Fracking bald auch in der Schweiz?
Die Ost- und Nordostschweizer Kantone haben schon mal Mustergesetze für die Nutzung des Untergrunds ausgearbeitet. Zur Fracking-Methode wird darin noch nicht konkret Stellung bezogen. Erst im Rahmen der kantonalen Gesetzgebungsprozesse soll sich zeigen, ob es auch zu einzelnen Verboten kommt, heisst es bei den Kantonen. Die Waadt und Freiburg hingegen haben aus ökologischen Gründen bereits Fracking-Verbote beschlossen. Bern und der Aargau sind noch unentschieden, äussern sich aber über eine Zulassung der hydraulischen Aufbrechmethode vorsichtig.
Trotz mehrerer Vorstösse in Bern wird es noch einige Zeit dauern, bis ein Bundesgesetz über die Nutzung des Untergrunds inklusive Fracking kommt. Die Eidgenössische Geologische Gesellschaft (EGK) kritisiert grundsätzlich kantonale Sololäufe bei der Behandlung der Fracking-Methode. Die Grünen sind für ein generelles Verbot. Die anderen Parteien haben sich noch nicht festgelegt. Franz Schenker, Präsident der EGK, äussert sich für ein gesamtschweizerisches Vorgehen in der Fracking-Frage.
Thurgau sieht sich in einer Vorreiterrolle
Der Kanton Thurgau sieht sich im Bereich der Förderung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz in einer Vorreiterrolle. «Im Blickpunkt steht die Nutzung der Geothermie», schreibt der Regierungsrat in einer Botschaft zum Gesetzesentwurf über den Untergrund, der demnächst dem Kantonsparlament vorgelegt werden soll. Die Nutzung der tiefen Geothermie war der Kernpunkt einer Motion vom Dezember 2012. Sie löste den Gesetzesentwurf aus. Für die Regierung bedeutet die Nutzung des Untergrunds – neben Geothermie und Gasspeicherung – auch die Erforschung und Gewinnung von Bodenschätzen, die Erstellung von Lagerinfrastrukturen sowie geologische-geophysikalische Untersuchungen. Dazu brauche es die erforderlichen Verfahren und die Voraussetzungen für die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, begründet die Regierung ihre Gesetzesvorlage.
Fracking könne auch umweltfreundlich betrieben werden, heisst es in der Botschaft. Im Sinne einer zukunftsorientierten Energiepolitik soll es deshalb im Thurgau nicht verboten werden. Verbieten möchte der Regierungsrat jedoch die Verwendung von umweltgefährdenden Substanzen beim Fracking. Welche gemeint sind, geht aus dem Gesetzesentwurf aber nicht hervor. Zudem darf das Fracking keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere die Wasserqualität, haben. Die Haftungs- und Versicherungsfragen seien heute nur ungenügend geregelt, stellt der Regierungsrat fest und verspricht diesem Umstand Rechnung tragen. Die Gebäudeversicherung wird von der Abdeckung von Erdbeben- und Folgeschäden, die durch Tiefenbohrungen verursacht werden, aber ausdrücklich ausgeschlossen.
Geothermie-Projekt in den Startlöchern
Die Geo-Energie Suisse AG, eine Gesellschaft mehrerer Schweizer Energieversorgungsunternehmen, will im thurgauischen Etzwilen ein geothermisches Pilotprojekt starten. Auf einem ausgedienten Eisenbahn-Areal soll ab 2020 ein Erdwärme-Kraftwerk Strom produzieren. Anders als etwa beim Geothermie-Projekt in St. Gallen, das wegen ungenügender Bohrbefunde inzwischen eingestellt worden ist, wird in Etzwilen gar nicht mit Heisswasser in der Tiefe gerechnet. Nach dem sogenannten «Multi-Riss-System» soll Wasser durch Bohrlöcher in das Gestein gepresst und danach als Heisswasser wieder an die Erdoberfläche geführt werden. Wegen ökologischer Bedenken und aus Angst vor Erdbeben, wie sie in Basel und St.Gallen ausgelöst worden sind, ist im Dorf eine Bürgeraktion gegen das Geothermie-Projekt entstanden.
