NZZ: und wo steht Veit Dengler?
Im Juni 2013 kündigte die NZZ die Ernennung eines neuen CEO an. Der neue operative Chef des ganzen Unternehmens sollte Veit Dengler sein, ein gebürtiger Österreicher. Und seit Herbst 2013 ist denn auch tatsächlich dieser Österreicher der neue Boss des NZZ-Managements. Der Chefredaktor allerdings ist bei der NZZ nicht allein dem CEO unterstellt, sondern dem Verwaltungsrat, so wie auch der CEO selber dem Verwaltungsrat unterstellt ist. Die Entlassung von Chefredaktor Markus Spillmann konnte also nicht auf der Ebene des Managements, konkret des CEOs beschlossen werden, sondern war ein Beschluss des Verwaltungsrats.
Damals, im Juni 2013, machte Infosperber darauf aufmerksam, dass Veit Dengler, der neue NZZ-Boss, ein bekennender Freund der EU ist, denn in der gleichen Zeit war Dengler in Österreich aktiv in der neugegründeten Partei NEOS. Dort hatte er sich den Wählern im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen möglichst gut zu «verkaufen» und seinen politischen Standpunkt transparent zu machen. Auf der Website der NEOS bekannte er denn auch ganz offen, ein EU-Befürworter zu sein. «Viele Themen können wir nicht in Österreich lösen, sondern nur gemeinsam in Europa», schrieb er etwa auf der Website als Antwort auf Fragen von Lesern und Leserinnen.
Jetzt, ein gutes Jahr später, steht ein neuer Chefredaktor der NZZ vor der Türe, der als Blocher-Vasall nichts so verabscheut wie die EU. Kann das gut kommen?
Das Projekt Österreich kann gleich abgebrochen werden
Die NZZ hat ein grosses Projekt «in der Pipeline», wie man im Business-Jargon zu sagen pflegt. Sie möchte neben der Schweiz auch in Österreich zu einem angesehenen Blatt der Polit- und Wirtschaftselite werden. Sich in Wien in diese Position zu bringen, kostet allerdings -zig Millionen Franken, wenn es überhaupt gelingt. Wollen sich die Österreicher von einem Schweizer Blatt sagen lassen, was sie zu denken haben?
Wenn nun der EU-Schlechtmacher und -Beitrittsbekämpfer Markus Somm Chefredaktor der NZZ wird, kann das Projekt Österreich gleich abgebrochen und die bereits getätigten Investitionen können gleichentags abgeschrieben werden. Wien ist selbstbewusst genug, innerhalb der EU, wie Schweden, ein neutraler Staat zu sein. Wien ist auch selbstbewusst genug, den NATO-nahen, russophoben Kurs der EU nur soweit mitzumachen, als es unbedingt nötig ist, denn Wien war immer auch ein Tor zum Osten. Und jetzt soll dort eine Schweizer Zeitung Fuss fassen und substanziell Leserinnen und Leser, sprich: Abonnenten finden, die den NATO-nahen, russophoben Kurs noch ausgeprägter pflegt als der deutsche Medien-Mainstream?
Veit V. Dengler ist nicht zu beneiden. Für das kommerzielle Ergebnis eines Medienunternehmens verantwortlich zu sein, auf die politische Linie der eigenen Zeitungen aber keinen Einfluss nehmen zu können, ist kein Schleck. Im Gegenteil: es ist ein Blindflug bei ausgeschalteter Navigation, salopper gesagt: ein Selbstmordkommando. Runter kommt man zwar immer, aber ob sanft auf einer Landepiste aufsetzend oder mit einem Crash, das ist schon ein Unterschied.
Siehe zum gleichen Thema: Schlimme Befürchtungen werden zur Gewissheit
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Es könnte ja immerhin sein, dass auch oder sogar in Wien einige Einflussreiche und Gegendenkende daran interessiert sind (im Gegensatz zu Christian Müller), was aus einer liberalen, nicht nationalkonservativen (nicht FPOE)-Perspektive gegen einen schweizerischen Beitritt zur EU und gegen eine weitere Verschlimmbesserung der Situation im Euro-Krücken-Raum spricht. Dengler sollte sich hüten, diesbezüglich Einfluss auf den redaktionellen Kurs der «NZZ» Einfluss zu nehmen. Wenn er ‹es› nicht lassen kann, kann ihm Herr Supino in seinem Verlag eventuell weiterhelfen.
Das Oesterreich-Projekt ist ohnehin eine «Totgeburt»: http://www.unzensuriert.at/content/0016646-Zu-gro-spurig-NZZ-Chefredakteur-nach-Mediengipfel-Lech-abberufen
Und die Auflagen von NATO-Zeitungen wie der FAZ sind seit zwei Jahren buchstäblich im freien Fall: http://meedia.de/datacenter/analyzer/meedia-data/print-01056/
Dengler ist Manager und hat beim Inhalt nichts zu sagen. Höchstens im Bereich Publizistik-Strategie könnte es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sein.
