzen türmten sich in den letzten fünf Jahren insgesamt 5,3 Milliarden Franken Abschreibungen. Nicht viel besser sieht es beim Konkurrenten Axpo aus, der im gleichen Zeitraum über vier Milliarden Franken abschreiben musste. Entsprechend wuchsen auch die Verluste. Die gesamte Strombranche setzte mindestens 10 Milliarden Franken in den Sand. Tendenz steigend.
Steuern, Dividenden, Tantiemen in Milliardenhöhe
In den goldenen Jahren floss ein grosser Teil der Milliarden-Gewinne aufgrund der inländischen Dividenden- und Steuerflucht in die zahlreichen Kassen der Mittelland-Kantone, denen die Wasserkraftwerke mehrheitlich gehören und wo die Steuerdomizile der Wasserkraftwerke liegen.
Im Jahr 2001 betrug die Summe von direkten Steuern, Ablieferung an Gemeinden und Kantone, Dividenden und Tantiemen sowie Wasserzinsen insgesamt 1,3 Milliarden Franken und stieg bis auf rund 3,2 Milliarden Franken im Jahr 2009 an.
Der Anteil der Wasserzinsen schmolz dabei von 38 Prozent im Jahr 2001 auf rund 21 Prozent im Jahr 2008 dahin. Auch von den Wasserzinsen profitierten die Mittellandkantone mit rund einem Viertel, vor allem die Kantone Bern und Aargau, wie die folgende Grafik zeigt:
Gewinnreserven der Strombranche 2001- 2013: 20,7 Milliarden Franken
Mit den Milliarden-Gewinnen stiegen auch die Gewinn-Reserven stetig an, von 4,7 Milliarden Franken im Jahr 2001 auf astronomische 21,3 Milliarden Franken im Jahr 2012.
Vergütungen für Verwaltungsräte und Manager
Während das Alpiq-Fiasko sofort auf die SchülerInnen von Olten durchschlug, dachten die Verantwortlichen des Debakels nicht daran, den Gürtel ebenfalls enger zu schnallen. Im Gegenteil: Die Verwaltungsräte und Manager kassierten weiterhin üppige Vergütungen, Sitzungsgelder und Spesen – als gäbe es keine Milliarden-Verluste.
Für den Stromhandel innerhalb des Axpo-Konzerns war die Axpo-Tochter Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL; ab 2012 Axpo Trading) zuständig. Die EGL-Gewinne trugen wesentlich zum Gesamtgewinn des Axpo-Konzerns bei. Der Goldrush schlug sich auch in den Vergütungen der sechsköpfigen EGL-Geschäftsleitung nieder, die beispielsweise im Jahr 2006 horrende 4,5 Millionen Franken kassierte. VR-Präsident der EGL war der damalige Axpo-CEO Heinz Karrer und heutige Präsident des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse.
Von 2002 bis 2006 sass auch die damalige Aargauer CVP-Nationalrätin und heutige Energieministerin Doris Leuthard im EGL-Verwaltungsrat. Auch sie hat die gescheiterte Hunter-Strategie mitgetragen und dafür Vergütungen kassiert. Kein Wunder, dass sie heute von einer Untersuchung des Strom-Debakels durch den Bund gar nichts wissen will.
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Dieser Artikel ist eine ergänzte Version eines Beitrags, der erstmals im Pro Natura Magazin 3/2016 erschienen ist.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Nach der staatlichen Rettung der Privatspitäler und der Banken folgt nun diejenige der Stromkonzerne. Wir leben nicht nur in einer Plutokratie sondern auch im Raubtierunternehmer-Sozialismus.
Es sollte glasklar sein, wer die Stromkonzerne zu retten hat, wenn sie überhaupt gerettet werden sollen oder gerettet werden müssen: Die Besitzerkantone. Diese haben Abgesahnt und gleichzeitig ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen. Es ist skandalös, dass nun der Bund oder die Stromkonsumenten (die kleinen oder alle) für die Fehler der Strombarone gerade stehen sollen. Klar färbt es fast 1 zu 1 auf die Steuerzahler ab, wenn die Kantone zahlen müssen oder weniger an Ablieferungen erhalten, aber das ist richtig so. In einer direkten Demokratie hätten auch die Steuerzahler intervenieren können. Sie sind ja meist auch Stimmbürger. Korrekter wäre nur noch, wenn direkt die Verwaltungsräte, Regierungsräte, die Grossräte und die Manager zur Verantwortung gezogen würden. Bei allem sollte nicht vergessen gehen: Gerade weil die Konzerne stolze Tantiemen ablieferten, wurden sie nicht zurückgehalten. Es gab da kürzlich eine gute Initiative, die wollte, dass dieser Unfug wenigstens auf Bundesebene gestoppt wird. Vergeblich.