Zitate des Korans/der Bibel zerstören die Religion
Man wirft in religiösen Kreisen des Christentums und des Islam mit isolierten Schriftzitaten vom AT (Altes Testament) bis zum NT (Neues Testament) oder mit verkürzten Suren aus dem Koran ohne jeglichen Kontext zur Gesamtlage um sich, d.h. man zitiert ohne jeglichen Zusammenhang; man zitiert so, als ob man aus einem voluminösen Rechtsbuch Paragraphen in Erinnerung rufen wollte. Jeder juristisch geschulte Mensch weiss, je mehr Paragraphen desto eher eine Chance zu einem Gesetz ein anderes Gesetz zu finden, welches das erste modifiziert oder gar ins Gegenteil wendet.
Mit reiner Zitatentheologie kommen wir nicht weiter
Bis ins hohe Mittelalter ging es bei beiden Weltreligionen primär nicht um einzelne Verse sondern um Geschichten, sei es biblische Geschichten oder seien es Hadithe. Beide Gattungen sind mehr Bilder als Begriffe, sind Illustrationen oder Konkretisierung in einem bestimmten Zusammenhang von einzelnen Versen oder Hadithe.
Mit einer reinen Zitatentheologie kommen wir weder in der Vertiefung noch im Verständnis weiter, sondern bringen Religion in den Bereich der Punktualisierung (Tüpflischiesserei) und werfen das Essentielle atomisiert durcheinander. Bibelsprüche genauso wie Koranzitate zerstören Religion.
Hermeneutik und Exegese
Bevor ich weiter gehe, müssen zwei Begriffe geklärt werden, denn um diese geht es letztlich.
Hermeneutik entspringt dem Altgriechischen und bedeutet die Theorie von Interpretation von Texten und über das Verständnis von Texten. Alle Texte bestehen aus Zeichen und Symbolen, in die Sinn oder Bedeutung eingegangen ist. Hermeneutik wird in Theologie, Philosophie, Rechtswissenschaft, Literaturwissenschaft und Sozialanalysen angewendet.
Exegese betrifft Hermeneutik im sakralen Bereich; es handelt sich um das Auslegen Heiliger Schriften. Es geht dabei um die ernsthafte Suche nach einem stets neuem Verständnis der originalen Quellen. Unter Exegese wird also die Suche nach dem damaligen Verständnis des Texts und/oder der Worte und deren heutiger Auslegung verstanden. Im christlichen Bereich führten evangelische Theologen diesen Bereich radikal weiter, etwa bis zur Entmythologisierung des Neuen Testaments von Rudolf Bultmann (1884-1976). Im Islam findet Koran-Exegese erst zögernd Eingang.
Einige erhellende Thesen zur Schriftauslegung des Korans heute
Es betrifft die heiligen Schriften beider Weltreligionen Christentum und Islam. In den Thesen wird im Kommenden kaum differenziert, denn es geht primär um ein allgemeines neues Verständnis, welches in die heutige Zeit passt und Sinn ergibt.
- Selbst wenn der Text direkt von Gott geoffenbart sein soll, darf und muss gefragt werden: welche Sprache spricht oder peilt der Offenbarer an? Sprach Gott Aramäisch oder Hebräisch zu Moses und den Propheten? Welche Sprache benutzte Jesus? War es Aramäisch? Genauso bei Mohammed. Passte dieser Überbringer Gabriel die Sprache Mohammed an? Woher kommen die vielen Parsi-Einflüsse im Koran?
- Prinzipiell hat der Islam recht, wenn er fordert, dass der Urkoran nicht übersetzt werden kann und darf. Mit jeder Übersetzung tritt der ursprüngliche Text aus dem Ort der Offenbarung heraus und trifft auf ein anderes Gott- oder Offenbarungsverständnis. Zudem gibt es keine eins zu eins Übersetzung; jede Übersetzung ist bereits eine Deutung und Weiterführung der sogenannten Offenbarung. Selbst wenn andere Völker mit einer anderen Muttersprache den Koran einfach auswendig lernen, erweitern sie den Koran. Nur Imame oder Theologen (meist stark juristische geprägt) halten daher an einer Versteinerung fest. Solche Fixationen führen zu Fundamentalismus und Absurditäten. Vor allem auch deshalb werden Koranverse zu magischen Formeln.
