HillaryClinton

Hillary Clinton: Die frühere First Lady will als erste Präsidentin ins Weisse Haus einziehen © Mark Nozell/Flickr/cc

Strafsteuer für kurzfristiges Gewinndenken

Philipp Löpfe /  Hillary Clinton schlägt eine gestufte Steuer auf Aktiengewinne vor: Je länger Aktien im Depot bleiben, desto tiefer der Steuersatz.

«It’s the economy, stupid», war das Motto, mit dem Bill Clinton 1992 die Wahlen gewonnen hat. Die Wirtschaft wird auch nächstes Jahr darüber entscheiden, wer ins Weisse Haus einzieht. Das hat Hillary Clinton wie ihr Ehemann klar erkannt. Während die Republikaner ihre grotesken Trump-Festspiele abhalten, bereitet die mutmassliche Kandidatin der Demokraten das Terrain geschickt vor.
Wer Aktien länger hält, zahlt weniger Kapitalgewinnsteuern
Nach ihrem Engagement für einen höheren Mindestlohn schlägt sie nun eine Änderung der Steuergesetze vor, die das kurzfristige Gewinndenken bestrafen soll. Konkret sieht ihr Plan vor, dass die Kapitalgewinne bei Aktien gestuft besteuert werden sollen. Wer seine Aktien kauft und sogleich wieder abstösst, wird mit einem Satz von 39,6 Prozent belastet. Je länger die Aktien im Depot bleiben, desto tiefer wird der Steuersatz auf dem Kapitalgewinn. Nach sechs Jahren beträgt er bloss noch 20 Prozent.

Mit diesem Vorschlag ist Hillary Clinton ein äusserst geschickter Schachzug gelungen. Das kurzfristige Gewinndenken ist bei Linken und Konservativen gleichermassen verpönt, auch in der Schweiz übrigens. Kein HSG-Professor, der nicht Brandreden gegen das kurzfristige Denken der Manager hält, und kein Unternehmenspatron, der nicht versichert, er werde sich niemals von Quartalsgewinnen terrorisieren lassen.
Applaus von Unternehmen und den Linken
Hillary Clinton erhält denn auch für ihre Vorschläge Applaus von ungewohnter Seite. Laurence D. Fink, CEO von BlackRock, dem grössten Vermögensverwalter der Welt, hat seinerseits einen Vorschlag lanciert, der fast identisch ist. Selbst Carl C. Icahn, der legendäre Shareholder-Aktivist, unterstützt den Plan. «Es mag Sie erstaunen, aber ich stimme Hillary Clinton in vielen Dingen zu», erklärte er gegenüber der «New York Times».

Vor allem jedoch kommen Hillarys Vorschläge bei den Progressiven, dem linken Flügel der Demokraten, sehr gut an. Für sie sind kurzfristige Gewinne und die damit verbundenen Manager-Boni schon lange ein Zeichen der Dekadenz des US-Kapitalismus.

Dabei waren die Quartalsgewinne in der Amtszeit von Bill Clinton noch äusserst beliebt. Im Boom der Neunzigerjahre galt die Devise: Wenn Manager permanent für die Interessen der Aktionäre schuften müssen, dann kommen sie nicht auf dumme Gedanken und verschwenden das Geld der Unternehmen nicht für Firmenjets und grosszügige Stiftungen. Das kurzfristige Denken galt als Zeichen der Überlegenheit des US-Kapitalismus gegenüber der europäischen sozialen Marktwirtschaft.
Aktien-Rückkauf-Programme höhlen Unternehmen aus
Die Entwicklung nach dem Jahrhundertwechsel hat zu einem Umdenken geführt. Die Quartalsgewinne und die daran gekoppelten Manager-Boni haben dazu geführt, dass die Unternehmensgewinne nicht mehr in neue Projekte investiert, sondern in aufwändige Aktien-Rückkauf-Programme gesteckt werden. Das treibt zwar kurzfristig den Aktienkurs in die Höhe, höhlt jedoch langfristig die Substanz der Unternehmen aus.

Hillary Clinton legt mit ihrem Vorschlag den Finger auf einen wunden Punkt und bringt ihre Gegner in Verlegenheit. Sie schlägt keine neue Steuer vor, sondern belohnt einzig die Langfristigkeit und entzieht sich so geschickt dem Vorwurf, den Staat zulasten der Wirtschaft aufzublähen. Mag sein, dass Hillary Clinton nicht die brillianteste aller Rednerinnen ist. Aber sie hat einmal mehr bewiesen, dass sie eine äusserst kluge Politikerin ist.

Dieser Beitrag ist auf watson.ch erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Philipp Löpfe war früher stellvertretender Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Heute ist er Wirtschaftsredaktor von «Watson.ch».

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