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Vor dem Haus in Kiew am 16.4.2015 erschossen: der regierungskritische Journalist Oles Busyna © TV

Endlich protestiert die freie Welt gegen Kiew

Christian Müller /  Über 60 Professoren aus aller Welt protestieren in einem Offenen Brief an Poroschenko gegen die mörderische Zensur in der Ukraine.

Infosperber hat darüber berichtet: Das ukrainische Parlament hat am 9. April 2015 neue Gesetze erlassen, in denen die nationalistischen Organisationen OUN und UPA beziehungsweise deren Angehörige zu Nationalhelden erklärt werden. Nach diesen Gesetzen werden künftig Aussagen, in denen diese Organisationen kritisiert werden, unter Strafe gestellt. Wobei man wissen muss: Die OUN und die UPA waren verantwortlich für die Ermordung von Hunderttausenden von Polen, Juden und ethnisch «nicht reinen Ukrainern». Hatte ein ähnliches Gesetz vor fünf Jahren, damals erlassen von Präsident Wiktor Juschtschenko, noch weltweit zu massiven Protesten geführt, was mit ein Grund für die Widerrufung des Gesetzes durch Juschtschenkos Nachfolger Wiktor Janukowitsch war, so war diesmal nichts zu hören. Die meisten westlichen TV-Stationen, Radios und Zeitungen verzichteten darauf, darüber zu berichten – auch in Deutschland und in der Schweiz.

Wenigstens ein paar internationale Ukraine-Beobachter verweigern das Wegschauen

Jetzt haben über 60 Repräsentanten von Hochschulen – Historiker, Politologen, Slawisten und andere – einen Offenen Brief an Pedro Poroschenko ins Netz gestellt, in dem sie diese neuen Gesetze, mit denen de iure und de facto in der Ukraine die politische Zensur wieder eingeführt wird, aufs schärfste verurteilen und den ukrainischen Präsidenten auffordern, diese Gesetze nicht zu unterzeichnen und damit deren Inkraftsetzung zu verhindern.

Von den Unterzeichnern des Offenen Briefes kommen 21 aus den USA, 8 aus Kanada, 8 aus UK, 9 aus Deutschland, einige weitere aus der Schweiz, aus Schweden und aus Spanien, einige aber auch aus der Ukraine selbst. Den Namen nach zu schliessen sind darunter viele ausgewanderte Ukrainer.

Der Inhalt und der Geist der Gesetze vom 9. April widersprächen, so der Brief, einem der fundamentalsten politischen Menschenrechte: dem Recht der freien Rede (Meinungsäusserungsfreiheit).

Zur politischen Situation in der Ukraine heisst es in dem Offenen Brief wörtlich: «Den 1,5 Millionen Ukrainern, die in der Roten Armee im Kampf gegen die Nazis gefallen sind, soll der gleiche Respekt entgegengebracht werden wie jenen, die gegen die Rote Armee kämpften.»

Und weiter: Seit 1991 war die Ukraine ein toleranter und integrierender Staat – wörtlich in der Verfassung: für «die ukrainischen Bürger aller Nationalitäten». Wenn diese Gesetze vom 9. April unterzeichnet würden, würden sie ein Geschenk sein für all jene, die die Ukraine gegen sich selbst drehen wollten. «Diese Gesetze werden die Freunde der Ukraine spalten und entmutigen und die nationale Sicherheit der Ukraine beschädigen.»

Zum Artikel auf Infosperber «Stepan Bandera ist wieder ein Held»

Zum Offenen Brief an Pedro Poroschenko (in Englisch)

Kleiner Nachtrag

Auch an diesem Sonntag (26.4.2015) ist die Zensur und der wachsende Faschismus in der Ukraine für die Sonntagspresse kein Thema. Auch der «Elbe Day» in Torgau, das Zusammentreffen der Sowjetischen und der US-Amerikanischen Armee am 25. April 1945 mit einem Handschlag im Kampf gegen die Nazis, der auch dieses Jahr wieder in Anwesenheit der beiden Botschafter aus den USA und Russland gefeiert wurde, ist kein Thema. Dafür beschäftigt man sich mit 15 (in Worten: fünfzehn) Motorbikern, die wie jedes Jahr aus Anlass des Endes des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai eine Ausfahrt zu einigen Kriegsschauplätzen machen und dabei auch Berlin zu besuchen beabsichtigen. Ein Thema für die Regierungen in Polen, in der Tschechischen Republik und nun auch in Deutschland. Russophobe Hysterie pur, nicht zuletzt in den Medien.

Weiterführende Informationen


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Keine

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2 Meinungen

  • am 25.04.2015 um 23:59 Uhr
    Permalink

    Warnung: Faschismus ist die folgende STEIGERUNG von Eigenschaften, die in Nationalstaaten angelegt sind:

    1 Das nationale wird organisch: vom Volk (=Bevölkerung) zum völkischen (das nicht alle umfasst)
    2 Vom Staat (Territorium, Bevölkerung, eine akzeptierte Regierung) zum totalitären Staat
    3 Von der demokratischen Aushandlung von Klassenkonflikten zur Leugnung von Unterschieden IM Volk
    4 Ausschliessung von nicht zum Volk gehörenden Gruppen
    5 Paramilitärs als ideologische Elite und Machtapparat der Partei.

    Die Ukraine ist auf diesem Weg schon weit fortgeschritten.

    Werner T. Meyer
    Quelle der 5 Punkte: Michael Mann: «Fascists."

  • am 28.04.2015 um 18:54 Uhr
    Permalink

    Und wer da glaubt, der Brief gelangt in die blutigen Hände des Poroschenko, der hat sich gewaltig geirrt.
    Wenn er ihn doch bekommen sollte, so wird er darüber nur lachen…
    Die Junta in Kiew hat Rückenstärkung durch Obamamerkel und die gesamte EU!
    Die Junta fühlt sich bestätigt durch die us-und europäische faschismusblinde Führungsspitze und die regierungstreuen Medien!

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