GASTBEITRAG: Rekord-Schwarzgeld aus dem Süden
Unlautere Finanzflüsse reissen jedes Jahr Milliardenlöcher in die Budgets der Entwicklungsländer. Verantwortlich sind vor allem Steuerhinterzieher und korrupte Potentaten, die ihr Geld in Steueroasen wie die Schweiz verlagern. 2012 erreichten die Schwarzgeldabflüsse aus Entwicklungsländern ein Rekordhoch von 991 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das Zehnfache der Ausgaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des renommierten Forschungsinstituts Global Financial Integrity.
Den Entwicklungsländern entgehen durch Finanztransfers, mit denen Steuerhinterzieher, korrupte Funktionäre und andere Kriminelle ihre Vermögen ins Ausland verfrachten, jedes Jahr Milliardenbeträge, die sie sonst für die Bekämpfung der Armut und den Klimaschutz einsetzen könnten. Das renommierte Washingtoner Forschungsinstitut Global Financial Integrity publizierte Mitte Dezember die jüngsten Schätzungen zum Umfang dieser unlauteren Finanzflüsse.
Die Studie «Illicit Financial Flows from Developing Countries: 2003-2012» kommt zum erschreckenden Schluss, dass die Schwarzgeldabflüsse aus den Ländern des Südens 2012 ein Rekordhoch von 991,2 Milliarden Dollar erreichten. Das ist das 11-fache der öffentlichen Entwicklungshilfe und deutlich mehr als der Gesamtbetrag der privaten Direktinvestitionen, die in diesem Jahr in die betroffenen Länder flossen.
Ein Grossteil der unlauteren Finanzflüsse stammt gemäss der Studie aus fortgeschrittenen Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Russland, Indien und Mexiko. Vergleicht man die Bedeutung der Schwarzgeldabflüsse mit der Wirtschaftsgrösse, stehen aber die Länder des sub-saharischen Afrika an der Spitze: Dort machten die unlauteren Finanzabflüsse 2012 im Durchschnitt rund 4,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Im Durchschnitt aller Entwicklungsländer sind es rund 3,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die an Schwarzgeldtransfers ins Ausland verloren gehen.
Für Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, ist klar, dass die Schweiz in der Mitverantwortung steht. Die Schweiz gilt in den Entwicklungsländern immer noch als sichere Fluchtburg für die Vermögen von Steuerhinterziehern und korrupten Staatsbeamten.
Als weltweit grösster Finanzplatz im Offshore Private Banking steht die Schweiz denn auch weiterhin in der Pflicht. Sie hat zwar gewisse Fortschritte gemacht, aber viele Gesetzesvorschläge, die den Entwicklungsländern tatsächlich einen Nutzen bringen könnten, sind im Parlament noch hängig. Eine Bestandesaufnahme:
- Potentatengelder: Die Schweiz steht international immer noch im zweifelhaften Ruf, ein sicherer Hort für unrechtmässig erworbene Vermögen zu sein. Lücken im Geldwäschereigesetz und die Tatsache, dass einzelne Banken ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten höchst ungenügend einhalten, sorgen dafür, dass immer wieder solche Vermögen in die Schweiz gelangen. Jüngstes Beispiel sind die inzwischen gesperrten Millionenguthaben aus dem Umfeld des gestürzten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch. Bei der Sperrung und Rückführung solcher Gelder hat die Schweiz in den letzten Jahren immerhin deutliche Fortschritte gemacht. Nach dem Sturz ausländischer Machthaber gehört sie jeweils zu den ersten Ländern, die deren Vermögenswerte einfrieren. Ausserdem unterstützt sie die Herkunftsländer massgeblich dabei, Rechtshilfegesuche zu formulieren, die letztlich zur Einziehung und Rückführung der Gelder führen. Ein neues Gesetz soll diese Praxis nun auf eine solide rechtliche Grundlage stellen. Es wird Anfang 2015 ins Parlament kommen.
- Steuerflucht: Mit den nötigen Schritten gegen die Steuerflucht aus Entwicklungsländern tut sich die Schweiz weiterhin schwer. Mit der Umsetzung der Verpflichtung von 2009, allen interessierten Ländern erweiterte Steueramtshilfe zu gewähren, hapert es. Die Liste der Länder, denen die Schweiz bei einem begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung die nötigen Bankinformationen übermittelt, umfasst heute neben zahlreichen Industrieländern nur gerade sieben Entwicklungsländer. Umso erfreulicher ist, dass der Bundesrat im Oktober ein Gesetz in die Vernehmlassung geschickt hat, das hier Abhilfe schaffen soll. Der Gesetzesentwurf sieht die einseitige Ausdehnung der erweiterten Amtshilfe auf rund fünfzig weitere Entwicklungsländer vor. Sinnvoll, aber politisch wohl chancenlos wäre es, der Bundesrat würde den betreffenden Ländern auch gleich den automatischen Informationsaustausch anbieten. Dies würde den Steuerbehörden der Entwicklungsländer helfen, möglichen Fällen von Hinterziehung überhaupt erst auf die Spur zu kommen.
- Steuervermeidung: Was die Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne betrifft, gilt es, die kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und andere Spezialgesellschaften abzuschaffen. Das ist erfreulicherweise im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III, die sich zurzeit in der Vernehmlassung befindet, bereits vorgesehen. Wie wir im letzten GLOBAL+ (55/2014) berichtet haben, will der Bundesrat aber neue Anreize für Unternehmen schaffen, ihre Auslandgewinne unversteuert in die Schweiz zu verfrachten. Die geplanten Massnahmen – Lizenzboxen und allgemeine Unternehmenssteuersenkungen – wären im Gegensatz zu den bisherigen Holdingprivilegien jedoch OECD-konform.
Insbesondere das kürzlich in die Vernehmlassung geschickte Gesetz zur Ausdehnung der Steueramtshilfe könnte eine gewisse Abhilfe schaffen. Ebenso das neue Gesetz zur Sperrung und Rückführung von Potentatengeldern, das aber vielen bürgerlichen Parlamentsmitgliedern deutlich zu weit geht.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Mark Herkenrath (Bild Daniel Rihs/Alliance Sud) Mark Herkenrath ist Steuer- und Finanzexperte bei Alliance Sud, der gemeinsamen entwicklungspolitischen Lobbyorganisation der sechs grossen Schweizer Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks.
Warum nicht alle Steuern durch Lenkungs- Abgaben für Land und Energie ersetzen und damit ein Grundeinkommen zahlen?
Das ist dann eine Pauschalsteuer für alle auf ihren Verbrauch.
Also: Warum nicht?