- Das AT und NT bestehen aus Geschichten; der Koran enthält Lehr- und Weisheitssprüche, denen meist der damalige menschliche und soziale Kontext fehlt. Sie werden daher abgehoben und absolut behandelt. Das NT gibt laufend Kontext oder den Sitz im Leben; dagegen kommt der Koran eher einem juristischen Kodex gleich, der erst im Laufe von 300 Jahren in der Sunna konkretisiert wurde. Wir könnten daher die Sunna als eine eigenwillige (oder andere) Form der Exegese verstehen. Die Sunna besteht aus Hadith (übersetzt: Erzählung oder Überlieferung). Ein Hadith führt immer auf Mohammed zurück und bringt Suren in den einstigen Alltag von Mohammed. Somit kannte der Islam bis ins 10. Jahrhundert sozusagen eine Fortsetzung der Offenbarung. Diese wurde dann wegen der Gefahr der Überbordung gestoppt. Somit fixierte der Islam seine frühzeitliche Eigenheit einer fortlaufenden Offenbarung und wurde «zweistromig»: der Kalifen- und Sultan-Islam, stark politisch und von den einzelnen Rechtsschulen geprägt und der Volksislam.
- Die entscheidende Frage entsteht, wenn ein Korankenner zwei Suren findet, die sich scheinbar aufheben oder gegeneinander ausgespielt werden können. Gibt es eine Form von Reden in Widersprüchen oder Gegensätzen? Oder heben sie sich dann gegenseitig auf und werden zu einer Form des weder Sowohl-das- nicht als auch jenes nicht? Relativiert es die Aussage beider Suren? Oder ist diese Weise gar ein eigenwilliger Vorgang der Vertiefung einer Kernaussage? Gibt es im Islam etwas vergleichbar Ähnliches wie im Christentum, welches stets das AT zwar mitnimmt, jedoch von Jesus behauptet, dass er dieses entweder erfüllt oder überholt habe; das AT verpflichtet nicht; es dient der Erhellung.
- Immer wieder wird auf beiden Seiten betont: Es kommt auf den Geist an. Aber was ist denn dieser Geist? Dazu braucht es die Exegese! Sonst sind Aussagen leere Rechtfertigungen. Wir brauchen Deutungen je mehr wir uns (Muslime wie Christen) vom Ursprung der Offenbarung entfernen und uns in einer anderen Weltlage als anno dazumal (in illo tempore) befinden.
- Deutungen unterliegen der Gefahr, dass sie isoliert vorgehen oder an einem Detail hängen bleiben. Der gute Exeget muss dauernd vom Ganzen zum Detail hin- und hergehen. Niemals darf er die Gesamtheit aus den Augen verlieren. Sowohl die christliche als auch die islamischen Offenbarung setzten sich von reiner Rechtsprechung ab. Bei Jesus ist das ganz klar; bei Mohammed ging es primär darum, alle Beduinen vereinen zu können, indem sie alle und immer unter Allah standen.
- Gerade in der Auslegung haben wir das Zeitbedingte vom Absoluten zu trennen. Wie? Wir wissen scheinbar immer weniger von diesem Absoluten. Wir kennen etwas vom soziokulturellen Kontext von Abraham oder Moses und den Propheten, aber eigentlich nichts von Gott, der im AT drei verschiedene Namen trägt, also auf drei Überlieferungen verschiedener Art zurückgeht, also auf drei Kultur- oder Agrar- und Stadtgeschichten. Yahweh, Elohim (Eloah, Elah) Jehovah, sogar Adonai u.a. wurde dieser eine Gott genannt. Um auf keinen Fall ein Ausweichen zu ermöglichen, wurde im Islam Allah mit 99 «all»-Varianten festgemacht. Dennoch kommt früher oder später dieses Menschliche und Zeitbedingte mit hinein. Keine Religion, selbst eine starke monotheistische nicht: Religion und erst recht Offenbarung haben primär mit Menschen zu tun, warum denn sollte ein Gott offenbaren? Gott spricht zu Menschen und nicht für sich. Und genau hier liegt der Kern des Problems.
