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Joe Ackermann mit seinem Weichpuppen-Praktikanten bei der Prozessvorbereitung © Montage: Patrik Etschmayer (news.ch)

Mephisto als Weichpuppe – Ackermann vor Gericht

Regula Stämpfli /  Und wieder einmal steht u.a. Joe Ackermann vor Gericht. Angeklagt wegen «versuchten Prozessbetrugs» im Fall Kirch.

Red. Regula Stämpfli ist Doktorin der Geschichte, Philosophin, Politologin, Autorin und Dozentin.


Wirtschaftsberichterstattung at its worst. Wer sich in diesen Tagen über den Prozess gegen führende Ex- und amtierende Manager der Deutschen Bank informieren will, wird mit juristischen Details regelrecht zugeschissen. Werden «Sozialschmarotzer» tage-, wochen- und jahrelang vom Boulevard gehetzt, verhüllt man die «Geldschmarotzer» hinter juristischem Dunst.

Deshalb erfolgt hier der Versuch, wenigstens ansatzweise Zusammenhänge zwischen Managementgebaren, persönlicher Bereicherung, Schädigung von Unternehmen und Volkswirtschaften inklusive der Inkompetenz der vierten Gewalt in Finanz- und Wirtschaftsprozessen aufzuzeigen. Wohlverstanden: Es ist ein Versuch, der gerne von den entsprechenden Finanzberichterstattern ergänzt werden dürfte. Schliesslich stirbt die Hoffnung immer zuletzt.

Keine «weiteren Fremd- oder gar Eigenmittel» für das Medienunternehmen Kirch

2002 hat der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf E. Breuer mit einem Satz (!) das Imperium des deutschen Medienmoguls Kirch zerschlagen: «Der Finanzsektor ist nicht bereit, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.» Dieser eine, harmlos wirkende Satz genügte, um das milliardenschwere Kirch-Unternehmen insolvent zu machen. Kirchs Anwalt, der CSU-Politiker Peter Gauweiler, formulierte es damals so: «Wir bewegen uns jetzt im Bereich der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Begangen nicht durch irgendwen, sondern durch Organe der grössten deutschen Bank.»

Die Kirch-Erben versuchen seit über 10 Jahren zu beweisen, dass das Unternehmen Kirch nicht einfach nur willentlich, absichtlich und aus Profitgier durch die Deutsche Bank zerschlagen wurde, sondern sich die Hauptakteure namens Fitschen, Ackermann und Breuer bei sämtlichen Prozessen abgesprochen hätten, um jegliche Rechtsansprüche der Kirch-Erben in den Wind schlagen zu können.

Leo Kirch, der im Sommer 2011 starb, hat in einem Interview zu den Vorwürfen gegen die Deutsche Bank gesagt: «Erschossen hat mich der Rolf.» Gemeint war damit Rolf Breuer, der wahrscheinlich als gutbezahltes Bauernopfer für seine Kollegen hinhalten muss und in dessen Gesicht man sieht, wie gross seine Angst ist, auf Schadenersatz von seinem ehemaligen Arbeitgeber verklagt zu werden. Denn das deutsche Gericht (solche Fälle gibt es ja nie in der Schweiz) hat letztes Jahr die Deutsche Bank zu 925 Millionen Euro Schadenersatz an die Kirch-Erben gezwungen. Von diesen 925 Millionen musste keiner der damaligen Akteure bisher einen Euro zahlen, obwohl die Verantwortung in deren Bereich lag.

Nach dem Vergleich zwischen den Kirch-Erben und der Deutschen Bank klagte die Münchner Staatsanwaltschaft, deren Mut man hier doch einmal anerkennen sollte, erneut gegen Ackermann und Co. Diesmal ging es um «versuchten Prozessbetrug.» Gestern wetterte der Verteidiger für die Deutsche Bank respektive von Jürgen Fitschen, gegenwärtiger Deutsche-Bank-Chef, alles sei selbstverständlich «schlichtweg falsch», was im Nachhinein auch die Verurteilung der Deutschen Bank zur Zahlung an die Kirch-Erben hinfällig machen, respektive Rolf Breuer von einer allfälligen Schadenersatzklage schützen soll.

Ackermanns Victory-Finger oder Klassenjustiz

Blenden wir zurück: 2006 zelebrierte sich der Schweizer Joe Ackermann im Mannesmann-Prozess mit Victory-Zeichen im Revisionsverfahren. Die Wirtschaftspresse redet seitdem nur vom «Imageschaden» für Ackermann, als ob dies relevant wäre. Das Victory-Zeichen ist kein Imageschaden für Ackermann, sondern für die Wirtschaftsjournalisten, die sich seit über 10 Jahren eine zusammenhanglose und irrelevante Berichterstattung leisten.