Und Oesterreich als neutrales Land, das ist ja wohl ein schlechter Scherz.
Oesterreichische Soldaten sind bei jeder EUFOR Militärmission dabei und stehen derzeit zwecks Rohstoffsicherung bewaffnet in Kriegseinsätzen in Zentralafrika und im Tschad.
Die EU ist ein Militärbündnis. Neutrale Länder haben darin nichts zu suchen.
Sogar an der EU Militärmission in Somalia (Sicherung des Rohstoff-Korridors im Roten Meer) unter Führung Englands ist Oesterreich beteiligt, wenn auch nur finanziell und ohne Truppen:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_00292/fnameorig_148065.html
Bravo neutrales Oesterreich, bravo.
Oesterreichische Soldaten und Panzer im Tschad:
http://www.doppeladler.com/da/wp-content/uploads/2011/12/jakdo-4.jpg
http://www.armyrecognition.com/customer/thierry/eufor/kto_rosomak_01.jpg
"Wien ist auch selbstbewusst genug, den NATO-nahen, russophoben Kurs der EU nur soweit mitzumachen, als es unbedingt nötig ist, denn Wien war immer auch ein Tor zum Osten."
Was soll denn das heissen? Oesterreich macht die Sanktionen *uneingeschränkt* mit. Es bleibt nach dem Beschluss in Brüssel auch gar keine andere Wahl.
Und jene Politiker, die sich dagegen gesträubt haben, werden in oesterreichischen Zeitungen aufs Übelste diffamiert:
"Neutralisten (der Bundespräsident), Beschwichtiger (der Wirtschaftskammer-Chef) und regelrechte Putin-Apologeten (der FPÖ-Obmann) stellen sich gegen Merkel, Cameron und Hollande. Droht Österreich auf die falsche Seite der Geschichte zu geraten?"
http://www.profil.at/articles/1438/980/378000/wie-oesterreichs-politelite-eu-sanktionen-russland
Willkommen im EU-Wirtschaftskrieg gegen Russland. Willkommen im militärischen EU-Krieg gegen Somalia, den Tschad, den Kongo, Zentralafrika, und Bosnien.
Willkommen in der EU.
Auch das «neutrale» Schweden hat seine Soldaten mittlerweile über halb Afrika verteilt und war zuletzt sogar an der NATO-Luftoperation gegen Libyen beteiligt:
http://newsroom.gmx.net/2013/08/19/e-mail-markt-in-deutschland-gmx-liegt-in-nutzer-gunst-ganz-vorn/
Fazit: Es gibt keine neutralen EU-Mitglieder.
Korrekter Link zu Schweden:
http://www.forsvarsmakten.se/en/about/our-mission-in-sweden-and-abroad/completed-operations/libya-up/
@) Herr Roelli, Sie liefern den Österreichern Argumente: Bloss die Hände weg von der NZZ und den Schweizern. Sollen die doch in ihrem eigenen Saft verschmürzelen schauen, wo sie bleiben.
Wollen wir nicht einfach einmal abwarten, wer tatsächlich Chefredaktor der NZZ wird.
Somm wird es nicht. Der Job wurde ihm aber angeboten. Das Angebot kann nur vom VR-Präsidenten selbst gekommen sein. Das lässt tief blicken und zeigt, dass die Aufregung nicht umsonst war. Und dass der Widerstand draussen heftiger war, als der Widerstand von innen, sagt gleichfalls eine ganze Menge über die Handlungsfähigkeit (?) der Redaktion in eigener Sache aus.
Wird Dominik Roelli von Christoph Blocher bezahlt?
Ich glaube nicht, dass der CEO seiner Zeitung keine Vorgaben machen kann. Hat doch Albert P. Stäheli der Feuilleton-Redaktion von oben herab verordnet, dass sie auf ihrer Frontseite täglich ein halbseitiges Bild veröffentlichen solle – egal, worum es sich handelt.
@Läubli: Vorgaben schon, aber unternehmerisch, nicht redaktionell. Das mit den Bildern/Fotos war ja noch Teil der Neupositionierung/Verjüngungskur der NZZ unter VRP C. Meyer.
Wenn’s nach mir ginge, gäbe es in der NZZ weiterhin keine Fotos und in den Titeln keine Verben. Zu boulevardesk. Auch hätte die NZZ keine Internetseite. Print-only müsste die Devise sein.
Dass die Aufregung um Somm ein Ablenkungsmanöver gewesen ist, war längst klar. Die NZZ wird inhaltlich dennoch von Blocher übernommen, aber über einen «unbelasteten» Strohmann. Alle atmen auf, und Blocher gewinnt. Wie immer.