- Nochmals sei darauf hingewiesen, dass es in jeder Offenbarung Eindeutiges und Zeitbedingtes, Banales und Sakrales, Alltägliches und Absolutes gibt. Doch wer unter den Menschen entscheidet das Dazwischen oder differenziert. Dazu ist die Kunst der Exegese da.
- Wir müssen auch hier aus dem Monismus herausgerissen werden. Einen universellen Konsens kann es heute mit unserer globalen Vernetztheit nicht mehr geben. Alle Worte werden viel- und mehrdeutig.
- Doch es geht nicht nach Worten, sondern nach Bildern und Mythen. Die Hl. Schriften sind nicht Geschichtswerke aber auch keine Moralkodexe. Sie können über Bilder etwas erhellen, das dahinter oder darüber oder darunter liegt. Daher ist eine Entmythologisierung derart wichtig, ansonsten wir alle, Deuter wie Gläubige, in Fallen laufen. Diese Entmythologisierung zerstört daher nicht, sondern das Gegenteil, sie hilft dem Menschen der Jetztzeit Hl. Schriften wieder glaubhaft zu machen. Zugegeben, das ist nicht leicht. Dazu müssten alle Theologen, Katechisten, Imame und Sufis beitragen. Niemand braucht z.B. die griechischen Mythen aufzugeben; genauso verhält es sich mit den Mythen der Hl. Schriften. Wir müssen anders Lesen lernen. Wir haben zwischen Offenbarung und Geschichte zu unterscheiden, und zwar sowohl im Moment der Offenbarung als erst recht im Laufe der Geschichte. Offenbarung ersetzt keine Paläontologie oder Archäologie, keine Agrar- oder Herrschaftsgeschichte.
- Sehr viel sowohl Zeitbedingtes als auch Auseinandersetzungen mit der momentanen Macht sind in die sogenannte Offenbarung mit eingeflossen, aber nicht in einem eins zu eins Verhältnis. Manchmal – wie vor allem bei Mohammed und Paulus – sind Rechtfertigungen miteingeflossen: Paulus als Doppelbürger, der das Evangelium aus Jerusalem heraus nach Rom bringen wollte; Mohammed als einer, der etwa seinen nicht unblutigen Einmarsch in Mekka 630 rechtfertigen muss.
- Legitimationen sind enorm wichtig. Vor allem bei den zwei Schriften NT und Koran, die in historischem Abstand und nicht sofort im betreffenden Augenblick aufgezeichnet wurden. Dürfen also damalige Rechtfertigungen eins zu eins auf heutige Lagen übertragen werden? Bei vielen Gläubigen scheint es so zu funktionieren, und sie können daher diese Schriften wie Gebrauchsanweisungen für den Alltag einsetzen. Man müsste daher nicht nur isoliert zitieren, sondern den Vers oder die Sure von damals in die heutige Lage versetzen. Das würde heissen: Mitdenken, Vergleichen, Abwägen und Extrapolieren…
- Wir stehen immer noch vor der aufgeworfenen Frage: Wie überträgt man Offenbarung aus einer Kultur in eine andere? Und eine zweite Frage: Wie kann man Mythisches oder Bildhaftes in Historisches und heutige Aktualität umsetzen?
- Kann ein Einzelner solches bewältigen? Kommt da nicht der Individualismus des Protestantismus an Grenzen? Was heisst unter solchen Umständen private Koran- oder Schriftlesung? Und was hiesse das für die Ausbildung eines Exegeten, aber erst recht für Prediger – auf beiden Seiten, Islam oder Christentum? Müssen die Gläubigen vielleicht mehr zu biblischen Geschichten oder Hadithe zurückgreifen?
- Nicht einzelne Verse oder gar Worte sind offenbart, nein, es sind vielmehr Ideengebilde oder eben Gleichnisse, Annäherungen und Entfaltungen; Offenbartes soll andere Welten aufzeigen oder erahnen lassen. Offenbarung kann zu einer anderen Form der Kosmologie werden, doch man muss sie zu dechiffrieren wissen.