Das geplante, aber noch nicht bewilligte Vorgehen in Etzwilen ist mit Fracking sehr verwandt. Die Fracking-Methode bedeutet, dass Gesteinsschichten in grosser Tiefe durch Druck und Chemikalien aufgebrochen und durchlässig gemacht werden, so dass Energieträger auch aus Zonen gefördert werden können, die bisher nicht genutzt wurden. Fracking-Pläne gibt es gegenwärtig für das deutsche Bodenseegebiet. Die Ostschweizer Kantone befürchten eine Gefährdung des Sees als Trinkwasserspeicher. Auch Baden-Württemberg äusserte sich gegen ein Fracking, erlaubte aber einer britischen Firma erste Abklärungen.
«Nein zu Fracking» im Vorarlberg
Die bisher konsequenteste Haltung gegenüber der Fracking-Methhode hat das österreichische Bundesland Vorarlberg. Es lancierte die Initiative «Nein zu Fracking» für den Bodenseeraum und wird dabei von einem Teil der Seeanrainer unterstützt. Britische Firmen bemühen sich um entsprechende Erkundungslizenzen für die Gewinnung von Schiefergas. Der Landtag und die Landesregierung beschlossen die Widerstands-Aktion aus Sorge um die Unversehrtheit des Bodenseeraums.
Hier ein bisschen Fracking mehr und dort ein bisschen weniger; aber Fracking allemal. Das wird wohl schliesslich das Ergebnis sein, wenn es den Kantonen überlassen bleibt, die Nutzung des Untergrundes gesetzlich selber zu regeln.
(Der Artikel ist zuerst auf der Website Saiten publiziert worden.)
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
In der Bodenseeregion können Nachbarländer mitbetroffen sein, wenn ein Land Aktivitäten im tiefen Untergrund zulässt. Erst recht darf der Bund den Entscheid darüber nicht den einzelnen Kantonen überlassen, auch wenn die Kantone über ihren Boden normalerweise selbst bestimmen. Denn nicht nur in Grenzregionen, sondern auch im übrigen Land können Nachbarkantone mitbetroffen sein.
Leider differenziert der Artikel nicht ausreichend zwischen Fracking zur Nutzung der Geothermie und Fracking zur Gewinnung von Schiefergas oder anderen Kohlenwasserstoffen. Aufgrund der Häufigkeit der Begriffsverwendung situiert der Autor Fracking offensichtlich primär im Bereich der Geothermie. Der Artikel übernimmt damit funktional das Bestreben der geologischen Branche, das Fracking im «guten» Umfeld der erneuerbaren Energien (Geothermie) und nicht im «bösen» Umfeld der fossilen Energien (Gasförderung) zu situieren (siehe hierzu die jüngst stattgefundene Tagung von CHGEOL, «Energie aus dem Untergrund"). Die politischen Bestrebungen zur Unterbindung von Fracking stossen sich währenddessen nicht in erster Linie an der Geothermie, sondern an der Förderung von Kohlenwasserstoffen (in erster Linie Gas). Der Widerstand gegen «Fracking» im Val de Travers richtete sich zum Beispiel allein gegen die Gasförderung. Oder ein anderes Beispiel: Eine Initiative der Berner Grünen schlägt aus demselben Grund kein «Fracking-Verbot», sondern ein Verbot der Förderung von Kohlenwasserstoffen vor. Wer an einer kritischen Debatte zu Fracking interessiert ist, tut gut daran, diese Unterscheidung vorzunehmen. Die einzigen, welche an dieser Trennung kein Interesse haben, sind die Vertreter/innen der Erdgas- und Erdölbranche.