Grosser Krieg: Die Ölkonzerne würden profitieren
Ein ausgeweiteter Syrienkonflikt, der zu einem flächendeckenden Brand in der Region und zur Zerstörung von Ölquellen im Nahen Osten führen würde, wäre der perfekte Turbo für den Ölpreis und würde die Fracking-Industrie in den USA umgehend wieder konkurrenzfähig machen.
Mitte April trafen sich in der katarischen Hauptstadt Doha die Vertreter von 18 Ölförderländern der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), um über eine Begrenzung der Fördermengen zu sprechen. Der Iran war nicht eingeladen.
Eine Begrenzung der Erdölförderung hätte einen Anstieg des Ölpreises bedeutet, der seit Mitte 2014 mehr als zwei Drittel gefallen ist. Doch die Konferenz wurde ergebnislos vertagt, was den Ölpreis erneut unter Druck setzte.
Verluste, die nicht unerwünscht sind
Der seit längerem niedrige Ölpreis von gegenwärtig weniger als 40 US-Dollar beschert in vielen Ländern, deren Regimes der US-Regierung ein Dorn im Auge sind, enorme Verluste. Venezuela zum Beispiel nahm 2013 noch 42 Milliarden US-Dollar für seine Ölexporte ein, 2015 nur noch 12 Milliarden. Nigeria, Angola und Aserbaidschan haben bereits angekündigt, dass sie in naher Zukunft auf Notfallkredite zurückgreifen müssen. Russland hat seinen Reservefonds wegen des niedrigen Ölpreises im Jahr 2015 halbiert und wird ihn bei bleibendem Preisniveau bis Ende 2016 aufgebraucht haben.
Verluste, die unerwünscht sind
In den USA haben sich seit der Jahrtausendwende mehrere hundert Firmen trotz aller bekannten Umweltprobleme der Erdöl- und Erdgasförderung mittels Fracking verschrieben. Die Finanzindustrie erkannte schnell gute Verdienstmöglichkeiten, da sich abzeichnete, dass die USA von Erdölimporten unabhängig und über das Fracking sogar zu einem der globalen Marktführer von Erdöl und Erdgas werden könnten. Es folgte eine Art neuer Goldrausch, während dem die Finanzindustrie bis Anfang 2015 mehr als 200 Milliarden US-Dollar an Krediten in den Fracking-Sektor pumpte.
Seit Mitte 2014 aber zeigt sich die entscheidende wirtschaftliche Schwachstelle des Fracking: Trotz aller Versuche, die Produktionskosten zu senken, wird es mit dem Rückgang des Ölpreises immer weniger profitabel. Da der Preisverfall seit mittlerweile mehr als eineinhalb Jahren anhält und keine grundlegende Umkehr in Sicht ist, scheuen viele Banken vor weiteren Krediten an die Fracking-Industrie zurück und verlangen die Rückzahlung alter Kredite. Diese Entwicklung hat bereits 50 Unternehmen in den Bankrott getrieben. Weitere 150 Unternehmen sind entweder nicht in der Lage, laufende Kredite zu bedienen oder werden bei gleichbleibendem Ölpreis bis Ende 2016 in Konkurs gehen.
Das ist den Spekulanten am Markt nicht entgangen, und so tun viele das, was sie bereits ab 2006 in der Subprime-Hypothekenkrise getan haben: Sie spekulieren auf einen Absturz der Erdölbranche und schliessen Kreditausfallversicherungen auf diese Firmen und auf den Fracking-Markt als Ganzes ab. Die meisten, welche solche «Credit Default Swaps» CDS kaufen, sichern nicht eigene Beteiligungen ab, sondern wetten einfach auf Verluste.
Genau beziffern lässt sich das Volumen dieser Versicherungen nicht, da es sich grossenteils um OTC (Over-the-counter) Geschäfte handelt, die in den Bilanzen der Finanzunternehmen nicht auftauchen und weiterhin intransparent bleiben. Man kann aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Betrag im einstelligen Billionenbereich liegt und damit im Ernstfall zu einer Gefahr für das globale Finanzsystem würde.
Nicht mit der Finanzwelt Vertraute mögen nun fragen, wieso Finanzinstitute solche Versicherungpapiere (CDS) angesichts des Beinahe-Crashs von 2008 überhaupt herausgeben. Die Antwort ist simpel: Die Entwicklung seit 2008 hat gezeigt, dass Politik und Zentralbanken restlos alles tun, um das System als Ganzes am Leben zu erhalten. Die Herausgeber von Kreditausfallversicherungen (die allesamt zu den grössten Marktteilnehmern zählen) gehen davon aus, dass man auch sie im Notfall wieder retten wird.
Schuld daran, dass gewissenlose Spekulanten ihr undurchsichtiges Treiben an den Finanzmärkten weiter führen können, sind Regierungen und von der Finanzlobby beeinflusste Parlamente, die seit 2008 viel zu wenig unternommen haben, um dieses Treiben zu beenden, das trotz aller gegenteiligen Behauptungen von Jahr zu Jahr weiter ausufert. Die Konsequenzen und Risiken dieses Finanzcasinos und/oder eines – auch durch den tiefen Ölpreis ausgelösten – grösseren Krieges im Mittleren Osten sind für einen grossen Teil der Menschheit unüberschaubar.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Ernst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs», erschienen im Tectum-Verlag, Marburg, 26.90 CHF.
Der spannende Artikel zeigt wichtige Hintergründe bei der Entwicklung der Erdölpreise und deren Folgen. Leider geht er trotz den Hinweisen auf die Rolle der Finanzmärkte zu wenig detailliert auf all die komplexen Vernetzungen zwischen Öl- und Finanzmarkt ein. Was ist z.B. die Rolle der Futures und Derivate und wer profitiert wann und wie von den Preisschwankungen. Seit Mitte Januar mit einem Ölpreistief von 27,9 $/Barrel ist der Preis schon wieder um 61% auf aktuell 44,8 $/Barrel gestiegen, mit weiter steigender Tendenz. Die Medien und Börsianer bringen noch immer, drei Monate nach der Trendwende, vor allem die Preis-Sink-Mitteilungen. Bei einer mittleren Preissteigerung von 30% über die drei letzten Monate, und einem gleichzeitigen dreimonatigen Welt-Ölverbrauch von über 8 Milliarden Barrel wurden gegenüber dem Tiefststand im Januar rund 70 Milliarden $ zusätzlich «erwirtschaftet». Wer hat diese riesigen Preisgewinne in den letzten drei Monaten, von rund 70 Milliarden $, eingesteckt? Und wer sind eigentlich die Hauptakteure in diesem ganzen Monopoly? Und wie weit können sie das System manipulieren und zugunsten ihrer Interessen beeinflussen?
Sicherlich sind es am Ende benennbare Personen, die den Gewinn einstreichen und sie müssten schon Wirtschaftsjournalisten bekannt sein, oder man schaut in der Liste von Forbes!