Kurz und gut: Wir treten in ein neues Zeitalter im Umgang offenbarter Schriften. Das Zeitalter der Wörtlichkeit ist vorüber. Wir alle haben uns mehr zwischen Mythen und Historie zu bewegen und zu denken, zwischen Himmel und Erde zu stellen, zwischen Gott und Offenbarung.
Wir müssen aktiver Teil einer sich fortsetzenden Offenbarung sein.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor hatte in den USA in evangelischer Theologie doktoriert und anschliessend vergleichende Religionswissenschaft, Entwicklungssoziologie und Tropenlandwirtschaft studiert. Am 22. Februar 2015 erscheint Al Imfelds neustes Buch «AFRIKA IM GEDICHT» im Offizin Verlag Zürich. Das Buch enthält 586 übersetzte Gedichte von 258 Dichter und Dichterinnen, die nach 1960 in Afrika entstanden sind. Sie sollen laut Verlagsankündigung ein Dokument des Suchens und Ringens sein nach einem befreiten oder nachkolonialen Afrika.
Als Dilettant (im ursprünglichen Sinn!) mit einer philosophischen Grundbildung lehne ich mich in dieser weihnächtlichen Zeit etwas aus dem Fenster und wage zu behaupten, der Autor dieses Artikels befindet sich auf dem Holzweg: Angenommen, es gibt eine Offenbarung göttlichen Ursprungs, dann muss diese – ihrer eigenen Logik folgend – universal, durch alle Zeiten hindurch und absolut gültig sein. Daraus folgt, dass (1) Geschichtlichkeit, Kulturgebundenheit oder gar Psychologismus für das Verständnis dieser Offenbarung irrelevant, also Hermeneutik und Exegese fehl am Platz sind. Einzig (2) die Offenlegung argumentativer Strukturen und die sprachliche Präzisierung (durch formallogische Rekonstruktion und/oder klassische normalsprachliche Analyse) kämen demnach als Schlüssel zum Verständnis in Frage. Allerdings sind religiöse Behauptungen (3) Antony Flew zufolge sowieso empirisch unwiderlegbare Pseudobehauptungen und als solche – wie alle anderen metaphysischen Objekte auch – schlicht unsinnig, nicht behandelbar und somit irrelevant. So gesehen handelt es sich bei den hier in diesem Beitrag vorgebrachten Thesen (4) um Scheinprobleme; es ist völlig unerheblich, ob «Gott» zu den «Propheten» Aramäisch, Hebräisch oder Klingonisch sprach. Langer Rede, kurzer Sinn – aus dem Gnomologium Vaticanum Epicureum: μάταιόν ἐστι παρὰ θεῶν αἰτεῖσθαι ἅ τις ἑαυτῷ χορηγῆσθαι ἱκανός ἐστι.
Ein ausgezeichneter Artikel, nebellichtend und erhellend. Im erweiterten Verständnis von Whorf gibt die jeweilige Struktur einer Sprache den Rahmen, welche Aussagen eher möglich, welche entlegener sind und nach Lakoff sind Worte immer auch metaphorisch zu verstehen. Eine wörtliche Auslegung – nicht nur von heiligen Schriften – wäre eine fundamentalistische Reduktion. (Vergl. den religiösen Fundamentalismus in den USA, der sich beispielsweise im Postulat des «intelligent Design» ausdrückt). Wenn nun aber Wortsinn und Wortbedeutung von grammatikalischen Strukturen der jeweiligen Sprache bedingt werden und ebenso von der soziokulturellen Prägung (Bourdieu) des Deuters, ist immer nur eine subjektive temporäre Auslegung einer Metapher und damit eines Textes möglich. Solche Deutungen sind durch den Deutungsvorgang immer auch schon wieder entfernt.