Der Mannesmann-Prozess gegen Ackermann und Co. war eines der wichtigsten deutschen Wirtschaftsverfahren. Die Strafanklage lautete auf unlauteren Wettbewerb, unlautere Bereicherung und Unternehmensübernahme. Natürlich lauteten die juristischen Begriffe anders, doch inhaltlich ging es genau um diese Punkte. Ackermann und Co. wurde damals vorgeworfen, als Mitglieder des Aufsichtsratsausschusses im engen zeitlichen Zusammenhang bei der Übernahme von Mannesmann durch die britische Vodafone erhebliche Prämien erhalten zu haben. «Untreue im Sinne des § 266 StGB zum Nachteil der Mannesmann AG», lautete der juristische Straftatbestand. Den an den Entscheidungen beteiligten Präsidiumsmitgliedern, u.a. eben Joe Ackermann, soll bewusst gewesen sein, dass die Sonderzahlungen für Mannesmann AG völlig nutzlos gewesen waren und nur die Empfänger bereichert hätten. Die Angeklagten nannten die Sonderzahlungen «Anerkennungsprämien für besondere Leistungen.»

Allein die Rekonstruktion dieser Geschichte hat mich hier drei Stunden Recherche gekostet, weil kaum ein Zeitungsartikel via Google hoch geratet wurde, der einfach, klar und nachhaltig den damaligen Prozess beschreibt. Der Prozess gegen Ackermann und Co. wurde Ende 2006 nach Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Geldauflagen eingestellt. Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach damals von Klassenjustiz. Jeder Normalbürger kriege bei einer Straftat die Härte des Gesetzes zu spüren. Nicht aber «Ackermann & Co. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung dieses bislang grössten deutschen Wirtschaftsverfahrens mit einem Schaden von über 60 Millionen Euro ist immens und nicht wegzudiskutieren. Es ist ein Skandal, dass sich die Staatsanwaltschaft dieses öffentliche Interesse gegen Zahlung von weniger als drei Monatsgehältern, zahlbar also aus der Portokasse, hat abkaufen lassen.» (Quelle Wikipedia)

Ackermann als ideale Besetzung für Mephisto in Faust III

Joe Ackermann machte anschliessend mehrere ähnlich attraktive Schlagzeilen durch seine Besuche im Bundeskanzleramt, durch die Verkündung eines Milliardengewinns der Deutschen Bank bei gleichzeitiger Entlassung von 6000 Mitarbeitern, durch seine Aussage nach der Finanzkrise 2008, er würde sich schämen, von der Regierung Hilfe anzunehmen, nachdem er selber solche Banken-Hilfspakete befürwortet hatte und und und.

Bräuchte man einen Mephisto im Finanzstück «Faust III», die Rolle wäre mit Joe Ackermann nicht nur gut besetzt, sondern der «echte» Mephisto würde sich schämen, im Vergleich zu Joe Ackermann, eine derartige Weichpuppe zu sein. Doch die Wirtschaftspresse steht Ackermann seit Jahren zur Seite, wenn es darum geht, den «Geldamokläufer» (Presserat: Ironiedetektor für Meinungsstücke ist erlaubt) als «unverstandenes», «ungerecht behandeltes» Manager- und Finanzgenie darzustellen.

Selbst Ackermanns Tochter ist sich nicht zu schade, um der Presse zu Protokoll zu geben, wie nett ihr Papa doch sei und wie sehr sie unter der schändlichen Presse habe leiden müssen, so sehr, dass sie dadurch krank wurde. «Pfui: Schämt Euch, Ihr Wirtschaftsjournalisten! Wie könnt ihr nur den Vater einer derart talentierten Tochter aufgrund von dessen Geldpolitik, strafrechtlichen Verwicklungen und Victory-Zeichen unter die Lupe nehmen!»

Immerhin hat es die 31-jährige Millionärstochter Catherine Ackermann im Kulturkuchen geschafft und verdient ihr eigenes Geld, bekommt ihre eigenen Preise und vermarktet ihre persönliche Angst-Story promigerecht im Magazin der Süddeutschen. Welch schönes Happy-End! Söhne anderer, für die Gesellschaft wegen ihres Finanzgebarens ähnlich verheerender Väter investieren die vorhandenen Millionen zwar gerne in menschengerechte Stiftungen statt eigenes Geld zu verdienen, doch wer wären wir denn, derart banale Privatgeschichten für irgendwelche Images auszuschlachten? Dies tut die Presse gerne bei den Helden der Gegenwart, beispielsweise bei Edward Snowden oder Julian Assange, aber doch sicher nicht bei wirklichen Bösewichten, die ganze Volkswirtschaften, Unternehmen und Menschen in ihr Unglück stürzen…

Wieder Entlastung für Ackermann & Co.?

Zurück zum aktuellen Prozess gegen die ewig gleichen Angeklagten. Sie werden, wie üblich, auch diesmal nicht richtig zur Rechenschaft oder Verantwortung gezogen werden. Wie so viele vor ihnen in Deutschland. In 70 Jahren wird es vielleicht möglich sein, mit Entsetzen auf unsere Zeit zurückzublicken, auf die Institutionen, auf die Akteure und die politischen Prozesse, die ein System ermöglicht haben, in dem auch Leitblätter ernsthaft von «faulen Griechen» schreiben während kein einziger Banker oder Politiker, der seit 2007/8 Europa in einem monetären Kriegszustand hält, zu Lebzeiten jemals verurteilt werden wird (einzig Island schaffte dies).

