Tagesschau_10_10_2014

Von der Immobilienbranche mitfinanzierte Studie © srf

Tagesschau «präsentiert vom Hauseigentümerverband»

upg /  Die Tagesschau könnte sich ebenso sponsern lassen wie das Wetter. Dann würden PR-Beiträge wenigstens etwas Geld einbringen.

Die Ausgangslage: Der Hauseigentümerverband HEV lobbyiert gegen schärfere Vorschriften zur Raumplanung, für möglichst viele Ausnahmen vom Zweitwohnungsverbot und für finanzielle Vorteile. Um Wind für seine Interessen zu machen, finanzierte der HEV zusammen mit den Bundesämtern für Wohnungsbau und Raumentwicklung eine Studie, die zum Schluss kommt, dass die Immobilienwirtschaft «eine gewichtige Bedeutung an der Schweizer Wirtschaftsleistung» hat.
Die Tagesschau-Hauptausgabe vom 10.10.2014: Moderator Franz Fischlin verkündet: «Erstmals zeigt eine Studie, wie wichtig die Immobilienwirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft ist.» Sie leiste 18 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Schweiz, sei für 530’000 Vollzeitstellen verantwortlich und zahle 12 Milliarden Franken Steuern. Mit keinem Wort erwähnte die Tagesschau, wer die Studie in Auftrag gab.
Bekanntlich hängen Resultate von Studien häufig davon ab, welche Absicht die Auftraggeber verfolgen. «Wenn Lobbyisten Studien in Auftrag geben, suchen sie in der Regel ein wissenschaftlich angehauchtes Plazet für die eigenen Positionen», schrieb die NZZ am 21.2.2014.
Ein Beispiel aus der HEV-Studie: Die Immobilienwirtschaft leiste 18 Prozent oder fast ein Fünftel ans Schweizer Bruttoinlandprodukt, zitierte die Tagesschau. Die Zuschauenden wurden im irren Glauben gelassen, dass alle übrigen Branchen noch 82 Prozent zum BIP beitragen. Letzteres ist natürlich falsch. Tatsächlich kommt man auf mehrere Hundert Prozent des BIP und auch auf viel mehr Arbeitsplätze, als es in der Schweiz überhaupt gibt, wenn man die eigenen Angaben aller Branchen inklusive der Staatsleistungen addiert. Diese Zahlenspielerei der HEV-Studie nannte die NZZ «problematisch» und formulierte die Kritik an ihren HEV-Gesinnungsfreunden diplomatisch: «Aussagen zum relativen Anteil an der Wirtschaftsleistung sind mit Vorsicht zu geniessen.»
Von dieser Vorsicht war in der Tagesschau nichts zu spüren.

Mit den rasch hintereinander präsentierten Zahlen konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer mangels Vergleichsmöglichkeiten ohnehin wenig anfangen. Doch sie bekamen eines mit: Die Immobilienwirtschaft ist für unser Wohlergehen so wichtig, dass man sie pfleglich behandeln muss. Für die, welche diese Botschaft nicht auf Anhieb kapierten, deutschte sie der Kommentator des Beitrags aus: «Man müsse dieser bedeutenden Branche unbedingt Sorge tragen, heisst es von Seiten der Immobilienbesitzer». Anschliessend kam HEV-Präsident Hans Egloff zu Wort und durfte davor

warnen, die «Rahmenbedingungen» bei der Raumplanung oder bei finanziellen Entscheiden etwa zu Ungunsten der Branche zu verändern.
Zwei Sätze Badran ohne ersichtlichen Zusammenhang
Offensichtlich merkte die Tagesschau-Redaktion noch selber, dass so viel PR für die Hausbesitzer und die Immobilienbranche allzu unausgewogen wäre. Deshalb befragte die Redaktion noch die «profilierte Immobilienpolitikerin» Jacqueline Badran – doch offensichtlich nicht zur HEV-Stude. Denn mit ihren zwei

Sätzen schnitt Badran ein völlig neues Thema an: Die Immobilienbranche sei «massiv subventioniert», weil sie «von Infrastrukturgewinnen profitiere». Der Zusammenhang mit der HEV-Studie blieb den meisten Zuschauenden verborgen.
Feststellung: Ein derartiger PR-Bericht mit dem Aufruf zur Schonung einer Branche ist in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Grossbritannien oder Skandinavien in der Tagesschau von öffentlich-rechtlichen Sendern kaum zu sehen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor war in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre Redaktionsleiter Wirtschaft der Abteilung Information des Schweizer Fernsehens.

Zum Infosperber-Dossier:

srf_nur_logo11

Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 11.10.2014 um 17:49 Uhr
    Permalink

    Solche PR-Berichte sind in deutschen Medien, d.h. in Serien, Nachrichten, Preisverleihungen, Talksendungen und sogar Sportsendungen, sehr wohl üblich – nur besser getarnt:

    http://www.youtube.com/watch?v=A5Il15KT8Dk

  • am 11.10.2014 um 18:03 Uhr
    Permalink

    Anlässlich seiner Dankesrede für den Erhalt eines Journalistenpreises hat sich Harald Schumann, ehemaliger Spiegel-Redakteuer, zur inneren Pressefreiheit in Deutschland geäussert und wusste danach als Spitze sogar zu berichten, dass der damalige Chefredakteur wegen seiner Pferdezucht der Windkraft abgeneigt war und deshalb entsprechend negativ berichtet werden musste.

    http://www.youtube.com/watch?v=t0h677W_jjk

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...