Das mit den Geschichten, die zu erzählen sind, ist vielfach wunderschön und besonders die literarisch Gebildeten unter den Bloggern könnten sich da fast schon zu schnell einigen, besonders wenn man noch Verlagskollege voneinander ist. Die Sache mit der Wörtlichkeit ist aber im Einzelfall trotzdem peinlich. Selbst «mein Kampf» war einigermassen so gemeint wie es geschrieben war; visionäre Geschichtenerzähler formulieren unverblümter als demokratische Politiker. Wörtlichkeitsproblem: Ich weiss, dass es für den Priester Imfeld kaum mehr eines ist. Konfessionsbildend war das Wort Jesu: «Das ist mein Leib.» Voltaire interpretierte: «Die Katholiken essen Gott. Die Reformierten essen Brot. Die Lutherischen essen Gott mit Brot.» In Deutschland weigerten sich deswegen noch bis 1835 Lutheraner im gleichen Friedhof wie Reformierte beerdigt zu werden usw. Heute ist es nicht mehr so. Khomeini hat aber erklärt, wenn im Koran (oder in der Sunna?) stehe, dass man sich den Hintern mit der linken Hand putze, dass dies ohne jede historische Relativierung von Ewigkeit zu Ewigkeit gelte, weswegen Linkshänder immer aufpassen müssen, wenn sie einem Muslim die linke Hand reichen u, ihn damit beleidigen. @Gisiger. Schön, dass Sie Griechisch zitieren. Zu primitiv, ev. verkürzt die Sache mit Antony Flew. «Allah akbar» ist während Flugzeugsturz ein viel sinnvollerer Satz als die Newtonformel, was bei der Landung passieren wird; jeder Satz ist nur auf seiner Kommunkationsebene sinnvoll und vernünftig.
Verzeihung, Hr. Fritsche, aber das Problem ist nicht, wie WIR an «heilige Schriften» herangehen und sie deuten müssen. Das wirkliche Problem ist, wie wörtlich diese von den Gläubigen verstanden und gelebt werden. Dass täglich grausamster Terror verübt wird – im Namen Allahs! Und dass die Muslime insgesamt dagegen viel zu wenig unternehmen, sich nicht mal gross oder gar nicht empören – ausser wenn ihrer Ansicht nach ihr Prophet verunglimpft wird.
Genau solche Reaktionen, beziehungsweise Nichtreaktionen führen uns deutlich vor Augen, wie wörtlich unter der offenbar grossen Mehrheit der Muslime der Koran verstanden wird.
Dass Sie dem Koran nicht mal die Heiligkeit absprechen können, ohne dass sich die Muslime beleidigt fühlen, beweist lediglich das fundamentalistische Verständnis dieser Gläubigen. Aber nicht nur diese Gläubigen; alle Gläubigen erklären fatalerweise ihre Mythen und Offenbarungserlebnisse anderer Menschen zu fundamentalen, heiligen und objektiven Tatsachen. Gläubige zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie solche «Tatsachen» eben nicht als subjektiv begreifen können.
Daher kommt auch der Missionierungsdrang eines jeden echten Gläubigen. Ohne zumindest in der Schule oder von Freunden mit aufklärerischen Gedanken befruchtet worden zu sein, kann nun mal Missionieren – so wie es alle «heiligen Schriften» mehr (besonders im Koran) oder weniger (z. B. Tora) verlangen – eine zutiefst radikale, barbarische Angelegenheit werden…
@Meier: Genau bei einem Flugzeugabsturz würde ich das epikureische Fragment dem Rufer des «Allahu akbar» entgegen halten: «Es ist töricht, das von den Göttern zu verlangen, was wir uns selber beschaffen können.» Gemeint ist damit die Gelassenheit (wenn man so will, die Seelenruhe), eine innere Autarkie. Als Passagier einer abstürzenden Maschine habe ich keinen Einfluss auf den Absturz, kann auch nichts zu dessen Abwendung beitragen.
Viele Anhänger wollen einfache und «sichere» Heils-Rezepte.
"Was muss ich tun, um das ewige Heil zu erlangen?»
Deshalb werden die Botschaften leider als Rezepte gelesen. Nur wenige können mit den von AI bestens beschriebenen Anforderungen die Texte lesen.
Wenn für gewisse Untaten, das Paradis mit vielen anschmiegsamen Jungfrauen versprochen wird, muss leider angenommen werden, dass viele Gläubige dieses «Rezept» anwenden wollen.
Wir müssen auch hier aus dem Monismus herausgerissen werden. Einen universellen «Konsens kann es heute mit unserer globalen Vernetztheit nicht mehr geben. Alle Worte werden viel- und mehrdeutig."