Joe Ackermann und Co. beherrschen das Spiel perfekt, weil sie es sind, die die Regeln, die Straftatbestände und die symbolische Wortwahl (Merkels «marktkonforme Demokratie» lässt grüssen) definiert haben. Joe Ackermann hat übrigens wieder einen guten Job. Nachdem er 2013 vom Präsidiumsposten des Verwaltungsrats der Zurich Insurance Group freiwillig zurückgetreten ist – die «Zurich» und Joe Ackermann wurden laut Presseberichten nach dem Selbstmord des Zurich Finanzchefs Wauthier entlastet (lassen Sie sich diesen Satz auf der Zunge zergehen…) – amtiert er seit November 2014 als Aufsichtsratsvorsitzender der Bank of Cyprus.

Dieser Text ist am 29. April 2015 auf news.ch erschienen.


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4 Meinungen

  • am 6.05.2015 um 16:37 Uhr
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    Regula Stämpfli schreibt amusant über längst bekannte Tatsachen! Die erstaunlichste Erkenntnis ist allerdings jene, dass die Schuldigen nicht nur im Finanzsektor, sondern auch in der Politik zu suchen sind! Das griechische Debakel (Last Tango in Athen) wurde von Politikern längst vor der Finanzkrise eingebrockt! Da kommen Gerhard Schroeder und seine Nachfolgerin Angela Merkel, mit Letzterer steht ja «Little Joe» aus dem Banken-Bonanza auf Schusekurs gar nicht gut weg. Auch in der Politik wird mit falschen Karten gezinkt, fragt sich nur, wie lange noch.
    Doch zurück zu Joe Ackermann. Er ist der beste Beweis, dass die Welt betrogen werden will und das Fehler auf einer gewissen Stufe nicht mehr geahndet werden. Ist man mal im Olymp angelangt (nicht im griechischen natürlich) bekommt man immer wieder einen gutbezahlten Job, Joe ist ja schliesslich für unsere Gesellschaft unentbehrlich. So war es wirklich erstaunlich, dass er es nach der Mannesmann-Geschichte zur CEO und danach zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank geschafft hat. Die Deutsche Bank ist nun mit den Aufräumarbeiten ihrer früherer Chefs beschäftigt!…… Schliesslich holte die Zurich Insurance seinen immensen Erfahrungsschatz, Prozesserfahrung hatte er ja auch. Manchmal können auch keine Worte zu ungeahnten Folgen führen (Zurich Finanzchef). Auch bei Prozessen ist das «Old boys network» gefragt. Diejenigen welche dies beanstanden, sind nur eifersüchtig nicht dazu zu gehören, hört man diese Herren sagen.

  • am 6.05.2015 um 16:44 Uhr
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    Eigentlich wäre ein echter Politprozess viel interessanter als jener im Falle Kirch.

    Die Angeklagten wären jene Politiker, welche bei der EU-Schuldenkrise und dem Debakel mit Griechenland die Hauptrolle gespielt haben. Diejenigen, welche die Konvergenzkriterien der EU aufgeweicht, ein Land wie Griechenland in die Währungsunion aufgenommen und mit immensen geldpolitischen Massnahmen die ganze missliche Situation noch retten wollen. Die finanzielle Repression kennt keine Grenzen. Alle diese Personen gehören auf die Anklagebank! Dies ergibt dann eine tolle Story, auch für die gepeinigten Journalisten – vielleicht demnächst in diesem Theater!?

  • am 6.05.2015 um 17:53 Uhr
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    Arroganz und Maßlosigkeit der sog. Finanzdienstleister ( wohl weil sie eigenen Finanz zu frommen Dienste leisten) kennt keinen Grenzen, so etwa wenn Konrad Hummler, nachdem er eine der ältesten und konservativsten Bank mit seiner Gier und Machthunger ruiniert, die ehemaligen Besitzer betrogen, nun in USA vor Republikanern Steuerhinterziehung als legitime Verteidigungsstrategie lobt. Die Politiker mit schönem Schein oder Scheinen korrumpiert sind längst alle Verluste sozialisiert, Gewinne privatisiert. Die lachenden Spekulanten griechischer Papiere dank «Griechenlandfinanzhilfepaket» voll befriedigt und nicht ein Euro ist den griechischen Bürgern zugeflossen, dafür sind nun Staaten resp. deren Steuerzahler in der Pflicht und die Spekulationen drehen sich weiter und weiter. Mittlerweilen dürfen die Steuerzahler der Welt 200 Billionen Schulden schultern: 286% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Da darf doch Ackermann zu Recht sein Victory-Zeichen machen.

  • am 6.05.2015 um 23:27 Uhr
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    Schade ist wohl, dass solch moralischer «Betrug» kein strafrechtlicher Tatbestand ist und folgenlos bleibt, da die nächste Skandalnachricht es schon wieder aus dem Gedächtnis streicht. Es wäre Aufgabe eines kritischen Journalismus, dafür zu sorgen, dass solches aufgeklärt und aktuell bleibt und die Macht der scheinbar alles bestimmenden Oekonomie und des Geldes eingedämmt würde.

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