Stimmt das «universell"? Wie ist das mit der «Goldenen Regel» oder dem «Gebot»: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst (mit oder ohne dem Zusatz «GOTT")
Ich glaube, dass dies wirklich universell gilt und in jeder Sprache dasselbe eindeutig aussagt.
@Martin. Bezweifle, dass es universell gilt. Es gibt Kulturen, die keinen Begriff für Ich oder Selbst kennen, die das Primat des Ichs und seiner Entwicklung, wie wir es hier in extensio praktizieren, nicht verstehen. So wird z.B. der Begriff «Menschenrechte» nicht überall verstanden, auch wenn in fast allen Sprachen es dafür ein (Kunst)Wort geben mag. Der Einzelne als der Gruppe zugehörig, kann kein explizites Ichbewusstsein entwickeln. Diese Idee der Gruppe ist es vielleicht auch, die zur Zeit viele enttäuschte Jugendliche ermutigt sich dem Islam anzuschliessen, der mit seiner Idee der Umma und Asybiya die verlorene Geborgenheit der Familie, der Gemeinde neu verheisst.
@Hermann, das ist sicher so, wie Sie es schreiben. Doch das ändert wohl nichts daran, dass die «goldene Regel» für alle Menschen gelten sollte. Kulturen, in denen es kein Ichbewusstsein gibt, wie wir es kennen, haben ein Gruppenbewusstsein und müssten dieses so leben, dass sie andere Gruppen eben auch so lieben können wie ihre eigene Gruppe. Das ist kein Problem der Verständigung mittels unterschiedlicher Sprachen, das ist letzlich ein politisch zu lösendes Problem, wenn durch das Nichteinhalten der «goldenen Regel» andere Gruppen zu Schaden kommen. Da meine ich, sind auch in anderen Sprachen die Worte eindeutig.
@Martin. Wenn wir allerdings sehen, wie sich die Stämme in Lybien bekämpfen ……..
@Hermann, eben… aber das ändert nichts an der für alle und in allen Sprachen geltende «goldene Regel». Für mich ist das die einzige universell geltende und eigentlich einzig nötige, bzw. für die Menschheit überlebenswichtige «Offenbarung». Mag sein, dass Angehörige der Stämme, die sich gegenseitig bekämpfen, diese Regel nicht kennen. Ich vermute aber eher, dass sie diese – aus Eigennutz – nicht kennen WOLLEN. Wenn sich Religionen streiten, wer die richtige «Offenbarung» hat, mag das eine Beschäftigung für Religionsforscher, Hermeneutiker und Exegeten sein. Sie werden aber alle sich einig sein, dass die «goldenen Regel» für alle Religionen, aber letztlich für die ganze Menschheit als das einzig Entscheidende zu gelten hat.
Ich glaube schon, dass Eigenliebe = Nächstenliebe «universell» gilt.
Voraussetzung ist, dass die Selbstliebe nicht verkümmert. Dann kommt eine Logik in die Sache wie das in den Kampftänzen der Maori ablesbar ist. Es scheint doch, dass kontrahierende Stämme jeden Kampf und damit Verletzungen, Personenschäden wie auch Kolateralschäden vermeiden wollen. Zu diesem Zweck dient die eindrückliche Choreografie, wer die bessere Choreografie organisieren und damit seine Kampfkraft darstellen kann, der ist mit Gewissheit auch die potentere «Armee».
Also aus der Logig der Schmerzvermeidung resultiert eine Herabstufung der Konfrontation zu einer unblutigen Ausmarchung.
Das ist nicht gerade «eidgenössisch» aber doch logisch. Ohne eine gesunde Eigenliebe würde das nicht funktionieren.
Das «wie dich selbst» wurde und wird leider oft unterbewertet, unbewusst, leider oftmals auch bewusst.
Die «goldene Regel» hängt tatsächlich wieder vom Menschenbild ab, geborene Selbstmörder, Sadisten, Masochisten, Verzweifelte, da kann man nur beten, dass sie wenigstens anderen Leuten nicht das Gleiche wünschen wie sich selber. Auch der Dummheitsfaktor und Eitelkeit kann die sogenannte goldene Regel gründlich verderben. Las gerade die Biographie einer Frau, die es gut meinte, die Mutter des heiligen Don Bosco, auch sie liebte die Nächsten wie sich selber; Giovanni Bosco musste jeweils die Rute selber herbeibringen, mit der er gezüchtigt wurde. Einmal hat er noch, als junger Erwachsener, einen Stock geschnitzt, mit dem ihn die Mutter zu schlagen hatte. Dante schrieb über das Eingangstor der Hölle: AUCH MICH SCHUF DIE EWIGE LIEBE. Das Schlimmste ist, dass dies alles «gut gemeint» war.
"geborene Selbstmörder, Sadisten, Masochisten, Verzweifelte"
Das Menschenbild solcher Leute ändert nichts an der universellen Gültigkeit der «Goldenen Regel», weil im Handeln und Denken obgenannter Menschen eben das «Goldene» dieser Regel fehlt: die Erhaltung des «Guten», also der Unversehrtheit (auch) des Mitmenschen.
Ich glaube nicht an eine Hölle, aber was Menschen anrichten unter Missachtung der goldenen Regel, macht für Mitmenschen schon die Welt zur Hölle.
An eine Schöpfung «aus Liebe» zu glauben, schliesst das Böse nicht aus. Aber dieses ist nach meinem Denken nicht etwas «Vorprogrammiertes» in der Schöpfung, sondern eine Folge der (nicht ganz) unbegrenzten Freiheiten, die dem Menschen in seinem Denken und Handeln möglich sind. Was sonst unterscheidet den Menschen mehr von anderen Lebewesen als die «Liebe"? Nur der Mensch kann selbst entscheiden, wie er mit dem ihm geschenkten Leben umgeht. Dass er durch Religionen dazu Vorschriften erhält, ist nach meinem Denken nicht «gottgewollt», aber ein Zeichen, dass der Mensch eine berechtigte Ahnung davon hat, dass er selbst nicht das Höchste des Seins sein kann.
@Joos Martin. Danke für Ihr kluges Weiterdenken. Auch wenn es nicht unbedingt nötig ist, dass wir uns zu einem Konsens «treffen», empfehle ich Ihnen das mit dem regelorientierten Menschenbild und der Gefahr, es zum Massstab zu machen sowie das mit der Hölle (er nahm sie als Atheist sehr ernst) allenfalls über Schopenhauer weiterzudenken. Als ethische Substanz blieb bzw. bleibt dann am Ende die Solidarität mit dem leidenden Dasein übrig.
"Es kann der beste nicht im Frieden Leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt…"
Versuche über «universelle» Rechtsnormen, Weltethos und andere – auf einem minimalen harmonisierten Weltverständnis beruhenden Verhaltensregeln – gab es schon lange und wird es auch weiter geben.
Al Imfeld hat aber schon recht, wenn er auf die Subjektivität der einzelnen Interpretation hinweist.
Ich werde wohl Herrn Fritsche beistimmen müssen. Unsere humanen (humanistischen) Traditionen sind weder sehr tief verankert noch universell. Das Beispiel Libyens liesse sich wohl problemlos auch in anderen Gesellschaften wiederfinden. Der «We – They"-Widerspruch ist nicht zufällig in jüngster Zeit wieder weitverbreitet. «The Axis of Evil», der Ukrainkonflikt.. usw sind Beispiele solcher Dichotomie. Weltethos, Universalität der Nächstenliebe … hin oder her.
@PirminMeier: «bleibt dann am Ende die Solidarität mit dem leidenden Dasein übrig. «
Für Schopenhauer war Rücksicht auf den Mitmenschen also ein Mitleiden:
"Es gibt nur drei Grundtriebfedern menschlicher Handlungen: Egoismus, der das eigene Wohl will, … Bosheit, die das fremde Wehe will … und die Kraft, welche das fremde Wohl will, und diese Kraft ist das Mitleid."
…womit er auch sagt, dass er damit nicht nur die wirklich leidenden Menschen meinte, sondern ALLE Mitmenschen, weil für ihn Leben eine zu bewältigende Leidenszeit bedeutete.
Auch wenn sicher jeder Mensch seine eigene Leidenserfahrung haben wird, empfinde ich das Leben nicht als ein Leiden und somit enthält für mich das Gold in der «goldenen Regel» auch die Hoffnung, anderen nicht nur mit Mitleiden beizustehen, sondern auch Freuden teilen zu können.
Ob das Schopenhauer auch so meinte…?
Die Freuden teilen zu können, ein echter Glücksfaktor, setzt u.a. Neidfreiheit voraus, eine Eigenschaft, die schon innerhalb der Familie schwierig ist, unter Geschwistern, man erinnere sich auch, wie leicht es zu Erbstreiten kommt. Gruppenintern gibt es noch die Steigerung Freund – Feind – Parteifreund. Wie auch immer, das nicht gelöste Böse als Problem war es, was Schopenhauer zu seinem zwar auch persönlich bedingten Pessimismus veranlasste. Man kann sich auf diesen leider besser verlassen als auf den Optimismus, der oft mit Täuschungen und Selbsttäuschung verbunden ist. Die goldene Regel, so versteht es Kant, funktioniert nur, wenn sie ohne Erwartung von Gegenleistung praktiziert wird. Wünsche Ihnen ein gutes und im Sinne Ihrer unbedingt achtbaren Grundsätze gesegnetes 2015.
"Und dieses Evangelium vom Reich wird in der ganzen Welt gepredigt werden [Anmerkung: Jeweils in der entsprechenden Sprache], zum Zeugnis allen Völkern, und dann wird das Ende kommen.» (Matthäus 24:14) (Details siehe Kapitel 24 im Buch Matthäus… 😉 )
@Pirmin Meier
"Pessimismus … – Man kann sich auf diesen leider besser verlassen als auf den Optimismus, der oft mit Täuschungen und Selbsttäuschung verbunden ist. Die goldene Regel, so versteht es Kant, funktioniert nur, wenn sie ohne Erwartung von Gegenleistung praktiziert wird."
Da gehe ich mit Kant einig, jedoch verstehe ich unter der goldenen Regel eben noch etwas mehr: für mich steht über Optimismus und Pessimismus eine un-bedingte Freude am Leben (sonst wäre es nicht lebenswert) – und diese mit anderen zu teilen, ohne Vorbedingungen und Erwartungen, macht das Leben doch erst erträglich.
Ob ich vor ?-zig Jahren auch so gedacht hätte, bezweifle ich …
Alter schützt zwar nicht vor Torheit, aber verändert den Blick aufs Leben, das ja eine Sammlung von Erfahrungen beinhaltet und genügend Gelegenheit bietet, «den Spreu vom Weizen zu trennen»…
Auch Ihnen und allen Mitleserinnen und Mitlesern alles Gute zum neuen Jahr.
Wie ist dann die „Gebrauchsanweisung“ dieser Schriften ?
Soll damit gemeint werden dass Otto Normalbürger all das nicht versteht und „zu einem Spezialist gehen soll“ um die Religiöse Dinge richtig auszulegen ?
Wenn ich „es schon nicht in dem richtigem Kontext einordnen kann“, und schon ich es missverstehe“ … wie soll dann ein Junger verblendeter es richtig deuten können der selbst nur indoktriniert wurde von irgendwelche Interessensgruppen die nur Zerstörung (oder doch territorial Eroberung ?), im Sinne haben …
Erneut behaupte ich: Religionen machen die Menschheit kaputt, führen zu Missverständnisse und Miss-Interpretationen und Kriege, oder zumindest zu gezielte Morde.
Nun kommt meine Verschwörungstheorie zum zuge: Da stehen Mächte dahinter die die westliche Welt übernehmen wollen. Mit „Füsse“ (stete Immigration / Asyl), und mit gezielte Gewalt (Anschläge da und dort), mit dem Ziel (andauernde Zermürbung), HIER eine „neue gut voreingerichtete Region“ zu erobern. Tropfe um Tropfe lässt sich auch Stein bearbeiten, … DIE haben Zeit !
Es lebe der Islam, … und wir, sind wir die „Salami“ ? (Südländischer Ausdruck für jemanden der sich täuschen lässt) …